18. Februar 2010

Plastiken und Zeichnungen von Kurtfritz Handel in Frickenhausen

Plastiken und Zeichnungen des siebenbürgischen Bildhauers Kurtfritz Handel, Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2009, sind noch bis zum 26. Februar in den Räumen der Volksbank Hohenneuffen eG in Frickenhausen (Hauptstraße 25) sowie in deren Geschäftsstelle in Frickenhausen – Linsenhofen (Theodor-Heuss-Straße 7) zu sehen. Die Vernissage fand am 17. Januar statt. Der Kunsthistoriker Dr. Günter Baumann unterstrich eingangs seiner Einführung, die im Folgenden auszugsweise wiedergegeben wird, „dass der Bildhauer hier in Frickenhausen, wo er zu Hause ist, ja kein Unbekannter“ sei, vielmehr den „Rang des Stadtkünstlers“ einnehme.
Das plastische Werk von Kurtfritz Handel um­fasst das Porträt/Menschbild sowie die Tierdarstellung und die Landschaft. Wie wichtig Handel das Landschaftsmotiv ist, zeigen die Zeichnungen, die in Linsenhofen zu sehen sind. Ich will mich schwerpunktmäßig den „Frickenhäuser Bronzen und dem Rest der Welt“ zuwenden.

Die Porträts lassen den kulturellen und biographischen Hintergrund des Bildhauers erkennen und machen einen kurzen Blick auf die Vita ratsam. Geboren 1941 in Râmnicu Vâlcea, einer Kreishauptstadt im südlichen Rumänien, genau­er gesagt in der Walachei, wuchs Kurtfritz Handel in Mediasch mitten in Siebenbürgen auf, das ihn prägte. Jedenfalls führte ihn sein Weg direkt zur Kunst: Über das Kunstgymnasium in Klausenburg kam er 1961 an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste „Ion Andreescu“, wo er bis 1967 Bildhauerei studierte. Zwischen 1967 und 1985 war der Bildhauer als Kunsterzieher und freischaffend in Hermannstadt tätig. 1985 siedelte Kurtfritz Handel, halb verjagt und halb geflohen, in die Bundesrepublik über, fand eine Stelle an der Jugendkunstschule in Nürtingen. Dass die renommierte Kunstgießerei Ernst Strassacker in Süßen bald auf den Künstler aufmerksam wurde, verwundert nicht – es dürfte nur wenige Kollegen geben, die die komplizierte Technik des Bronzegusses so gut beherrschen wie Handel. Perfektionist, der er ist, überlässt Kurtfritz Handel weder Hilfskräften die Ausführung noch dem Zufall einen Part bei der Ausführung. Freilich stand in der Kunstgießerei die Auftragserfüllung im Vordergrund, der er dennoch seinen Stempel aufdrücken konnte, während sich die eigene kreative Arbeit außerhalb entfalten konnte, doch darf man mit allem nötigen Respekt darauf hinweisen, dass Handel in seiner Strassacker-Zeit die aktuelle Gestalt des bekanntesten Medienpreises des Landes schuf: die des Bambi. Seit 2003 wohnt und arbeitet der Künstler im Un-Ruhestand hier in Frickenhausen. Von den Auszeichnungen und Ehrungen will ich nur die jüngste und sicher wichtigste nennen: 2009 erhielt Kurtfritz Handel den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis, dessen Träger u. a. auch der Architekt Kurt Leonhard, der Dichter Oskar Pastior, der Pädagoge Walther König oder der Künstler Peter Jacobi sind.

Kurtfritz Handel: Oskar Pastior, Bronze, 2009. ...
Kurtfritz Handel: Oskar Pastior, Bronze, 2009.
Die Porträts, die Sie in der Ausstellung sehen, sind ein Stück Heimatpflege. Zum Teil haben sie – wie wir den zuweilen augenzwinkernden Titeln entnehmen können – persönlichen Charakter: Ein Hund namens Bürschle ist verewigt wie ein Knabe mit Spielzeugente ... Daneben kommen etliche Menschen des öffentlichen Lebens aufs Podest, die meist mit dem Siebenbürgischen ver­bunden sind. Da ist an oberster Stelle Christoph Klein zu nennen, Bischof der deutschsprachigen Evangelischen Landeskirche des Augsburger Bekenntnisses in Rumänien, ansässig in Hermannstadt, sowie Mitglied des Rates und Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes in Bern. Das Porträt entstand im vergangenen Jahr, als Klein mit dem Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen ausgezeichnet wurde. Mit einem Buch bewaffnet, ist der Bischof und Gelehrte mit gütigem Blick dargestellt. Kurtfritz Handel arbeitet wohlüberlegt und versteht es, selbst das Flüchtige in eine überzeugen­de Form zu gießen. Gern spricht er von ,Schnapp­schüssen‘, die jedoch nichts weniger bedeuten, als den besten Augenblick zu vergegenwärtigen, dem allerdings bereits zahllose Zeichnungen vorangegangen sind, und dahinter steckt wiederum noch eine präzise Beobachtungsgabe.

Exakt, fast an der Grenze zur Überzeichnung, ist der Dirigent, Musikerzieher und Organist Eckart Schlandt dargestellt, der tatsächlich diese expressive Physiognomie hat, wie Handel sie eingefangen hat, dramaturgisch gesteigert durch die zur fiktiven Tastatur greifenden Hände. Nicht minder spannungsreich als das Schlandt-Bildnis ist das Porträt des Malers Friedrich von Böm­ches, das die Entschlossenheit des zeitkritischen Dokumentaristen verrät. Auch den Experimentaldichter Oskar Pastior muss ich hier nennen, der in der Bronze von Kurtfritz Handel scheinbar ganze Sprachspiele ersinnt. Die Liste ließe sich fortführen, etwa mit Namen wie denen des Lyrikers Georg Scherg oder des Philologen Harald Krasser.

Was für sein Menschenbild gilt, ist im gesamten Werk erkennbar. Zum einen ist hier das Bekenntnis zur bildhauerischen Tradition zu spüren, die die volle Bandbreite vom expressiven Bildnis mit nerviger Oberflächenstruktur bis zur klassisch-strengen Auffassung umspannt, zum anderen fällt immer wieder die Nähe zur ironischen Brechung, wenn nicht gar zur Karikatur auf, die sich in den Alltagszenen und diversen Kinderbildnissen oder Szenen mit überlängten Mädchenfiguren kundtut. Zudem ist auch das forma­le Spiel allgegenwärtig, in dem sich Handel ganz eigenständig bewegt. In den Porträt-Torsi und szenischen Motiven kehrt er das Innere nach außen: Der Bischof ist auf eindrucksvolle Weise präsent, obwohl sich die Büste nach unten aufzulösen scheint; die Hand mit dem Buch kommt aus dem Nichts! Überhaupt die Hände! Sie sind sozusagen Bild im Bild, pars pro toto, nur selten um den Arm zum Körper hin ergänzt – das alles stört uns in unserer Wahrnehmung realistischer Motivik jedoch nicht. Oder nehmen wir den auf einer Bank sitzenden „Einsamen“ aus dem Jahr 1990, der sich selbst seine eigene Sitzgelegenheit ist, und wieder ein anderer Mann schaut sich – „Sein Herz suchend“, so der Titel – in die Jacke und findet: nichts, oder formal gesprochen: eine durchgreifende Aussparung. Um zu dieser ernüchternden Erkenntnis zu kommen, hat sich dieser Mensch, so scheint es, erst auf einen aufgetreppten Sockel wie auf ein Siegerpodest begeben müssen. Humor und pastorale Stimmung wechseln sich ab.

Dass er (Handel; die Redaktion) dem Gegenständlichen auch im Sur-Realen gerecht wird, dass er gekonnt mit den Gehirnfunktionen des Betrachters rechnet, der die körperlichen Fragmente zu einem ganzen, stimmigen Bild addiert, dass er seine Charakterköpfe fallweise vor einer abstrakten Kulisse zu inszenieren versteht, ist Ausdruck technischer Meisterschaft und einer Eigenwilligkeit, die sich gängigen Trends widersetzt. Nehmen Sie die Brillen in den Fokus – plastisch gesehen kein dankbares Objekt, das Handel gekonnt umgeht, indem er das Gestell nur bruchstückhaft andeutet. Das ist en detail kaum noch gegenständlich zu nennen.

Was für die Köpfe gilt, hat auch im Landschaftsbild seine Berechtigung. Die Kunst imitiert nicht die Natur! Die Landschaften von Kurt­fritz Handel fügen sich in das Œuvre wie selbst­- verständlich ein, obwohl sie als Motiv der Plastik recht ungewöhnlich sind. Der Bildhauer reiht sich damit in die kleine Schar von Vorgängern und Kollegen ein, die sich dem Sujet der Landschaft verschrieben haben – Theo Bechteler, Da­vid Smith, Alberto Giacometti sind hier beispielhaft zu nennen. Handel greift auch hier – wie im Porträt – zunächst den Heimatbegriff auf, diesmal weniger auf die verlassene Heimat Siebenbürgen bezogen als auf die gefundene Heimat im Schwabenland: im „Täle“, in der Region um den Hohenneuffen. Die Differenzierung von geis­tiger Heimat, die ich an Personen festmachen kann, und Heimat, wo ich eben heimisch bin, ist offensichtlich. Das eine trage ich im Herzen, das andere offenbart sich mir beim Anblick einer Schafherde, einer widerspenstigen Ziege, im na­hen Weinberg … Im Bild mit den „Turmfalken“ kreisen die Vögel sogar um die Kirchturmspitze von Linsenhofen. Für einen Vollblutplastiker ist das eine ganz besondere Herausforderung: Wie setze ich die gefühlte Welt ins Skulpturale um, wie schaffe ich die nötige Weite? Wie kaum ein zweiter vermag es Handel, das Spiel des Lichts und die Harlekinaden überlanger Schatten mit naturalistischer Hingabe in die Gesetze der dritten Dimension zu übertragen. Schon die Kunst des Weglassens ist beeindruckend: So entwirft er uns eine Landschaft, deren Ackerfurchen Leerstellen sind, eine Hügelgegend, die nur in einem einzigen Schwung besteht. Wie wir schon in den Porträts gesehen haben, bedarf es des Betrachters, der die Bilder in einer nicht vorhandenen Ganzheit erfassen kann. Da es in der Bildhauerei fast ausschließlich um den Menschen geht, wundert es nicht, wenn die Arbeiten Handels auch hier einen Blick in die menschliche Existenz offenlegen. Die wogenden Felder appellieren an unseren Lebensrhythmus, die Wälder sind Chiffren unserer Existenz. In vorwiegend heiteren und scheinbar leicht-beschwingten, auch komischen Szenen entwirft der Bildhauer anekdotische Augen-Blicke, die der Malerei entlehnt sind. Dass das szenische Moment auch in der Plastik funktioniert, verdankt sich der Einbindung der Tierwelt: So genau Handel das Verhalten etwa von Herdentieren studiert, um ihr Treiben authentisch darstellen zu können, kommen wir nicht umhin, eine den Berghang hinabwogende Kuhherde, die schließlich im Morast versinkt, auf das Dasein an sich zu beziehen – vor allem, wenn ein solches Bild mit „Heimkehr“ überschrieben ist. Die Liebe zur Kreatur schließt Tier und Mensch mit ein.

Gewähren Sie mir noch einen Hinweis auf die Zeichnungen. Auch hier lassen wir uns gerne hinreißen vom Rhythmus, der in klarer und doch rasch gesetzter Strichführung die skulpturalen Bilder vorbereitet. Dass diese Rhythmik immer wieder in Handels Werk auftaucht, im menschlichen Antlitz, in der Landschaft und Tierszene, mag an seiner intensiven Beschäf­tigung mit der Musik liegen.

Günter Baumann

Schlagwörter: Handel, Ausstellung, Bildhauerei

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