10. Juni 2025
In Österreich nach dem 8. Mai 1945: Evakuierung aus Nordsiebenbürgen vor 80 Jahren
In Österreich änderte sich die Lage der Flüchtlinge nach dem 8. Mai 1945 (Kriegsende) grundlegend. Aus evakuierten Volksdeutschen wurden asylsuchende Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Am 15. Mai 1945 kam Österreich unter die Besatzung der vier Siegermächte: Sowjetunion, USA, Großbritannien, Frankreich. Oberösterreich und zum Teil auch Salzburg wurden nun im wahrsten Sinne des Wortes von Flüchtlingen überflutet.

Aus dem Erlebnisbericht von Emma Gassner (Hausfrau, 45 Jahre alt) 1956:
„Es vergingen Monate, und der Krieg nahm noch immer kein Ende, dafür aber unser Geld. Nach einer Aussprache erhielten wir dann die Erlaubnis, uns selber zu verpflegen. Es war nicht so einfach, denn wir mussten nun die ganzen Lebensmittel für 10 Personen auf dem Rücken herbeischleppen. Der nächste Bäcker und Kaufmann war 5 km entfernt, dann musste man noch Schlange stehen. Es hieß nun, sehr sparen und einteilen, denn wir hatten doch auch keine Kartoffeln eingekellert. Am schwersten war es, wenn die Kinder noch Hunger hatten und um ein Stückchen Brot baten, und man „nein“ sagen musste, sonst hätte es am nächsten Tag gefehlt. Dann kam aber die traurigste Zeit. In den Tagen des Zusammenbruchs kam mein Mann ganz krank bei mir an. In dem Dorf gab es wohl einen Arzt, doch für die großen Entfernungen im Gebirge viel zu wenig. Nach langem Warten kam endlich der Arzt an. Er konnte nichts Genaues feststellen, man vermutete Nikotinvergiftung, Gallenkolik etc. Am nächsten Tag war der Blinddarm geplatzt. Das nächste Krankenhaus war 35 km entfernt, auch unerreichbar, da alle Telefonverbindungen abgeschnitten und alle Straßen mit Amerikanern besetzt. Auch sonst wäre ein Transport zu lebensgefährlich gewesen. Der Arzt verheimlichte mir die ernste Lage nicht, ich musste auf das Schlimmste gefasst sein. Da konnte kein Mensch mehr helfen, nur die Natur allein. Wir falteten die Hände und beteten mehr denn je, und Gott hat uns geholfen. Er musste viele Wochen liegen, zuerst daheim, dann im Krankenhaus. Als man ihn nach Hause brachte, war er nur noch ein Skelett und musste gehen lernen. Er sollte nur wieder zu Kräften kommen, aber vergebens ging ich von einem Bauern zum anderen, sie hatten kein Mitleid mit uns Flüchtlingen. Sie hatten doch nichts verloren, da war kein Feind, auch keine Bomben gefallen. Milch, Butter und Eier gab es nur für solche, die etwas zu tauschen hatten, denn es gab ja nichts zu kaufen. Obwohl unser Gutsbesitzer selbst täglich 100 l Milch von seinen eigenen Kühen hatte, blieb er hartherzig wie alle anderen und gab keinen Tropfen ohne Mark ab. So musste ich vieles den Kindern entziehen, um dem Vater ein kräftiges Essen zu bereiten.
Quelle: Ost-Dok. 2, Nr. 350 - pag. 95-108
Textauswahl: Horst Göbbel
Schlagwörter: Evakuierung, Weltkrieg, Nordsiebenbürger, Österreich, Flüchtlinge
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