27. April 2016

70 Jahre Vertriebene in Nordrhein-Westfalen

Zum Festakt „70 Jahre Vertriebene in NRW“ hatte der Landesverband Nordrhein-Westfalen des Bundes der Vertriebenen (BdV NRW) am 9. April ins Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf eingeladen. Anlass dieses Festaktes war der 70. Gründungstag des Landes Nordrhein-Westfalen. Erstmals bei einer Veranstaltung von Vertriebenen und Aussiedlern dabei war die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft. Zugegen waren auch der Oppositionsführer des Düsseldorfer Landtags und CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet sowie BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, MdB. Mit dieser Veranstaltung würdigte der BdV NRW die Aufbauleistung von Millionen von Heimatvertriebenen und Aussiedlern in den letzten 70 Jahren, aber auch die Arbeit im Landesverband, dessen Gliederungen und den Landsmannschaften.
In ihrem Grußwort würdigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Integration und Leistung der Heimatvertriebenen als Erfolgsgeschichte. Nur wenige Heimatvertriebene seien mit offenen Armen empfangen worden, da die Lebensumstände nach dem Krieg für alle schwer gewesen seien. Trotz schweren Anfangs hätten die Alteingesessenen und Heimatvertriebenen den Wiederaufbau bewältigt, gemeinsam sei es gelungen, Nordrhein-Westfalen zu einem starken Land zu machen. Die Ministerpräsidentin dankte Bernd Fabritius, der in seiner Eigenschaft als früherer Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen immer auf die Bereitschaft zu einer offenen, fairen und in die Zukunft gerichtete Kooperation zwischen beiden Partnern hingewiesen habe. Kraft sagte in Bezug auf die Patenschaften über die Siebenbürger Sachsen und Oberschlesier: „Sie können sich auf ihr Patenland verlassen“. Die SPD-Politikerin spannte den Bogen zur heutigen Flüchtlingskrise und wies darauf hin, dass auch diese nur gemeinsam zu schaffen sei. Sie freue sich auf die weiterhin gute Zusammenarbeit mit den Vertriebenen: „Wir brauchen Sie als selbstbewusste, geschichtsbewusste und zugleich auch moderne und zukunftsorientierte Partner. Lassen Sie uns unser Land gemeinsam voranbringen“, unterstrich Kraft. Zum Abschluss ihres Grußwortes lud die Regierungschefin die Vertriebenen zur Teilnahme am Jubiläumsfest des Landes Ende August 2016 nach Düsseldorf ein.
Festakt „70 Jahre Vertriebene in NRW“ im Gerhart ...
Festakt „70 Jahre Vertriebene in NRW“ im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft neben BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, flankiert von der Siebenbürgisch-Sächsischen Tanzgruppe Köln mit dem Stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Landesvorsitzenden in NRW Rainer Lehni (Zweiter von rechts). Foto: Sebastian Wladarz
Armin Laschet, Fraktions- und Landesvorsitzender der CDU NRW, erinnerte in seinem Grußwort auch an die anfangs schwere, aber letztendlich gelungene Integration der Millionen von Heimatvertriebenen im Land Nordrhein-Westfalen. Diese hätten eher als die Rheinländer beispielsweise Ja zum neuen Land NRW gesagt, da sie nach den schweren Zeiten ankommen, mitmachen und vorankommen wollten. Die Heimatvertriebenen hätten mit ihrem Wirken zum Wirtschaftswunder in der jungen Bundesrepublik entscheidend mit beigetragen.

Ministerpräsidentin Kraft sagt Teilnahme am Heimattag 2017 zu


In seiner Festansprache erinnerte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius an die 1957 übernommene Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Er erinnerte an die jahrzehntelang guten Beziehungen zwischen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und der Landesregierung, aber auch an die Siedlung Drabenderhöhe im Oberbergischen Land, heute die weltweit größte zusammenhängende Siedlung von Siebenbürger Sachsen. Fabritius zeigte sich zuversichtlich, dass der Dialog zwischen Nordrhein-Westfalen und seinem Patenkind, dem Verband der Siebenbürger Sachsen, aber auch dem Bund der Vertriebenen und den anderen Landsmannschaften neu belebt werde. Spontan lud er die Ministerpräsidentin zum Heimattag der Siebenbürger Sachsen 2017 ein, worauf Hannelore Kraft ebenso spontan zusagte. Der BdV-Präsident erinnerte an die Ereignisse der Jahre 1945/1946, in denen Heimatvertriebene im eher ländlichen Westfalen unterkamen. Die britische Militärregierung hatte wegen der zerstörten Städte weite Teile des Rheinlandes für Flüchtlinge geschlossen. In einem zweiten Schritt wurden ab 1948/1949 in einem Bevölkerungsausgleich in den westlichen Zonen Deutschlands die ersten Hauptaufnahmeländer entlastet. Auf Grund dieser Entwicklung wurde Nordrhein-Westfalen zum größten Aufnahmeland Deutschlands, in dem bald 2,63 Millionen Heimatvertriebene lebten. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bund der Vertriebenen und den Landsmannschaften einerseits sowie der Landespolitik andererseits sei meist schwierig, jedenfalls immer eine Herausforderung gewesen. Ein positives Zeichen sei aber auch durch die Übernahme der Patenschaften des Landes über die Siebenbürger Sachsen und Oberschlesier gesetzt worden. Dafür zeigte sich Fabritius dankbar. Der Festredner bedauerte, dass das Land Nordrhein-Westfalen keinen Landesgedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung eingeführt habe und dass sich die rot-grüne Mehrheit im Düsseldorfer Landtag gegen die Einrichtung einer Landesgedenkstätte in der Landesstelle Unna-Massen ausgesprochen habe.

Die Heimatvertriebenen wüssten, was es bedeutet, die Heimat zu verlieren, sagte Fabritius. Er zog Parallelen zu der Flüchtlingsproblematik von heute, betonte dabei den Unterschied, dass es sich vor 70 Jahren um Binnenflüchtlinge im eigenen Land gehandelt habe. Der Bund der Vertriebenen rufe zu mehr Empathie mit den heutigen Flüchtlingen auf und leiste Hilfe und Unterstützung, wo er könne, bekräftigte Fabritius. In zehn Bundesländern betreibe der BdV 16 Beratungsstellen für heutige Flüchtlinge und Vertriebene.

Abschließend erwähnte der BdV-Präsident die kürzlich beschlossene Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter, für die der Deutsche Bundestag 50 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Diese einmalige Entschädigungszahlung sei zwar eine mehr symbolische und sehr späte Anerkennung dieser Opfer, aber ein wichtiges und unverzichtbares Signal. Der bisherige Landesvorsitzende und jetzige Ehrenvorsitzende des BdV NRW, Hans-Günther Parplies, wurde für sein jahrzehntelanges Engagement innerhalb des BdV mit der Wenzel-Jaksch-Medaille geehrt. Zum künstlerischen Teil des Festaktes trugen Susanne Goldmann (Geige) sowie die Siebenbürgisch-Sächsische Tanzgruppe Köln mit Volkstänzen aus Siebenbürgen und dem gesamten deutschen Sprachraum bei.

Rainer Lehni

Schlagwörter: Nordrhein-Westfalen, NRW, Düsseldorf, Patenschaft, Heimatvertriebene, Fabritius, Kraft

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