25. Juni 2010

Erinnerungstag in Marchtrenk – Bekenntnis zu Tradition und Integration

Unter dem anspruchsvollen Leitgedanken „Im Rückblick dankbar“ haben die Siebenbürger Sachsen am 12. Juni in Marchtrenk den „Erinnerungstag der Heimatvertriebenen“ abgehalten und ein eindrucksvolles Bekenntnis aller Landsmannschaften zur Überwindung der Kriegs-, Flucht- und Notzeiten durch die Brauchtumstreue und den Gemeinschaftssinn der volksdeutschen Heimatvertriebenen abgegeben.
Im Jahr 2008 hat das Land Oberösterreich die Patenschaft über die im „Kulturverein der Heimatvertriebenen in OÖ“ organisierten Landsmannschaften der Donauschwaben, Sudetendeutschen, Siebenbürger Sachsen, Buchenlanddeutschen und Karpatendeutschen übernommen und alljährlich die Abhaltung eines „Erinnerungstages“ über das Schicksal dieser Menschen festgelegt. Die nunmehr dritte Veranstaltung dieser Art wurde heuer vom Verband der Siebenbürger Sachsen in OÖ ausgerichtet. Sie bot auf hohem Niveau mit vielen sächsischen Trachtenträgern und der Mitwirkung je einer rumänischen und ungarischen Brauchtumsgruppe aus Siebenbürgen ein eindrucksvolles Bild vom Brauchtumsreichtum der Völker in diesem Raum und war zugleich auch ein Ausdruck des einst in Siebenbürgen typischen Zusammenlebens dreier Völker im Karpatenbogen. Heute könnte dies als Hinweis auf die für die Zukunft Europas erforderliche nationale Toleranz gedeutet werden. Die Veranstaltung begann mit einem ökumenischen Gottesdienst vor dem „Denkmal der Vertreibung“ in Marchtrenk, gestaltet von den ev. Pfarrern Gerhard Grager und Georg Zimmerman mit dem kath. Kaplan von Traun und der Siebenbürgischen Blasmusik dieses Ortes. Jedem Teilnehmer wurde die gedankliche Tief des Leitgedankens und auch dessen Aktualität bewusst.

Die eigentliche Festveranstaltung fand nach einem wohlorganisierten Bus-Transfer der Teilnehmer im Volkshaus Marchtrenk statt und erfasste bei geschmackvoll dekorierten Tischen über 400 Teilnehmer. Ehrenobmann Konsulent Waretzi eröffnete das Programm mit einer kurzen Ansprache zu grundsätzlichen Fragen des Erinnerungstages und des Leitgedankens und konnte anschließend viele Ehrengäste begrüßen, vor allem den Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, die Botschafterin von Rumänien in Wien, Exz. Silvia Davidoiu, den Honorarkonsul von Rumänien in Linz, Dir. Dr. Wolfgang Berger-Vogel, und den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen, Univ.Prof. Dr. Paul-Jürgen Porr, zugleich in Vertretung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, sowie die Vertreter der mitfeiernden Landsmannschaften, die anschließend in Grußadressen zu Wort kamen. Vorher gab es noch eine kurze DVD-Projektion, die den Zusehern die Schönheit und den kulturellen Reichtum Siebenbürgens in Erinnerung rief und auch Bilder von der Flucht und vom Aufbau der neuen Heimat zeigte.

Landeshauptmann Dr. Pühringer dankte in seiner Festansprache dem Personenkreis aller Heimatvertriebenen für die Mitwirkung am Aufbau des Landes nach 1945, der das Bundesland heute in die Reihe der höchstentwickelten Regionen Europas gehoben hat. Er zitierte als Beispiel hierfür auch die Lebensleistung des im Saal anwesenden Siebenbürgers Günther Fronius und die Erfindungen seines Unternehmens auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Photovoltaik.
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (rechts), ...
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (rechts), Festredner in Marchtrenk, neben Hans Waretzi.
Die Botschafterin Davidoiu würdigte die traditionell guten Beziehungen der Siebenbürger Sachsen in Österreich zu Rumänien, verwies auf den Beitrag des rumänischen Kulturinstitutes in Wien zur Mitwirkung einer Kulturgruppe aus Bistritz am Programm und wünschte sich für die Zukunft eine Fortsetzung solcher Initiativen. Zu diesen Überlegungen konnte der Spreche der Sudetendeutschen, Ing. Peter Ludwig, den Sachsen in seinem Grußwort nur gratulieren und musste auf den totalen Stillstand der Gespräche mit der Regierung in Prag hinweisen. Indes gebe es Hinweise auf eine Neubetrachtung der Geschehnisse in der tschechischen Bevölkerung, aus denen Anstöße zur Behandlung der vielen offenen Fragen entstehen könnten. Auch der Sprecher der Donauschwaben, Dir. Ing. Anton Ellmer, formulierte Hoffnungen und Ziele: Für die kommenden Schuljahre werde die Aufnahme des Vertreibungs- und Integrationsgeschehens in die Unterrichtsprogramme angestrebt. Die Sprecherin der Bukowina-Deutschen, Abgeordnete Anneliese Kitzmüller, versprach, sich im Österreichischen Parlament intensiv für die Belange der volksdeutschen Heimatvertriebenen einzusetzen.

Die Serie der Grußadressen, aufgelockert durch Musikeinlagen der Blasmusikkapelle und einen Auftritt der Volkstanzgruppe der Siebenbürger Sachsen, fand ihren Abschluss in der Festansprache von Prof. Dr. Paul-Jürgen Porr aus Hermannstadt, der auch die Grüße des leider verhinderten Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen aus Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, überbrachte. Der Redner spannte den Bogen der Erinnerungen vom Fluchtvorgang der Nordsiebenbürger im Jahre 1944 über deren Niederlassung in Österreich, USA, Kanada und Deutschland bis zu den aktuellen Zuständen in der alten Heimat, wo heute eine kleine Anzahl von Siebenbürger Sachsen vor großen kulturellen und sozialen Aufgaben stehe, die nur durch neue Ideen, neue Wege und den Zusammenhalt aller gelöst werden könnten. Hierzu sei, so Dr. Porr, bei allen Beteiligten viel Kenntnis und Mut sowie nationale Toleranz und Verständnis erforderlich. Die Pflege der Erinnerung solle dazu dienen, den Kenntnisstand über Vergangenes für die Zukunft zu sichern.

Im anschließenden Programmteil boten die eingeladenen Brauchtumsgruppen „Cununa de pe Somes“ aus Bistritz und „Havasi Gyopár“ aus Linz durch charakteristische Volkstänze einen stark akklamierten Eindruck von der Buntheit und Vitalität dieses Zweiges der rumänischen und ungarischen Volkskultur. Der Funke der Erinnerung erfasste sichtlich viele der Anwesenden und ließ zu den Gästen eine herzliche Beziehung entstehen. Es bestätigte sich, dass Brauchtum eine kulturelle, menschliche Brücke ist.

So war auch der thematische Übergang zur nächsten Darbietung kein Problem. Die Lesung von Frau Monika Görig aus dem Erinnerungsbuch ihrer Mutter über die Flucht im September 1944, die Aufnahme an der deutschen Grenze, die Ankunft in Bad Hall und die Mühsal des Aufbaus einer Familienexistenz fand ein mit dem Thema vertrautes und intensiv mitlebendes Publikum. Der Vortrag endete mit dem Dank der Familie für den beendeten Bau eines Eigenheimes, womit die Verbindung zum Leitgedanken der Veranstaltung hergestellt wurde.

Anschließend lud Obmann Manfred Schuller die Anwesenden zu einem gemütlichen Beisammensein ein. Das von der oö. Landesregierung und den sächsischen Frauen gebotene lmbiss- und Kuchenbüfett beendete eine gelungene Veranstaltung im heimatlichen Geist mit ernstem Kern und offenem Blick in die Zukunft. Die Zufriedenheit aller Teilnehmer entschädigte die aktiven Amtswalter reichlich für die vielen Mühen der Vorbereitung und der Organisation.

Dr. Fritz Frank

Schlagwörter: Österreich

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