20. April 2010

Umfrage über die soziale Identität: Junge Siebenbürger schätzen alte Werte

Einer aktuellen Erhebung zufolge sehen sich 91,5 % der befragten Siebenbürger Sachsen als Deutsche, und dennoch hat davon rund die Hälfte den Eindruck, von den „hiesigen Deutschen“ als Rumäne wahrgenommen zu werden. Die soziale Identität der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hat die Studentin Miriam Daniel in einer Umfrage thematisiert, die als Grundlage ihrer Diplomarbeit dient.
Schon 1972 wurden frisch in Deutschland angekommene Siebenbürger Sachsen im Zuge einer Umfrage gefragt: „Sind Sie mit der Lage zufrieden, die sich durch Ihre Aussiedlung in den Westen für Sie ergab?“. Damals gaben sich zwei Lager zu erkennen: die einen, die gut zurechtkommen, angepasst sind, und die anderen, die mit der neuen Welt zu kämpfen haben und sich schwer tun, Anschluss zu finden.

38 Jahre später thematisiert die Siebenbürger Sächsin Miriam Daniel in ihrer Diplomarbeit im Fach Psychologie die Identität ihrer Landsleute. Die Studentin wurde 1981 in Kronstadt geboren und wanderte im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland aus. Sie entschied sich, ihre Abschlussarbeit über das Thema soziale Identität zu schreiben und wollte es mit den Siebenbürger Sachsen verknüpfen. Ihr Professor ermutigte sie zu diesem Schritt – so entstand die Arbeit mit dem Titel „Soziale Identitäten bei Siebenbürger Sachsen in Deutschland: Eine empirische Studie zur Erforschung des Konzepts ‚Identity Denial‘ und der siebenbürgisch-sächsischen Identität“. Mit ihrer Diplomarbeit an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz möchte Daniel einen kleinen Beitrag zur Siebenbürgenforschung leisten. Zu ihrer Untersuchung schreibt sie im Diskussionsforum auf Siebenbuerger.de: „Gerade das Thema ‚Soziale Identität‘ ist wichtig, da es für jeden von uns Siebenbürger Sachsen im Alltag eine Rolle spielt: Sehe ich mich als deutsch? Wie sehen die anderen Deutschen mich? Stört es mich, wenn ich als Ausländer bezeichnet werde? Wie reagiere ich, wenn ich nach meiner Herkunft gefragt werde?“

Die Umfrage und ihre Ergebnisse

Um auf authentische Aussagen zurückgreifen zu können, erstellte sie einen Online-Fragebogen, den in Deutschland lebende Siebenbürger Sachsen ausfüllten. Die Beantwortung der Umfrage dauerte nach Angaben von Miriam Daniel bis zu einer halben Stunde und somit ist die hohe Teilnehmerzahl von 771 Personen, die den Fragebogen bis zum Ende ausfüllten, sehr beachtlich. Sie repräsentieren nur einen Teil der in Deutschland lebenden Siebenbürger Sachsen. Dennoch gewinnt man einen ganz guten Einblick in deren Befindlichkeit. Die mit Abstand meisten der Befragten sprechen noch die Mundart (über 80 %) und mehr als die Hälfte geben an, beim Deutschsprechen einen Akzent zu haben. Daher werden sie oft gefragt, woher sie stammen. Über zwei Drittel der Befragten mit Akzent nehmen an, dass ihr Akzent sie nicht als „einheimisch“ erscheinen lässt. Dabei sehen sich, wie bereits oben erwähnt, 91,5 % der Siebenbürger Sachsen als Bundesdeutsche. Manche erleben sich sogar im Vergleich zu den hiesigen Deutschen „stärker“ als Deutsche.

Um den siebenbürgischen Lebensstil zu wahren, kochen und essen auch heute noch 80 % der Befragten häufig siebenbürgisch-sächsische Gerichte. Die jüngeren Siebenbürger Sachsen unterscheiden sich von den älteren vor allem darin, dass sie Internetforen der aktiven Mitwirkung in Vereinen oder Kulturgruppen vorziehen. Der deutschen Identität kommt bei den Älteren eine größere Bedeutung zu, für die Jungen ist die siebenbürgisch-sächsische Identität bedeutsamer. Stolze 92,1 % der unter 21-Jährigen möchten sogar ihre siebenbürgisch-sächsischen Traditionen an ihre Kinder weitergeben.

Auf Internetseiten wie www.siebenbuerger.de, www.sibicom.de oder www.rokestuf.de und beim Rosenauer Treffen hat die Studentin auf sich und die Erhebung aufmerksam gemacht. Miriam Daniel erreichte damit erwartungsgemäß vorwiegend jüngere Probanden mit Internetzugang, so dass die Umfrage nur in begrenztem Maße repräsentativ ist. Für die Untersuchung wären sicherlich auch jene Personen ­interessant gewesen, die ihre Herkunft verleugnen und somit gar keinen Kontakt zur „Sibiszene“ haben. Laut Miriam Daniel sei es in der Praxis allerdings ein schwieriges Unterfangen, diese Personen zu erreichen. Die Ergebnisse müssen daher vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen interpretiert werden.

Ein Ziel ihrer Arbeit ist es zudem, zu erforschen, ob sich ein neues sozialpsychologisches Konzept, das sogenannte „Identity Denial“, auch auf Siebenbürger Sachsen übertragen lässt. „Identity Denial“ heißt übersetzt Verweigerung oder Nicht-Akzeptanz der Identität. Im Falle der Siebenbürger Sachsen würde dies somit bedeuten, dass sie sich zwar als Deutsche sehen, aber das Gefühl haben, von den anderen, hiesigen Deutschen nicht als genauso deutsch akzeptiert zu werden, so die Definition von Miriam Daniel. Dieser Sachverhalt wurde in ihrer Arbeit überprüft.

An der hohen Teilnehmerzahl sieht man, dass sich die Landsleute mit ihrer Identität durchaus aktiv auseinandersetzen. Die Umfrage gewährt einen interessanten Einblick in die derzeitige Gefühlslage der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Deshalb darf man gespannt sein, wie die Diplomandin die erhobenen Informationen in ihrer Arbeit verwerten wird. Bei Fragen und Anmerkungen zur Untersuchung kann man Miriam Daniel erreichen unter der E-Mail-Adresse: 7buergerstudie [ät] googlemail.com.

Roxana Höchsmann

Link zum Diskussionsforum: Soziale Identitäten der Siebenbürger Sachsen

Schlagwörter: Jugend, Umfrage, Identität, Internet

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