23. April 2023

"Aktionsgruppe Banat": Anton Sterbling liest in Wien

Mitte März lud der Verband der Siebenbürger Sachsen in Wien eine Schriftsteller-Persönlichkeit ein, die zur Abwechslung einmal nicht siebenbürgisch-sächsischen, sondern banatschwäbischen Ursprungs ist. Es handelt sich um den emeritierten Soziologieprofessor Dr. Anton Sterbling, ein Mitglied der ersten Stunde der vor 51 Jahren gegründeten, vom Journalisten Horst Weber so bezeichneten „Aktionsgruppe Banat“.
Der emeritierte Soziologieprofessor Dr. Anton ...
Der emeritierte Soziologieprofessor Dr. Anton Sterbling war Mitglied der vor 51 Jahren gegründeten „Aktionsgruppe Banat“. Foto: privat
Das Hauptziel der Gruppe dieser damals jungen Autoren, zumeist Studenten der Temeswarer germanistischen Fakultät, war die Schaffung einer engagierten, neuartigen Literatur innerhalb der sozialistischen Realität. Bloß drei Jahre konnten sich die „jungen Wilden“ dank einer ideologischen Tauwetterperiode entfalten, dann zerschlug das sich provoziert fühlende Regime 1975 die Gruppierung, aus der immerhin Schriftsteller wie Richard Wagner, der „literarische Herzschrittmacher“ der Gruppe, und die spätere Nobelpreisträgerin Herta Müller hervorgegangen sind.

Anton Sterbling, der bis dahin Lyrik und Prosatexte verfasst hatte, verließ als einer der ersten der Gruppe das Land. In Deutschland absolvierte er ein Soziologiestudium und war schließlich für einige Jahrzehnte Universitätsprofessor im ostdeutschen Raum, hielt aber auch, wie er jüngst verriet, Gastvorlesungen, u. a. auch in Wien. Während dieser Jahrzehnte gingen zahllose wissenschaftliche Veröffentlichungen auf sein Konto.

In den nun folgenden Jahren seines sehr aktiven Rentnerdaseins organisierte Sterbling literarische Zusammenkünfte, Lesungen und Gedenkveranstaltungen, verfasste Rezensionen, lieferte Essays und Autorenporträts, fand aber vor allem selbst zur auktorialen Literatur zurück, so dass während der letzten Jahre Erzählbände erschienen, die, zum Teil surrealistisch verbrämt, vor allem südosteuropäische Themen verarbeiten, so in den Bänden „Klimadelirium“, „Die versunkene Republik“ oder „Ende einer Pandemie“. Diese Prosatexte handeln von der Deportation der Banater in den 50er Jahren in die Bărăgansteppe ebenso, wie auch von den, für aufgeweckte Intellektuelle sich ergebenden Gefahren im kommunistischen Alltag, oder schildern die steile Karriere von ideologischen Mitläufern des Regimes, die sich später als charakterlose Wendehälse in der neuen bundesrepublikanischen Wirklichkeit erweisen.

Der Autor begann die Lesung mit dem Gedicht „Temeswar“, womit er nicht nur daran erinnern wollte, dass die Stadt an der Bega in diesem Jahr zur Kulturhauptstadt gekürt wurde, sondern es auch dem Freund seit Jugendtagen, dem bedeutenden Dichter und Schriftsteller, Essayisten und Kritiker jedwelcher ideologischer Auswüchse, dem „unbeugsamen Intellektuellen aus dem Banat“ Richard Wagner widmen wollte, der vor kurzem in Berlin 70-jährig verstarb.

Weiterhin erzählte Sterbling von einem durch die Jahrhunderte wandelnden Mönch, von einer immer wieder auftauchenden serbischen Katze mit schwarzem Fell, von einem redlichen serbischen Kaufmann, der unter die Räder der an die Macht gelangenden kommunistischen Plebs kommt. Und in einem an Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ zumindest der Überschrift nach erinnernden Text wird die bizarre Grenzfahrt eines Ich-Erzählers geschildert, der die mitfahrende, sich stets wandelnde und immer wieder entschwindende Fabelfigur der Undine verzweifelt fragt, was er selbst wohl sei, ob es ihn auch wirklich gäbe.

Der oft – vor allem in der kontaminierten Welt der kommunistischen Willkür – vorherrschenden Realität mit all ihren Grenzerfahrungen und einschließenden Begrenzungen ist nur mit sprudelnder Fantastik, mit surrealen Szenerien beizukommen, mit dem Entgleiten in die „Eigenwelt des Imaginären“, wie es der Autor nennt. Mit diesen Textbeispielen aus seinen drei Bänden ist es dem Autor gelungen, dem dankbaren Publikum einen interessanten und unterhaltsamen Abend gestaltet zu haben.

Kurt Thomas Ziegler

Schlagwörter: Aktionsgruppe Banat, Sterbling, Wien

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