Kommentare zum Artikel

20. April 2010

Kulturspiegel

Umfrage über die soziale Identität: Junge Siebenbürger schätzen alte Werte

Einer aktuellen Erhebung zufolge sehen sich 91,5 % der befragten Siebenbürger Sachsen als Deutsche, und dennoch hat davon rund die Hälfte den Eindruck, von den „hiesigen Deutschen“ als Rumäne wahrgenommen zu werden. Die soziale Identität der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hat die Studentin Miriam Daniel in einer Umfrage thematisiert, die als Grundlage ihrer Diplomarbeit dient. mehr...

Kommentare

Artikel wurde 30 mal kommentiert.

  • seberg

    1seberg schrieb am 20.04.2010, 10:49 Uhr:
    Zeitungsmache – Meinungsmache?

    „Junge Siebenbürger schätzen alte Werte“ – schöne Schlagzeile! Da kann ja nichts mehr schief gehen, denkt man, mit dem Weitergeben und -leben traditioneller sächsischer Werte, sogar wissenschaftlich erwiesen ist das jetzt, oder?

    Wir lesen: “91,5 % der Siebenbürger Sachsen (sehen sich) als Bundesdeutsche. Manche erleben sich sogar im Vergleich zu den hiesigen Deutschen „stärker“ als Deutsche“. Vor allem für die Älteren kommt der deutschen Identität eine große Bedeutung zu.

    Und dann, oh Wunder: „für die Jungen ist die siebenbürgisch-sächsische Identität bedeutsamer. Stolze 92,1 % der sehr jungen unter 21-Jährigen möchten sogar ihre siebenbürgisch-sächsischen Traditionen an ihre Kinder weitergeben“.

    Da fragt man sich doch erstaunt, woher diese pubertierenden Sachsen und Sächsinnen ihre sächsischen Traditionen eigentlich her haben, wenn für die Alten, also für die Eltern dieser Jugendlichen die deutsche Identität wichtiger ist als die sächsische?

    Und worum geht es dabei eigentlich? Was ist mit „alten Werten“ sächsischer Tradition gemeint? Ist sächsisch reden, kochen und essen damit gemeint?

    Hätte die Untersuchung einen wirklich signifikanten Wert herausgefunden für das ‚Identity Denial‘ der Siebenbürger Sachen im bundesdeutschen sozialen Milieu, also eine wirkliche Ablehnung von seiten dieses Milieus, dann hätte das vielleicht so etwas wie eine Rettung bedeuten können für eine eigenständige siebenbürgisch-sächsische Identität in Deutschland. Davon ist aber nichts zu lesen, wie auch. Da haben es die türkischen, arabischen und andere Migranten wohl leichter.

    Nur gut, dass man dann irgendwo versteckt im Text auch lesen kann, dass das alles ja eigentlich gar nicht so richtig repräsentativ ist in der Untersuchung! Aber wer liest und vesteht das schon...Hauptsache, wir haben eine schöne Schlagzeile.
  • bankban

    2bankban schrieb am 20.04.2010, 11:37 Uhr:
    Mensch, seberg, du bist ja mal wieder destruktiv...:-))
    Nicht mal die paar logischen Widersprüche kannste ertragen... Du weisst doch: Opa stramm nationalbewusst, Enkel aber stolzer Sox...Anything goes und wie sagte doch Renan anno 1872 (oder so): ethnisches Identitästbewusstsein ist eine Abstimmung mit Füssen... das kann dann auch in Füssen stattfinden oder eben in Kronstadt.
    Jetzt raube uns doch nicht die Gewissheit, dass es ewig mit dem Soxentum weitergeht, schließlich fließt ja noch altes gotisches Blut in uns...laut einigen Teilnehmern hier...
  • seberg

    3seberg schrieb am 20.04.2010, 12:50 Uhr:
    Ja, bankban, ich ahne es, es ist ja vielleicht schon fast krankhaft diese meine Panik vor der schönen Lüge. Ich habe ja auch mal an die Macht von Mantras geglaubt...Das ist Gott sei Dank vorbei und ich finde es nur noch urkomisch, witzig und absurd, wie man sich über seine eigene blutige Nase mit verklärt lächelndem Augenverdrehen hinwegtäuschen und damit ins nächste Verderben rennen kann…

    Danke für den Hinweis auf Renan! Fernand Fehlen (Urheimat Großregion, Siebenbürgen und Luxemburg) zitiert auch den Edward Said: „Alle Kulturen sind hybrid, keine ist rein, keine ist identisch mit einem reinrassigen Volk, keine ist homogen“. Das ist wohltuend und beruhigt mehr als jedes Mantra!


    [Beitrag am 20.04.2010, 13:02 von seberg geändert]
  • Johann

    4Johann schrieb am 20.04.2010, 21:22 Uhr:
    @bankban

    Wo steht das mit der "Abstimmung mit den Füssen"?
    Mir iat nur folgendes bekannt:
    "Das Dasein einer Nation ist - erlauben Sie mir dieses Bild - ein tägliches Plebiszit, wie das Dasein des einzelnen eine andauernde Behauptung des Lebens ist" (Renan 1882, der Beitrag von Renan ist veröffentlicht in Jeismann/Ritter 1993: 309).

    Wenn du diesen Satz googelst, kannst du mehr erfahren ;-))



    [Beitrag am 20.04.2010, 21:30 von Johann geändert]
  • bankban

    5bankban schrieb am 20.04.2010, 22:18 Uhr:
    @ Johann
    Es steht im Kontext des von dir zitierten Satzes und wird in der Literatur gewöhnlich so gelesen wie ich es dargestellt habe; google mal "renan abstimmung mit den füssen" und du bekommst ein von google eingescanntes Buch über den kanadischen Föderalismus zu sehen (von J. Broschek). Die zu sehende Seite enthält eine derartige Aussage/Lesart.

    Diese Lesart wiederum scheint mir, nachdem ich mir Renans Text erneut angesehen habe (zuletzt vor Jahren gelesen; danke für die Hausaufgabe, die du mir indirekt gegeben hast ;-)), also, diese Lesart scheint mir nicht weit hergeholt zu sein. Denn Renan (http://www.dir-info.de/dokumente/def_nation_renan.html) spricht gegen Ende seines Textes zum Einen vom Willen der Menschen, einer Nation/Gemeinschaft anzugehören; zum Anderen spricht er auch von der Möglichkeit der Sezession, des Abfalls und von dem "Zerbröseln der Nationen", wenn man das historische Erbe nicht mehr annimmt und nicht mehr antritt. - (sondern eben aus der gemeinsamen Geschichte hinaustritt - eben nicht nur im Geiste, sondern zum Beispiel durch Auswanderung aus der Heimatregion mit den Füssen). Von daher war meine Aussage, die ja kein direktes Zitat, sondern sinngemäße Wiedergabe war, durchaus in sich stimmig - mMn. Oder?

    [Beitrag am 20.04.2010, 22:30 von bankban geändert]
  • Johann

    6Johann schrieb am 21.04.2010, 08:15 Uhr:
    "Eine große Ansammlung von Menschen, gesunden Geistes und warmen Herzens, erschafft ein Moralbewußtsein, welches sich eine Nation nennt."
    Quelle: http://www.dir-info.de/dokumente/def_nation_renan.html

    Vielleicht steckt ja bei manchen der Geist in den Füßen ;)
  • bankban

    7bankban schrieb am 21.04.2010, 08:35 Uhr:
    lustig, lustig... ;)

    ich wiederhole: Kontext beachten ... hilft mehr - als sich nur auf aus dem Zusammenhang gerissene Zitate zu berufen.

    (Und/obwohl wenn ich an manche Fussballspieler denke, ist deine Aussage über den Geist in den Füßen durchaus zutreffend)

    [Beitrag am 21.04.2010, 08:38 von bankban geändert]
  • Johann

    8Johann schrieb am 22.04.2010, 08:54 Uhr:
    Gerade wenn man den Kontext miteinbezieht, kann ich dir weder stilistisch noch sachlich folgen.

    Ein großer französischer Geist des 19. Jahrhunderts würde doch nie so ein Bild verwenden "Abstimmung mit den Füssen".

    Ein Franzose wandert aus Frankreich aus, aber der französischen Nation füllt er sich überall zugehörig, mehr noch, jeder Mensch sollte sich aus freiem Willen dieser Nation zugehörig fühlen, weil sie der Welt die universelle Menschenrechte geschenkt hat.
  • bankban

    9bankban schrieb am 22.04.2010, 09:33 Uhr:
    Naja, ich sehe das anders und glaube schon, dass im Text sinngemäß schon das drinsteckt, was ich gesagt aber. Aber: geschenkt, ist ja Interpretation und wir haben beide unsere Positionen hinreichend klargemacht. Wir wollen dieses Thema hier nicht breittreten.

    Jedoch eine Anmerkung zu den Nationen: die eine schenkte der Welt die Menschenrechte, die andere vertonte die "Ode an die Freude", die dritte schuf die Sonette Shakespeares oder Petrarcas, die vierte die Mazurken Chopins usw. D.h. jede Nation hat der Welt etwas geschenkt. Soll ich mich jetzt als Pole, Engländer etc. fühlen? Nee, vielen Dank, ich verzichte gerne drauf und fühle mich .. als Mensch. Um als Mensch human zu bleiben und Humanität anderen gegenüber zu zeigen, damit bin ich schon ausgelastet genug.
    Außerdem ... Moment mal: hat tatsächlich jede "Nation" der Welt etwas geschenkt? Oder waren das viel eher Einzelpersonen, die ob bewusst oder unbewusst, absichtlich oder zufällig, einer Gemeinschaft gleichsprachiger Menschen angehörten? Was hat die "Nation", ausser dass manche ihrer Mitglieder andere Personen für eigene Zwecke vereinnahmen, mit diesen Personen zu tun?
    Herzlich wenig, nach meiner Meinung.
    Ich persönlich sehe mir mein Gegenüber an und es interessiert mich nicht die Bohne, was seine "Nation" dreihundert Jahren vor seiner Geburt der Welt angeblich geschenkt hat. Ich frage mich nur, ob mit ihm eine Gesprächs- oder sonstige Interaktionsgrundlage (Fussballspielen etc.) gegeben ist, die uns beide bereichert. Das interessiert mich wirklich - nicht aber "Nationen".

    D.h., ich glaube, das Konstrukt "Nation", bekanntlich eine Erfindung der letzten 200 Jahre, geistert und spukt immer noch zu stark in unseren Köpfen herum. Und ich persönlich empfinde dieses Konstrukt wie eine Zwangsjacke, die unser Denken und Fühlen behindert, ihnen Schranken aufsetzt und uns Vorschriften macht (Nach dem obigen Zitat: "Jeder sollte sich als Franzose etc. fühlen, weil ..."). Zuviel Leid haben diese Vorschriften gemacht und verursacht in den letzten 100 Jahren und ich bin daher für die Abschaffung der Nation, konkreter dafür, dieses Konstrukt als ein Konstrukt zu demaskieren und die blutigen Untaten, die in seinem Namen geschehen sind, als solche zu benennen. Damit in diesem Namen nicht wieder solche verübt werden können.

    Und noch eine letzte Anmerkung: "Ein Franzose wandert aus Frankreich aus, aber der französischen Nation füllt er sich überall zugehörig" ... hm... was würden wohl die Lafontaines, die de Maizieres etc. dazu sagen? (Bei dem ersteren könnte ich mir vorstellen, dass du vll. sagst: "Der ist doch ein 'vaterlandsloser Geselle'" war er doch SPD-ler und ist nun gar ein Linker; doch bei dem CDU-Mitglied de Maiziere???) :-))
    Nix für ungut, aber eine heikle Situation, oder?

    [Beitrag am 22.04.2010, 09:39 von bankban geändert]
  • joker

    10joker schrieb am 22.04.2010, 10:44 Uhr:
    Jeder darf sich m.E. jener Nation zugehörig fühlen der er will. Eine ganz andere Frage ist ob die Nation, derer sich der Einzelne zugehörig fühlt, den Einzelnen auch annimmt und als einen Teil der Nation ansieht.

    Es ist auch durchaus auch möglich, sich mehreren Nationen zugehörig zu fühlen, darin sehe ich nichts widersprüchliches.
  • bankban

    11bankban schrieb am 22.04.2010, 11:07 Uhr:
    Hast völlig Recht, Joker und stimme dir zu, dass jeder sich jeder Nation zugehörig fühlen darf, meinetwegen sogar auch zweien oder dreien. Und dabei ist es meines Erachtens unwichtig, ob diese Nation ihn annimmt oder nicht, solange man selbst sich wohl fühlt.
    In und mit meinem Beitrag wollte ich aber etwas anderes anstoßen/erreichen, nämlich das Hinterfragen der Nation als solcher. Ist es notwendig und unabdingbar, dass wir in der Kategorie "Nation" denken? Können wir das nicht überwinden? Bringt es irgendwelche Vorteile oder nicht eher Nachteile mit sich, wenn wir die 480 Millionen Europäer ethnisch und nach nationalen Kriterien voneinander (unter-)scheiden? Schließlich hatten wir vor 3-400 Jahren schon einmal die Situation, dass es nicht darauf ankam, ja nicht einmal bewusst war, ob einer Pole oder Ungar war. Klar, damals war wichtig, dass man dem selben Stand angehörte. Heute gibts Schichten, doch sind sie schon teilweise durchlässig. Vielleicht sollten wir also beim Gegenüber, so meine Überlegung, nicht auf seine "Nation", die Zufallsprodukt und selten eigene Entscheidung ist, nicht auf seine Schicht, sondern einfach darauf achten, ob und was er uns sagt. Das halte ich für wichtiger als die ZUgehörigkeit zu Nationen. Doch ist diese nationale Zugehörigkeit heute für viele sehr wichtig. Erst wenn wir anfangen, sie für nicht so wichtig zu nehmen, werden wir diese ganzen künstlichen Unterscheidungen zwischen Mensch und Mensch überwinden. Daher plädier(t)e ich für die Dekonstruktion des Konzeptes "Nation".
  • seberg

    12seberg schrieb am 22.04.2010, 11:29 Uhr:
    Dekonstruktion oder Festhalten...das ist die Frage.

    Und um kurz zum Anfang und zum Artikel zurückzukommen und zu Johann, dem, wenn ich es richtig sehe, das Festhalten sehr wichtig ist: ich habe dich, Johann, immer so verstanden, dass du unserem sog. „unsichtbares Gepäck“, also unserem aus Siebenbürgen im „Kopf und Herzen“ mitgebrachtem geistig-kulturellem Erbe eine sehr große Bedeutung für den Erhalt unseres Völkens auch in der „Fremde“ beimisst, später hast du dann zunehmend auch das in Sb. zurückgebliebene „sichtbare Gepäck“ und dessen Erhalt dafür als bedeutend erkannt.
    Es ehrt dich, dass du so fest daran glaubst. Ich meine jedoch, dass dabei viel Wunschdenken mitspielt, mir kommt das wie ein letztes Aufbäumen vor dem Unvermeidbaren vor.

    Die „Abstimmung mit den Füssen“ zunächst weg vom Sächsischen und hin zum Deutschen hat nämlich noch innerhalb Siebenbuergens schon lange vor der massiven Auswanderung begonnen. Dass die meisten von uns jetzt in Deutschland leben, gibt „uns“(?!)nur den Rest.
    „Mit den Füssen“ meint natürlich nicht nur etwas Geographisches, sondern metaphorisch im übertragenen Sinne eine Kopfentscheidung zum mentalen Wegbleiben von der Zugehörigkeit zu einer „nationalen“ Gemeinschaft, meine ich.

    Um aber nicht ganz im Düsteren und Tierisch-Ernsten des Themas zu versauern, knüpfe ich an bankbans „lustig-lustig“-Ausruf an und zitiere aus einem durchaus zur deutschen klassischen Literatur zählenden Werk, ein Zitat mit einer überraschenden Sicht auf das Verhältnis zwischen Füssen und Kopf:
    „Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts, Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte.“

    Und jetzt sag bloß nicht, dass Büchners Lenz verrückt war! :))
  • pedimed

    13pedimed schrieb am 22.04.2010, 21:14 Uhr:
    @bb,sb&jk .: Diese Disputs sind ja sehr aufregend aber im 3-Sprachigen Belgien ist schon wieder ein Konflikt zwischen den Flamen und Vallonen ausgebrochen. Sollten die sich doch die SBB-Toleranzpatente zu gemüte führen und ihre Streitigkeiten wie die Südtiroler im Jahr 1971 mit Anregung von Felix Ermacora ihren Frieden schufen. Wenn jemand von Euch irgendeine Belgische Hompage im Netz hat,so sendet diesen meinen Beitrag dorthin.Hobs mi!?
  • Johann

    14Johann schrieb am 22.04.2010, 22:17 Uhr:
    @bankban
    Du schreibst Kontext beachten, selber gibst du aber Erfahrungen zum besten, die Renan nun auf keinen Fall machen konnte, einfach weil er ein Jahrhundert früher lebte.
    @seberg
    Ich bin, obwohl du dies mir auch mal unterstellst hast, kein Entweder-Oder-Typ noch für das Festhalten.
    Jeder soll (frei nach Goethe) das Erwerben, was er an Erbe erhaltenswert hält und dieses Weiterentwickeln.
    Übe Kritik schon seit über ein Jahrzehnt gegen die "museale Sichtweise".

    @pedimed
    Würden alle Nationen weltweit die "SBB-Toleranzpatente" (hat der Verband die PAtente?) lizenzieren, dann könnten wir in Saus und Braus leben und es gäbe keine Kriege mehr.
    Schade nur, dass die anderen so dumm sind und das Potential nicht nutzen wollen ;)


    [Beitrag am 22.04.2010, 22:18 von Johann geändert]
  • bankban

    15bankban schrieb am 23.04.2010, 08:37 Uhr:
    Ach Johann, da vermischst Du mal wieder Äpfel mit Möhren und argumentierst unter Deinem Niveau.

    Meine mehrfache Forderung "Kontext beachten" bezog sich eindeutig auf die Rede Renans. Die Kritik an den Taten, die im Namen von Nationen geschahen, wiederum wurde nicht in Verbindung gebracht mit Renan, sondern allgemein als Ergebnis des Gedankengebäudes "Nation" bzw. "Nationalismus" dargestellt. Und in dem Zusammenhang habe ich Renan, wenn ich mich richtig erinnere, überhaupt nicht erwähnt.

    Es ist aber irgendwie bezeichnend, dass Du, der Du ja am Konzept von Nationen nichts auszusetzen zu haben scheinst, meine Grundsatzkritik am Konzept und meine Hoffnung auf seine Überwindung keines Wortes würdigst. Genauso wie du meine Widerlegung deiner Aussage über Franzosen, die ewig Franzosen bleiben, stillschweigend übergehst. Stattdessen scheinst Du aber so ein Ablenkungsmanöver nötig zu haben, indem Du mir Aussagen in den Mund legst, die ich gar nicht getroffen...

    Cui bono? Oder willst Du damit zeigen, wie gut Du die Kunst der Eristik beherrscht?
  • Johann

    16Johann schrieb am 23.04.2010, 20:15 Uhr:
    @bankban
    In einem persönlichen Gespräch nickt man ab und zu, dann weiß der andere, dass man ihm zustimmt.
    Wenn man dann einen Kritikpunkt ansetzt, dann wird dies nicht als generelles Ablehnen missverstanden.

    Dies geht hier nicht, ich kann doch nicht immer alle Sätze, die du oder andere schreiben und denen ich zustimme, positiv kommentieren.

    Meine Kritik bezog sich ganz punktuell.
    Ich habe am Konzept von Nationen sehr wohl viel auseinanderzusetzen, je nachdem um welches es sich handelt, das von Herder oder das nationalsozialistische, dazwischen liegen Welten.
    Deine pauschale Ablehnung finde ich völlig überzogen.
    Wir brauchen prinzipiell mindestens eine Sprach- und/oder Lebensgemeinschaft, weil wir soziale Wesen sind und eine Privatsprache unmöglich ist, wie Wittgenstein gezeigt hat.

    Wenn ich zwischen Esperanto-Nation und einer Vielfalt von Nationen wählen muss, dann würde ich mich für das letztere entscheiden.

    Gesetzt in der Welt gibt es keine Nationen mehr, was wäre dann gewonnen?
    Die Europäer haben sich im 30jährigen Krieg auch die Köpfe eingeschlagen, nicht aus nationalen, sondern aus religiösen Gründen.
    Die Abschaffung der Religion hätte die Exzesse des Nationalismus im 20. Jahrhundert auch nicht verhindern können.

    Mich überzeugt also weder dein noch das von pedimed propagierte Allheilmittel nicht, auch wenn man einzelnen Aussagen zustimmt.

  • seberg

    17seberg schrieb am 24.04.2010, 09:52 Uhr:
    Ja, Johann, das Nationale und die Nation hat sogar zunehmend wieder Hochkonjunktur, auch in Deutschland kommt sie langsam wieder zu Ehren. Dazu hier ein Ausschnitt aus einem Artikel:

    „Und dann in naher Zukunft wird die Welt wechselweise nach Afghanistan und nach Südafrika blicken. Überall sind deutsche Jungs im Einsatz, allerorten Deutsche im Kampf, im Gefecht, im Krieg. Jungs, kämpft die Socceroos nieder! Schießt die Serben vom Platz! Jetzt gibts Fußballkrieg! Dann ein Schwenk nach Kabul, Kandahar oder Kunduz. Jungs, kämpft die Zottelbärte in den Sand! Schießt den Turbanen die Flöhe aus dem Bart! Deutsche der Erde, steht euren Mann für das Vaterland! Nichts betört die Kriegsfreude mehr, als der Kampfeinsatz am Ball; nichts wickelt glückstrunkene Massen mehr um den Finger, als der regelmäßig wiederkehrende Nationalismus im Trikot, den sie gesunden und unbefleckten Nationalismus nennen, einen positiven Nationalismus der Freude heißen. Der taumelnden Menge werden sie frohe Kunde aus Afghanistan zwischen die Jubelausbrüche streuen - kaum einer wird es merken und wenn doch, spielt es auch keine Rolle. Denn in Afghanistan vertreten sie nur Deutschland, so wie in Südafrika auch.“

    (Geschrieben von Roberto J. De Lapuente, gefunden auf dem Blog ad sinistram: http://ad-sinistram.blogspot.com/2010/04/jeden-tag-ein-bisschen-mehr-zu-den.html )

    Das nur als Beispiel, warum mir bankbans Dekonstruktionsgedanke doch ziemlich sympathisch ist...

    [Beitrag am 24.04.2010, 09:59 von seberg geändert]
  • Johann

    18Johann schrieb am 25.04.2010, 22:01 Uhr:
    @seberg
    Damit hast du das Herder-Konzept einer Kulturnation widerlegt.

    Bravo!
  • seberg

    19seberg schrieb am 26.04.2010, 09:33 Uhr:
    Das verstehe ich jetzt nicht!?
  • pavel_chinezul

    20 • pavel_chinezul schrieb am 27.04.2010, 19:32 Uhr:
    Ich möchte die Moralisten hier, die sich immer wieder über das nationale Denken anderer User so echauffieren, mal fragen ob sie nicht doch Zeichen von Doppelmoral aufweisen, denn schließlich und endlich zählen wir uns zur deutschen Volksgruppe und (jedenfalls die meisten) wohnen in Deutschland, gerade auf Grund der Betonung des nationalen Zugehörigkeitsgefühls.
  • bankban

    21bankban schrieb am 27.04.2010, 20:25 Uhr:
    Kann man nicht Husten, Grippe etc. haben und sich zugleich wünschen, dies' Gebrechen und Krankheit sei endlich vorbei?
  • Schiwwer

    22 • Schiwwer schrieb am 27.04.2010, 22:35 Uhr:
    Rău e cu rău, dar mai rău fără rău.
  • Anchen

    23Anchen schrieb am 28.04.2010, 00:01 Uhr:
    Genau, vergessen wir Deutschland, denken wir an morgen.


  • Johann

    24Johann schrieb am 28.04.2010, 10:51 Uhr:
    Schiwwer du hast es erfasst!

    Die anderen beiden glauben, dass man gleich das Kind mit dem Bade ausschütten muss. In diesem Fall das Konzept der Nation abschaffen, nur weil man den Nationalsozialismus oder Nationlismus nicht will. Was man bei den beiden letztgenannten primitiven Nationalismen noch "dekonstruieren" muss, weiß ich leider nicht, die entsprechende Dekonsturktionen füllen kilometerlange Regale in den Bibliotheken.

    Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von allen ;-))
    Da ja wie ich schon mal hinwies ein Erbe nochmals hart erworben werden muss, ist es aus didaktischen Gründen sicherlich gut, wenn jeder dies mindestens einmal sagt.
  • bankban

    25bankban schrieb am 29.04.2010, 06:38 Uhr:
    Ach Johann ... ich wollte zu deiner Herderhuldigung nichts mehr sagen, denn dass man im Jahre 2010, bei all den völlig anderen Rahmenbedingungen meint zu romantisch-völkerpsychologischen Ansätzen aus der Entstehungszeit von Nationalstaaten 200 Jahre zuvor zurückkehren zu können, spricht ja für (oder, pardon: gegen) sich und braucht ob der Unzulänglichkeit und Anachronismus nicht weiter thematisiert zu werden. Doch legst du es anscheinend drauf an... :-)

    Ich möchte hier nicht weiter gehen und ausholen, als bis zum erstbesten Wikizitat, das auch dem der Materie unkundigen Leser die vermeintlichen "Vorzüge" und die angebliche "Aktualität" Herders bestens offenbart. Man beachte den Gegensatz, der hier pointiert herausgearbeitet wird:

    "Die Kulturnation ist dem Staat gedanklich vorgelagert und lässt sich nicht durch staatliche Grenzen bestimmen. Daher hängt sie grundsätzlich von dem Dasein eines sie deckenden Staates nicht ab. Der Nationalist macht aber den Anspruch der Nation auf staatliche Souveränität geltend. Bekannt ist die Ausführung Johann Gottfried Herders (Herder in Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit): „der natürlichste Staat ist also auch ein Volk, mit einem Nationalcharakter. Jahrtausende lang erhält sich dieser in ihm und kann, wenn seinem mitgebornen Fürsten daran liegt, am natürlichsten ausgebildet werden: denn ein Volk ist sowohl eine Pflanze der Natur, als eine Familie; nur jenes mit mehreren Zweigen.“ Nach Herder ist die Nation überzeitlich existent. Sie muss sich nur noch in der politischen Wirklichkeit ausdrücken.

    Demgegenüber stellt die Staatsnation (Willensnationen) nicht auf gemeinsame kulturelle Werte ab. Die in einer Staatsnation die Gemeinschaft verbindende Merkmale werden in einer, auf ein bestimmtes, historisch entstandenes Territorium bezogenen Rechtsgemeinschaft erblickt, deren vornehmster Ausdruck die gemeinsame Verfassung ist. Die Teilhabe an dieser Rechtsgemeinschaft ist jedermann über die Staatsbürgerschaft möglich. In einem demokratischen Staat wird allgemein der freie Wille aller Staatsbürger, sich zu dieser mehrheitlich beschlossenen Rechtsordnung zu bekennen (politischer Stiftungswille), unterstellt (daher auch Willensnation). Die Staatsnation setzt daher begriffsnotwendig einen demokratischen Staat voraus."

    (Wikiartikel: Nationalismus)
  • seberg

    26seberg schrieb am 29.04.2010, 16:14 Uhr:
    @pavel-chinezuls „Betonung des nationalen Zugehörigkeits-GEFÜHLS“ ist in diesem Zusammenhang, wie ich finde, ein verräterisches Wort: die GEFÜHLTE Zugehörigkeit zeigt, wie stark wir dem Begriff der Herderschen Kulturnation (danke bankban!) immer noch anhängen und uns darin verwurzelt(!) fühlen(!). Darin geht es um Begriffe wie „Nationalcharakter“, „Volk“, „natürlich“, „mitgeboren“, „jahrtausendelang“, „Pflanze“, „Familie“ usw., alles Begriffe, die tatsächlich stark an die dem Biologismus verpflichtete, verhängnisvolle „Völkerpsychologie“ erinnern. Das Gefühl, die Emotion empfinden wir leider immer noch als etwas „Natürliches“ im Gegensatz zu der als „künstlich“ empfunden Vernunft. Dieser Letzteren aber verdankt sich der Begriff der Staatsnation, die auf einen demokratischen und damit friedlichen Ausgleich von Konflikten und Grenzen zwischen traditionellen Werten verschiedener Kulturen innerhalb einer Staatsnation zielt.
  • Johann

    27Johann schrieb am 29.04.2010, 19:21 Uhr:
    @bankban

    Wo habe ich eine Huldigung des Herderkonzepts vorgenommen?

    Ich habe gegen deine Dekonstruktion des Nationskonzeptes einige Einwände erhoben:

    1. Es gibt nicht nur EIN Nationskonzept, sondern deren Viele und habe u.a. auf das von Herder und das nationalsozialistische Konzept verwiesen. Dass ich nicht schon als Nazi abgestempelt wurde, ist ja hier ein Wunder. Nochmals: ich habe mich bisher für keines dieser Konzepte eingesetzt.

    2. Habe ich gesagt, dass die Abschaffung der Nation sich überhaupt nicht auf die Friedfertigkeit der Welt auswirken wird (vgl. Religionskriege seit Bestehen der Menschheit). Damit erübrigt sich deine Mission. Darauf hast du überhaupt nicht reagiert.

    3. Fand ich deine Argumentation alles andere als neu, habe dir natürlich zugesprochen, dass jeder dies auch mal sagen kann.

    Der Artikel aus Wikipedia ist sehr schlecht.

    Wo gab es den die Rechtsgemeinschaft in Frankreich zu Herders Zeiten? Damals wurde ja das Konzept der Staatsnation in F formuliert.
    Die Franzosen und Engländer haben ihre Mehrheitsmacht brutal ausgenutzt, Bretonen, Waliser, Schotten etc. können ein Lied davon singen. Sie haben diese Völker brutal missioniert und deren Raum als französische bzw. englisches Territorium ausgegeben.
    Die zerstörerische Sprengkraft des Nationalismus - Missionierung und Verknüpfung nationaler Fragen mit Territorialfragen - stammen ausschließlich aus der Ecke der Staatsnation und nicht der Kulturnation.
    Tschechisch war zu Herders Zeiten als Sprache fast verschwunden, hätten sich die Österreicher an den Franzosen und Engländer und nicht an dem Herderkonzept orientiert, gäbe es heute wahrscheinlich keine tschechische Nation.
    Staatsnation und Rechtsgemeinschaft ist doch eine relativ späte Errungenschaft, in Westeuropa erst nach dem Zweiten Weltkrieg, in diesem Punkt (Rechtsstaatlichkeit) war das deutsche Kaiserreich sogar wesentlich fortschrittlicher wie die anderen europäischen Großmächte.

    @seberg
    Herder mit einem ca. 100 Jahre später entstandenen Biologismus und Rassismus in Verbindung zu bringen, zeugt nicht gerade von Kenntnis des historischen Kontextes.
    In der Romantik wird zwar das Gefühl oft im Gegensatz zur Vernunft gebracht und überbetont. Aber auch die Liebe für das Individuelle ist groß.
    Sicherlich die Franzosen und Engländer haben schon vor den Deutschen lauter Vernunftgründe angegeben, warum ihre Sprache und Kultur besser ist und sie weltweit die Menschen mit der eigenen Kultur beglücken wollten.

    Kurzes Fazit:
    Meiner Meinung nach brauchen wir ein Nationskonzept, ohne geht es nicht.
    Dies muss heute Elemente aus beiden Konzepten (Kulturnation wie Staatsnation) umfassen.


    [Beitrag am 29.04.2010, 19:27 von Johann geändert]
  • seberg

    28seberg schrieb am 01.05.2010, 12:19 Uhr:
    Wer davon ausgeht, als Nazi abgestempelt zu werden, der kann offenbar nicht anderes, als die anderen ungeduldig und voller Frust als beschränkt und uneinsichtig zu behandeln und zu belehren...So jedenfalls kommt es bei mir 'rüber...
    Ob wirklich nur das Schriftliche destruktiv verhindert, was im persönlichen Gespräch konstruktiv gelänge?
  • Johann

    29Johann schrieb am 01.05.2010, 13:09 Uhr:
    Destruktiv wirkt sich vor allem die Suche nach Motiven und Ferndiagnosen auf, in beiden bist du Meister.
    Generell halte ich Leute, auf deren Argumente ich eingehe, weder für uneinsichtig noch für beschränkt. Erst wenn keine Reaktion von mir kommt, dann kann man diese Vermutung gerechtfertigter weise stelle.
    Wieso du aus meinem Beitrag Frust raus liest, ist sicherlich ein Betriebsgeheimnis.
    In deinem vorletzten Beitrag hast du gerade ein Hoch auf die Vernunft gesungen.
    Statt meine Argumente rational zu widerlegen, bist du auf die emotionale, psycho-Schiene ausgewichen.
    Der sicherste Weg eine Diskussion zu torpedieren, eine beliebte Methode, wenn einem die Argumente ausgehen.

    P.S. Die Passage über die Naziunterstellung war an deine Adresse gerichtet, leider habe ich sie im anderen Teil reingeschrieben.
  • seberg

    30seberg schrieb am 01.05.2010, 15:30 Uhr:
    ...oder wenn von anderen keine Reaktionen auf dich kommen...?

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