1. März 2006

Salzgeschichten: In Siebenbürgen zum Kuren wie am Toten Meer

Da gibt es Sărăteni, Salzberg (Praid) und Salzbergwerk (Ocna de Sus) - alte Ortsbezeichnungen, die auf eine lange Tradition des Salzabbaus im rumänischen Siebenbürgen hinweisen, einst betrieben von deutschen und ungarischen Siedlern. Nicht umsonst wird deshalb auch die deutsch-ungarische Region zwischen Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș) und Sovata seit alten Zeiten "Salzland" genannt.
Rund um Sovata beispielsweise, einen idyllischen, über die Landesgrenzen hinaus bekannten Kurort zwischen ausgedehnten Wäldern und Hügeln am Fuße des Görgeny (Gurghiu)-Gebirges der Ostkarpaten, kann der Besucher bei Wanderungen durchaus Salzblöcken und -felsen begegnen, die aus dem Erdreich sichtbar herausreichen. Kein Wunder, dass die 8 000 Einwohner des kleinen Städtchens daraus Kapital schlagen.

Da gibt es als Hauptattraktion am Ortsrand den 45 000 qm großen Ursu-See (Bärensee), der 1875 durch Einbrüche und Rutschungen entstand ist. Durch sehr hohen Salzgehalt (an der Oberfläche des Sees bis zwei Meter tief 75g/l, darunter bis 300g/l - ähnlich dem Toten Meer) und heliothermische Eigenschaften (die Wassertemperatur an der Oberfläche beträgt im Juli 21 Grad Celsius, in zwei Meter Tiefe bis 33 Grad Celsius) sind sein Thermalwasser und Heilschlamm bestens geeignet, um u. a. rheumatische Erkrankungen und chronische Frauenleiden zu lindern. Kurbehandlungen unter ärztlicher Aufsicht bieten zum Beispiel die drei komfortablen und preiswerten Danubius-Hotels direkt am See.

An der gemütlichen Hauptstraße Sovatas reiht sich im landestypischen Baustil weiter Hotel an Hotel, und auch viele der buntfarbenen Privathäuser preisen auf Deutsch recht annehmbare Gästezimmer an. Schließlich steigt die Zahl der Besucher aus Deutschland und Österreich stetig an, nachdem seit kurzem die ungarische Fluggesellschaft MALEV von Deutschland und Österreich aus dreimal wöchentlich Flüge über Budapest zum nahe gelegenen Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș) anbietet.

Für touristische Abwechslung ist im Salzland bestens gesorgt. Nur wenige Autominuten von Sovata entfernt, erwartet den Besucher im Dörfchen Praid ein ganzes Tagesprogramm unter Tage. Im dortigen Salzbergwerk - 600 Tonnen Salz werden pro Tag abgebaut - tummeln sich im Sommer täglich bis zu 5 000 Schaulustige und Genesung Suchende, denn ein riesiger, zwei Hektar großer und bereits stillgelegter Salzstollen dient der Heilung von Bronchialkrankheiten. Und damit dort keine Langeweile aufkommt, gibt es mitten im Salzberg Versorgungskioske, Spielgelegenheiten für die Jüngsten, einen Sportplatz und als besondere Überraschung sogar eine kleine Kirche, mitten ins Salzgestein geschlagen, mit sonntäglichem Gottesdienst und Konzerten. Wie Geologen herausfanden, liegt Praid auf einem mächtigen Salzblock von fast zwei Kilometern Tiefe, der ausreichen könnte, um die Weltbevölkerung vierzig Jahre mit Kochsalz zu versorgen.

Ganz andere Überraschungen erwarten den Entdeckungsfreudigen in der benachbarten Ortschaft Corund - nämlich an der Dorfstraße ein Souvenirladen am anderen. Durch das Töpferhandwerk seit langem bekannt, verlockt vielfältig-buntfarbene Keramik, verbunden mit einem netten Plausch und hausgemachtem Blaubeerlikör, zum Kaufrausch. Auch Korbflechtarbeiten, wollene Pullover und - als örtliche Besonderheit - Hüte, Täschchen und Untersetzer aus Zunder, einem bearbeiteten Baumpilz, entstehen unter den fleißigen Händen der Einwohner.

Wer seinen Kur- oder Erholungsurlaub im Salzland mit städtischem Leben und erlebter Geschichte verbinden möchte, dem ist ein Ausflug nach Neumarkt am Mieresch oder Schäßburg (Sighișoara) zu empfehlen.

Schäßburg mit seinen 36 000 Einwohnern inmitten hügelig-malerischer Landschaft versetzt uns mit der historischen, frisch renovierten Innenstadt - übrigens auch mit deutscher Hilfe - mit einem Schlag ins Mittelalter. Enge Gassen, barocke Häuserzeilen, trutzige Wehrtürme und eine gut erhaltene Stadtmauer prägen das Gesicht des "siebenbürgischen Rothenburg ob der Tauber" rund um den Burgberg. Einprägsames Wahrzeichen - der Stund(en)turm aus dem 14. Jahrhundert mit seinen vier Ecktürmchen, die im Mittelalter weithin sichtbar von der Autonomie der Stadt kündeten. Seinen Namen hat der 64 Meter hohe Turm von der Uhr mit Figurenwerk, das Stunden und Wochentage anzeigt.

Eine touristisch einträgliche Legende besagt zwar, dass Vlad Țepeș (Dracula) 1431 in Schäßburg im heutigen Vlad-Dracul-Haus, unweit des Stundturms, geboren sei. Das stimmt nicht. Nachweislich in Schäßburg gelebt hat dagegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts der siebenbürgisch-sächsische Physiker und Raumfahrtpionier Hermann Oberth, der bereits 1917 eine mit Alkohol und Sauerstoff betriebene Rakete entwarf. Einer seiner bekanntesten Schüler war später Wernher von Braun.

Ulrich Uhlmann

Schlagwörter: Reiseinfos

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