19. Juni 2011

Joachim Herrmann würdigt Engagement der Siebenbürger Sachsen

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat in seiner Festrede beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen am 11. Juni 2011 in der St. Paulskirche Dinkelsbühl zum 60-jährigen Jubiläum des Heimattages gratuliert. Die Siebenbürger Sachsen hätten ihre Wurzeln erfolgreich bewahrt, an die junge Generation weitergegeben und erfolgreich zum Aufbau Deutschlands beigetragen. Mit dem Wegfall des „Eisernen Vorhangs“ habe sich eine „historische Zeitenwende“ ergeben, und Rumänien habe sich offiziell für das frühere Unrecht entschuldigt habe, was von großer Bedeutung für ein „gutes Miteinander“ sei. Den Siebenbürger Sachsen sicherte der CSU-Politiker die politische Unterstützung des Freistaates Bayern zu. Seine Rede wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.
Ein herzliches Grüß Gott allen Siebenbürger Sachsen, allen Dinkelsbühlern und allen Gästen dieser Festveranstaltung! Ich freue mich sehr, das 60. Jubiläum des Heimattages der Siebenbürger Sachsen gemeinsam mit Ihnen feiern zu können.

„Flügel hier, Wurzeln dort – Brücken über Zeit und Raum“ – unter diesem wunderbaren poetischen Motto kommen auch heuer in Dinkelsbühl wieder Tausende zusammen, die sich dem Land im Karpatenbogen verbunden fühlen.

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Im Namen der gesamten bayerischen Staatsregierung und in Vertretung unseres bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, aber vor allen Dingen auch ganz persönlich möchte ich Ihnen allen ganz herzlich zum 60. Jahrestag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch allen, die hier heute feiern, aber vor allem auch denen, die über die Jahre hinweg hierher nach Dinkelsbühl gekommen sind.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann ...
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann während seiner Festrede in der Paulskirche in Dinkelsbühl. Foto: Christian Schoger
Meine Damen und Herren, der Freistaat Bayern, die bayerische Staatsregierung, wir wollen und wir sind ein ebenso verlässlicher wie entschiedener Vertreter der berechtigten Interessen aller Heimatvertriebenen. Die Heimatvertriebenen können sich voll und ganz auf uns verlassen. Das gilt für die Siebenbürger Sachsen, das gilt für eine ganze Reihe anderer auch. An diesen Pfingsttagen treffen sich ja viele Heimatvertriebene. Es gab Jahre in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, da haben andere Bundesländer frühere Patenschaften aufgekündigt und wollten plötzlich nichts mehr davon wissen – so etwas gab es im Freistaat Bayern nie. Wir haben immer gestanden und wir stehen zu denen und wir freuen uns umgekehrt, dass Sie Bayern die Treue gehalten haben, dass Sie sich immer wieder wohlfühlen hier. Wir freuen uns deshalb, lieber Dr. Fabritius, dass der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland seinen Standort in München und der Heimattag seinen festen Standort in Dinkelsbühl hat. Für die altehrwürdige Reichsstadt Dinkelsbühl ist der Heimattag der Siebenbürger Sachsen längst zu einer guten Tradition geworden. Schon 1951 war Dinkelsbühl an Pfingsten Schauplatz des ersten Heimattags. Und seit nunmehr 26 Jahren hat der Heimattag hier endgültig feste Wurzeln geschlagen. Seit 1967 finden wir in der Lindenallee der Alten Promenade auch die Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen.

Meine Damen und Herren, die vielen Besucher aus aller Welt, die farbenfrohen Umzüge, die schmucken Trachten und die vielen Darbietungen an den Pfingsttagen sind nicht mehr aus dem Stadtbild Dinkelsbühls wegzudenken. Über die Jahrzehnte ist offensichtlich ein enges Freundschaftsband gewachsen, das Dinkelsbühl und die Siebenbürger Sachsen zu großartigen Partnern macht.

An diesem 60. Jahrestag kann man mit Fug und Recht sagen: Die Siebenbürger Sachsen haben in Dinkelsbühl, in Franken, in Bayern und an vielen anderen Orten dieser Welt wahrlich neue Heimat gefunden. Sie haben sich in der neuen Heimat bewährt, sind hier hoch anerkannt und geschätzt.

Sie haben mit ihrem Fleiß, ihrem Können und Wissen und mit viel Pioniergeist und Ehrgeiz ganz entscheidend auch zum Aufbau unseres Landes, zum Aufbau Bayerns und Deutschlands beigetragen. Die Vertriebenen haben die Kultur unseres Landes bereichert und mit gestaltet. Ihnen und ihren Kindern und Enkelkindern sind hier „Flügel gewachsen“, wie das Motto des diesjährigen Heimattages sehr treffend sagt. Ich möchte an dieser Stelle einmal mehr allen Siebenbürger Sachsen, nicht nur denen, die heute hier sind, ein ganz herzliches Dankeschön sagen für alles, was Sie in den über 60 Jahren der bundesrepublikanischen Geschichte zum Aufbau, zur Bereicherung der Bundesrepublik Deutschland beigetragen haben. Vielen herzlichen Dank dafür.

So großartig dieser Beitrag für uns hier in Deutschland war, haben Sie Ihre „Wurzeln“ in der alten Heimat dennoch bewahrt. Eine Vielzahl von Trachtengruppen, Chören und Singkreisen, Blaskapellen und Theatergruppen zeugen davon. Ihnen gelingt es auch, den jungen Menschen Zugehörigkeit und Vertrautheit mit der eigenen Geschichte über die Generationen hinweg zu vermitteln.

So kann die eigenständige Jugendorganisation des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland, bereits auf eine 25-jährige Geschichte zurückblicken. Erlebnis- und Bekenntnisgeneration gehen hier Hand in Hand und bewahren so die wertvollen Erinnerungen und Traditionen. Denn wer, wenn nicht die Jugend, wenn nicht die jungen Menschen soll die großartige Tradition und das Wissen um die Herkunft in die Zukunft weiter tragen? 25 Jahre sind auch schon ein beachtliches Jubiläum und deshalb auch der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland einen herzlichen Glückwunsch zu 25 erfolgreichen Jahren!

Meine Damen und Herren, dieses Erinnern und Bewahren ist gut und richtig. Denn nur wer Traditionen pflegt, hat ein festes Standbein. Er kann Brücken bauen und Frieden stiften in der Verbundenheit mit der alten Heimat. Die „Brücken über Raum und Zeit“ aus dem Motto des diesjährigen Heimattages haben seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor mittlerweile über 20 Jahren eine ganz konkrete, eine handfeste Bedeutung gewonnen.

Sehr verehrter Herr Außenminister Baconschi, letztes Jahr war hier Ihr Kollege, der damalige rumänische Innenminister Blaga, zu Gast. Zum Thema „Brückenbauen in die alte Heimat“ hat er damals ganz Bemerkenswertes gesagt, ich durfte auch dabei sein. Er hat die Siebenbürger Sachsen eingeladen mit folgenden Worten: „Ich möchte Ihnen sagen, dass Rumänien Sie vermisst. Rumänien, die Rumänen, aber auch meine Regierung erwarten diejenigen von Ihnen, die die Beziehungen zur Heimat ihrer Vorfahren neu knüpfen wollen, mit offenen Armen.“ So hat es Blaga letztes Jahr formuliert und ich denke, das ist eine großartige Botschaft. Es ist leider nicht selbstverständlich im Gegensatz zu anderen Regionen in Osteuropa, wo früher Deutschstämmige gelebt haben. Ich will ausdrücklich unterstreichen, wie Herr Dr. Fabritius das in seiner Begrüßung gesagt hat: Das Agieren, die Haltung der verschiedenen rumänischen Regierungen seit dem Sturz Ceaușescus ist bemerkenswert und geht über das, was andere Regierungen Osteuropas in dieser Hinsicht gezeigt, geleistet und gesprochen haben in den letzten 20 Jahren, deutlich hinaus. Ich denke, wenn man sich überlegt, was hier seit 1945 alles passiert ist, ist das ein großartiges Zeichen. Hier hat sich eine echte Zeitenwende ergeben. Meine Damen und Herren, die Zäsur, die wir vor der großen Wende 1989/90 kaum zu hoffen gewagt hatten, dass sich Rumänien offiziell für das Unrecht entschuldigen würde, das die früheren rumänischen Regime den Deutschen zugefügt haben, war für die Versöhnung von großer Bedeutung. Dadurch wurde eine tragfähige Basis für ein gutes Miteinander geschaffen. Und man sieht an den vielen Kontakten zwischen den Siebenbürger Sachsen und Rumänien, was so ein Wort der Entschuldigung bewirkt. Deshalb möchte ich auch meinerseits, auch im Namen der bayerischen Staatsregierung sagen: Es ist ein großartiges Zeichen, dass der rumänische Außenminister heute bei diesem Heimattag zu Gast ist, dass es einen eigenen Staatssekretär für die Belange der Rumäniendeutschen gibt. Beiden möchte ich im Namen der bayerischen Staatsregierung ein herzliches Willkommen sagen.

Natürlich haben auch die Heimatvertriebenen selbst und ganz besonders die Siebenbürger Sachsen in den letzten 60 Jahren wichtige Zeichen gesetzt. Das hat mit der Charta der Heimatvertriebenen 1950 begonnen, in der – und das war damals auch nicht selbstverständlich – gesagt wurde: „Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können.“ Die Heimatvertriebenen und Aussiedler haben dies wahr gemacht. Sie haben die Spirale von Gewalt und Unrecht und Gegengewalt und Gegenunrecht durchbrochen. Sie haben angepackt für den Aufbau Bayerns, Deutschlands und Europas. Das ist inzwischen selbstverständlich, aber es ist gut, wenn immer wieder neue Zeichen gesetzt werden, und die Aktion von Peter Maffay ist ein ganz, ganz starkes Zeichen. Deshalb, lieber Peter Maffay, möchte ich auch Ihnen ganz herzlich danken. Es ist, das liegt mir als Innenminister ohnehin besonders am Herzen, großartig, wie Sie sich um solche Kinderprojekte kümmern, weil wir uns in der Tat um Kinder besonders kümmern müssen, die Opfer von Gewalt, von Missbrauch werden und unseres besonderen Schutzes bedürfen. Dass Sie das dort an dieser Stelle initiieren, ist ein besonders gutes, ein starkes Zeichen. Lieber Peter Maffay, noch einmal ein ganz besonders herzliches Dankeschön für diese großartige Aktion.

Meine Damen und Herren, wir haben zur Zeit, was die Europäische Union betrifft, manch schwierige Diskussionen und turbulente Zeiten, vor allem, wenn ich an unsere europäische Währung denken. Wir fragen, wer sich nicht an die Spielregeln hält und wo Dinge nicht optimal gelaufen sind. Ich denke, wir können trotzdem feststellen: Das vereinte Europa, die stärkere Zusammenarbeit in Europa hat uns, gerade auch in Deutschland, nun schon über sechs Jahrzehnte hinweg Frieden gebracht, Freiheit und Demokratie gesichert und die Völker miteinander versöhnt. Und es war auch die Strahlkraft des freien Europas, die auf den Osten anziehend wirkte, die letztendlich ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Menschen in Osteuropa vor nun über 20 Jahren sich selbst ihre Freiheit erkämpft haben. Weil sie gesehen haben, ich sag das ganz banal, wie großartig es ist, in einer freien Demokratie, wie sie in Westeuropa zuvor realisiert worden ist, zu leben. Es war letztendlich diese Strahlkraft und die großartige Freiheit, die zu den Veränderungen in Rumänien, in Ungarn, in Tschechien, in Polen beigetragen hat. Deshalb ist es wichtig: Wir gehören zu Europa. Und ich freue mich, dass auch die Menschen in Rumänien aus freier Entscheidung gesagt haben: Wir gehören zu Europa. Wir wollen zur EU. Wir wollen dabei sein. Die Menschen genießen eine Freiheit in beiden Ländern wie nie zuvor in unserer Geschichte. Und deshalb können wir bei allen Problemen, die es häufig in Europa gibt, dankbar sein für diese friedensstiftende Haltung. Es hat, das dürfen wir heute schon feststellen, über Jahrhunderte hinweg keine Phase in der gesamteuropäischen Geschichte gegeben, wo es über so viele Jahre keinen Krieg in Europa gegeben hat. Und ich denke, es ist wichtig, jetzt gerade bei der jungen Generation, die Gott sei Dank ganz selbstverständlich heute in diesem friedlichen Europa aufwächst, ab und zu in Erinnerung zu rufen: Es ist eben keine Selbstverständlichkeit, sondern es ist im Gegenteil ein großartiges Ergebnis einer verantwortungsvollen Politik in allen europäischen Ländern in den letzten Jahren. Es ist wichtig, dass wir an diesem Frieden in Freiheit weiter gemeinsam arbeiten und ich sage an dieser Stelle: Wir wollen das mit den Siebenbürger Sachsen als verbindendem Element gemeinsam mit Rumänien und Deutschland weiterhin tun, meine Damen und Herren.

Auf dieser Grundlage können wir dann auch bei solch einem Heimattag daran erinnern, dass Vertreibung Unrecht ist und bleibt; Unrecht, das nicht verjährt und nie in Vergessenheit geraten darf. Das unsagbar schwere Schicksal der Siebenbürger Sachsen während der Vertreibungen und der schwere Druck in den folgenden Jahrzehnten der kommunistischen Diktatur müssen uns Mahnung bleiben, und zwar nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit, sondern es ist unser politischer Auftrag alles dafür zu tun, dass sich so etwas in Europa und möglichst auch darüber hinaus nie mehr ereignet – egal um welches Volk auf der Welt es auch geht. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Deshalb ist die Verständigung mit den östlichen Nachbarn auf der Grundlage von Wahrheit und Recht für uns eine Aufgabe von Rang und Dauer. Bayern sieht sich hier als Förderer des Dialogs zwischen Heimatvertriebenen und ihren angestammten Heimatländern.

Die Siebenbürger Sachsen gehen hier seit Jahren vorbildlich voran. Sie sind heute wirklich eine Brücke zwischen Bayern, Deutschland und Rumänien. Ihr Engagement in der alten Heimat ist vielfältig. Ich war schon vor Ort in Siebenbürgen und habe gesehen, wie Kirchen, Burgen und andere Baudenkmäler renoviert und die einzigartige Kulturlandschaft Siebenbürgens erhalten wird. Sie sorgen für die Zurückgebliebenen und wollen Sprache und Kultur in Siebenbürgen am Leben erhalten. Sie vermitteln wirtschaftliche Kontakte und setzen sich für soziale Projekte in ihrer alten Heimat ein. Peter Maffay und sein Projekt „Kirchenburg Radeln – Ein Schutzraum für Kinder“ sind dafür ein gutes Beispiel.

Liebe Festversammlung, das „Unus sit populus“ des „Goldenen Freibriefs“ von 1224 hat in Siebenbürgen über Generationen hinweg den Zusammenhalt und die gemeinsame Kultur geprägt. Es ist ein ganz herausragendes Kennzeichen der Siebenbürger Sachsen, dass sie auch nach der Vertreibung über „Raum und Zeit“ hinweg bis auf den heutigen Tag zusammenhalten und füreinander einstehen. So kommt es, dass dem Heimattag auch an seinem 60. Geburtstag keinerlei Altersmüdigkeit anzumerken ist.

Ich wünsche diesem 60. Heimattag und den vielen, die im Laufe der Jahre noch kommen werden, dass sie die Siebenbürger Sachsen auf ihrem erfolgreichen Weg in eine gute Zukunft begleiten und den Zusammenhalt weiter stärken.

Den Siebenbürgern, der Stadt Dinkelsbühl und den zahlreichen Festgästen alles erdenklich Gute; Glück auf und Gottes Segen!

Schlagwörter: Heimattag 2011, Dinkelsbühl, Politik, Bayern, Rede

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