9. Juli 2016

Evangelische Schultradition wird wiederbelebt

Hermannstadt – Ab Herbst soll eine neue ­Privatschule in das alte Schulgebäude der Hammersdorfer Kirchenburg einziehen: die Charlotte-Dietrich-Schule, benannt nach der Ehrenvorsitzenden des Allgemeinen Evangelischen Frauenvereins, Charlotte Dietrich von Hermannsthal (1834-1916), die sich vor allem für den Zugang von Frauen zum Lehramt eingesetzt hat. Zu ihrem 100. Todestag stellte die Evangelische Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt Ende Juni das Konzept der neuen Schule auf einer Pressekonferenz am Huetplatz in Hermannstadt vor. Neben den beiden Initiatoren des Projektes, Jens Kielhorn und Wolfgang Köber, und den künftigen Lehrern Mădălina und Rafael Mahl sprach Stadtpfarrer Kilian Dörr.
Als Konkurrenz zu bestehenden Schulen mit deutscher Unterrichtssprache wolle man sich nicht sehen, vielmehr als Alternative, wurde versichert. Auch für ausländische Kinder, die kein Rumänisch können, stellt die Charlotte-Dietrich-Schule eine Alternative dar. Sie scheitern an anderen deutschen Schulen oft an der Tatsache, dass nicht mehr alle Fächer auf Deutsch unterrichtet werden. Hauptzielgruppe sind jedoch Kinder aus der evangelischen Kirchengemeinde, auch wenn die Schule prinzipiell allen Ethnien und Konfessionen offen steht. Wichtigstes Zulassungskriterium ist das Beherrschen der deutschen Sprache, denn unterrichtet wird ausschließlich auf Deutsch. Auch auf dem Schulhof wird zur Konversation in deutscher Sprache ermutigt. Kinder, die diese noch nicht ausreichend beherrschen, können in einer Vorbereitungsklasse auf das erforderliche Niveau gebracht werden.

Dr. Berthold Köber, Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, erklärt gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung: „Bei diesem Schulprojekt ist auch und besonders an die deutschsprachigen Schulkinder gedacht worden, die in ihrem Heimatort keine Möglichkeit haben, in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden, sowie an diejenigen, deren Eltern keine Möglichkeit haben, ihnen teure Nachhilfestunden geben zu lassen, und die aus diesem Grund keine Chancen haben, in den bestehenden deutschsprachigen Schulen mithalten zu können, und deswegen genötigt sind, andere Schulen zu besuchen. Die Evangelische Kirchengemeinde Hermannstadt ermöglicht diesen Schulkindern den Besuch dieser deutschsprachigen Schule, indem sie ihnen ein Stipendium zur Verfügung stellt.“

Auch die Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel, lobt das Projekt: „Die Gründung der deutschen evangelischen Schule, die im Herbst an der Kirchenburg in Hammersdorf ihre Tore öffnen wird, ist sehr zu begrüßen! Damit wird eine Möglichkeit geschaffen, der heranwachsenden Generation in Siebenbürgen nicht nur Unterricht in deutscher Sprache zu bieten, sondern auch, einer alten Schultradition folgend, unsere christlichen Werte zu vermitteln. Besonders erfreulich sind die Stipendien, die auch denjenigen Kindern den Besuch dieser Schule ermöglichen, deren Eltern das Schulgeld nur schwer oder gar nicht aufbringen könnten. Zum Start wünsche ich der Charlotte-Dietrich-Schule engagierte Lehrer, die zusammen mit hochmotivierten Schülern dieses Vorhaben zu einem Erfolg führen mögen!“

Entgegen der vorherrschenden Tendenz zur Förderung von Konkurrenz und Wettbewerb soll es sich bei der Charlotte-Dietrich-Schule um eine Begegnungsschule handeln, in der das Erleben von Gemeinsamkeit, aber auch individuelle Förderung, Selbständigkeit, Toleranz, Eigeninitiative und Kritikfähigkeit im Vordergrund stehen. Deswegen werden nicht mehr als 15 Kinder in einer Klasse unterrichtet.

Das Schuljahr 2016/17 soll mit einer Vorbereitungs- und einer ersten Klasse beginnen. Im Folgenden ist die Gründung weiterer Klassen geplant, bis hin zum Abitur. Auf keinen Fall wolle man Lehrer aus anderen Schulen abwerben, versichern die Ideengeber des Schulprojekts, Wolfgang Köber von der Michael Schmidt Stiftung und Jens Kielhorn, Inhaber des Büchercafés Erasmus. Auf Grund der angesetzten Schulgebühren werde das Angebot, an dieser Schule zu unterrichten, auch für ausländische Lehrkräfte attraktiv, erklärte Dr. Berthold Köber. Für Lehrkräfte und Pädagogen, die gerne bei diesem Projekt mitmachen möchten, aber im Ausland leben, hält die Kirchengemeinde auch andere attraktive Angebote bereit (z.B. vergünstigten Wohnraum u.a.).

Die Charlotte-Dietrich-Schule soll als deutsche Auslandsschule durch die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) akkreditiert werden. Unterrichtet wird nach dem Lehrplan Baden-Württembergs, der von der ZfA empfohlen wird. Die jährliche Studiengebühr soll 18900 Lei, umgerechnet rund 4200 Euro betragen. Das Ziel sei jedoch nicht, Profit zu erwirtschaften, vielmehr solle sich die Schule nach einigen Jahren tragen. Startkapital und Schulgelände wurden von der evangelischen Kirchengemeinde bereitgestellt, bisherige Investitionen belaufen sich auf rund 300000 Euro. „Wir liegen gut in der Zeit“, stellte Wolfgang Köber fest: Eine gesamte Klasse wurde bereits von der Michael Schmidt Stiftung ausgestattet. Weitere Sponsoren seien jederzeit willkommen.

NM

Schlagwörter: Schule, Hammersdorf, Kirchenburg

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