6. Mai 2025

Ausstellung im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim: Dialog zwischen traditionellem Handwerk und Gegenwartskunst

Ágnes Lörincz „Verdichtete Zeit – Handarbeit. Eine Ausstellung der dekorativen Zusammenführungen“, kuratiert von Dr. Markus Lörz und Julia Mayerhöffer M. A., ist noch bis zum 14. September 2025 im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim zu sehen.
Die Künstlerin Ágnes Lörincz vor dem Bild „Drei ...
Die Künstlerin Ágnes Lörincz vor dem Bild „Drei Gläser“ in der Ausstellung des Siebenbürgischen Museums auf Schloss Horneck.
In der jüngst in den Räumen für Wechselausstellungen im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar eröffneten Schau geht es um Stoffe. Der Reiz der Ausstellung besteht darin, dass das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wird. An den Wänden hängen Bilder, Kunst-Werke der Künstlerin Ágnes Lörincz, die die Idee der Stofflichkeit, also des Textilen, als Ausgangsmaterial für ihre Kunstwerke verwendet.

Die Stoffe und Gegenstände, die in den Vitrinen mitten in den Räumen gezeigt werden, sind hingegen Erzeugnisse eines gediegenen Handwerks. Die Kuratorin Julia Mayerhöffer hat für diesen Anlass aus dem umfangreichen Depot des Museums repräsentative Stücke ausgesucht, die meisten werden bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal öffentlich gezeigt.

Die Welt der Kunst und des Handwerks werden aber nicht nur durch das Thema, sondern auch durch den gemeinsamen Kulturraum Siebenbürgen zusammengehalten, dem sowohl die sächsischen Handwerkserzeugnisse als auch die siebenbürgisch-ungarische (szeklerische) Künstlerin entstammen.

Lörincz lebt seit 1985 in Deutschland. Mit ihrem Werk hat sich Dr. Irmgard Sedler, die Vorsitzende des Trägervereins, schon im Jahr 2014 in einer Ausstellung im Kleihues-Bau in Kornwestheim auseinandergesetzt. Auch Dr. Markus Lörz, ebenfalls Kurator der aktuellen Ausstellung, hat bereits 2019 eine Ausstellung mit ihren Werken in der Städtischen Galerie Bad Wimpfen organisiert.

Nach dem Studium an der Kunsthochschule „Ion Andreescu“ in Klausenburg wurde Lörincz’ Entwicklung durch zahlreiche Stipendien in Paris, Budapest, Solothurn und Frankfurt/ Oder gefördert. 2005-2006 hatte sie einen Lehrauftrag an der Freien Kunstakademie Mannheim. Sie hat es geschafft, eine eigene künstlerische Handschrift zu entwickeln.

Die Malerin verwendet in ihren Werken unterschiedliche Techniken. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Man ist immer versucht, die Bilder zu berühren, weil man seinen Augen nicht trauen kann. Lörincz hat Freude daran, die Betrachter unsicher zu machen – und dadurch zum Nachdenken anzuregen. Im Bild „Drei Gläser“ sieht es aus, als habe sie Papierausdrucke auf eine Tapete geklebt. Erstellt wurde das Bild jedoch, indem sie eine Fotoemulsion auf den Stoff aufgebracht hat.
Kuratorin Julia Mayerhöffer und Klöpplerin ...
Kuratorin Julia Mayerhöffer und Klöpplerin Roswitha Wachsmann bei der Vernissage der Ausstellung „Ágnes Lörincz: Verdichtete Zeit – Handarbeit“. Fotos: Margrit Csiky
Für die Bilderserie „Spitzen“ hat Lörincz echte Spitzen fotografiert und das Foto danach in einem besonderen Siebdruckverfahren mit einer Schaumfarbe in einem 3-D-Druckverfahren so auf einen Stoff aufgebracht, dass es aussieht, als habe man eine echte Handarbeit vor sich. Bei den beiden Bildern mit dem Titel „Gegenüber“ meint man, sie habe einfach eine Collage aus zwei verschiedenen Stoffen erstellt, aber es handelt sich auch da um einen Siebdruck mit Schaumfarbe auf Stoff. Gezeigt werden aber auch Bilder in Öl und Acryl auf Leinwand, beispielsweise „Original Balmoral: Handwoven in Ecuador“. Auch da führt sie die Betrachter in die Irre: Es handelt sich natürlich nicht um ein „Original“, sondern nur um ein Abbild des Hutes. Realität und Illusion, Wahrheit und schöner Schein, Original und Reproduktion, Modewelt und Fast Fashion, das sind die Pole, um die ihre Bilder kreisen.

„Mit ihren Werken an der Nahtlinie zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion will Ágnes Löricz dazu anregen, den Wahrheitsanspruch von Bildern in der heutigen Medienwelt zu hinterfragen. Durch die Verwendung seriell produzierter (Stoff-)Muster und die grafische Zweidimensionalität der Werke werden Oberflächlichkeit, Klischeehaftigkeit und Normierung sichtbar. Der schöne Schein, insbesondere der Modewelt, wird entlarvt“, so Dr. Lörz bei der Vernissage.

Für das Siebenbürgische Museum ist diese Ausstellung ein schöner Anlass, aus dem reichen Fundus im Depot repräsentative Stücke zu präsentieren. Gezeigt werden beispielsweise eine Bockelhaube, aus Baumwolle gehäkelte Deckchen, genetzte Armstulpen aus Tüll, bestickte Tischdecken, Spitzenkragen, um nur einige Objekte zu nennen. In den Vitrinen finden sich Beispiele für die knotenlose Flechttechnik Sprang, Muster von Faltenreihung und Falternstickerei (Gereihsel), wie sie bei Frauenblusen üblich waren, und Nadelspitzen, die mit buntem Faden auf Textilien genäht werden.

Im Katalog zur Ausstellung untersucht Dr. Irmgard Sedler der Geschichte der Spitzenverwendung in Siebenbürgen ab dem 16. Jahrhundert. Julia Mayerhöffer zeigt, wie sich die Spitzensammlung im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim entwickelt hat, und geht auf die Technikgeschichte der einzelnen Spitzenarten an. Ein Beitrag über die „Frauenarbeitsschule in Hermannstadt“ von Werner Sedler ergänzt den Katalog.

Auf großes Interesse stieß bei der Vernissage die Klöpplerin Roswitha Wachsmann. Sie hatte Klöppelkissen, Klöppel und Stecknadeln mitgebracht und zeigte, wie sie das Muster, das auf dem Klöppelbrief aufgezeichnet ist, gestaltet. Eine weitere Vorführung ist für den Internationalen Museumstag am Sonntag, 18. Mai, geplant.

Margrit Csiky

Schlagwörter: Ausstellung, Textilien, Kunst

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