22. September 2017

Burzenländer vertreten Siebenbürger Sachsen mit großem Erfolg beim Oktoberfestumzug

Neuntausend Mitwirkende präsentieren beim Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfestes am ersten Wiesn-Sonntag, dem 17. September, eine Vielfalt von Brauchtum aus Bayern, anderen Bundesländern und Europa. 152 siebenbürgisch-sächsische Trachtenträger unter der Leitung von Udo Buhn sowie 41 Mitglieder der Vereinigten Burzenländer Blaskapelle unter dem Dirigenten Klaus Knorr stellen dabei die Festtracht des Burzenlandes vor. Die Siebenbürger Sachsen reihen sich weit vorne als Nummer 9 unter 60 Gruppen ein. Auf der sieben Kilometer langen Strecke begeistern sie mit ihrer einheitlichen Tracht und strahlen Freude aus, die von dankbaren Zuschauern am Straßenrand erwidert wird. Ein großer Erfolg sind auch die drei Minuten, die das Bayerische Fernsehen in der Live-Übertragung im Ersten (ARD) den Siebenbürger Sachsen widmet. Der Name der Siebenbürger Sachsen wird damit ein weiteres Mal positiv in die bundesdeutsche Öffentlichkeit gebracht. An diesem großen Auftritt, der eine ebenso große Herausforderung ist, wird die Gemeinschaft auch nach innen gestärkt, indem sich immer mehr junge Leute mit ihr identifizieren.
Der Anfang war dabei gar nicht so einfach. Drei Jahre lang haben sich die Burzenländer Sachsen auf dieses Ereignis vorbereitet. In den Arbeitstagungen der Burzenländer Ortsvertreter wurde die Männer- und Frauentracht dokumentiert, bei den jährlichen Umzügen des Heimattages in Dinkelsbühl stimmten die 15 Heimatortsgemeinschaften des Burzenlandes ihre Trachtenträger auf das Oktoberfest ein, in enger Zusammenarbeit mit Hans-Werner Schuster, Bundeskulturreferent des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, wurde die Bewerbungsmappe beim Festring e.V., dem Organisator des Oktoberfestzuges, eingereicht, eine Trachtenordnung wurde – in teils kontroversen Diskussionen – erarbeitet, die Anreise wurde mit zwei Bussen aus Sindelfingen und Nürnberg sowie in eigenen PKWs organisiert, ein Teil der Trachtenträger zog sich in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes in der Karlstraße um, angesichts der Wettervorhersage wurde für Regenschirme gesorgt.

Der große organisatorische Aufwand hat sich allemal gelohnt. Rund 200 Burzenländer erscheinen am Sonntagmorgen pünktlich am Aufstellungsort in der Widenmayerstraße. Udo Buhn, stellvertretender Leiter der HOG-Regionalgruppe Burzenland, begrüßt sie, dankt ihnen herzlich für die große Bereitschaft mitzumachen und teilt sie in Achterreihen ein. Vor der Trachtengruppe nehmen die 41 Musikanten unter Dirigent Klaus Knorr ihren Platz ein.
Junge Burzenländerinnen in der cremefarbenen ...
Junge Burzenländerinnen in der cremefarbenen Mädchen- und Jugendtracht vor dem Nationaltheater am Max-Joseph-Platz in München. Ihre Freude und Leichtigkeit sprang auf die Zuschauer über, die ihnen begeistert zuwinkten. Foto: Siegbert Bruss
„Das Gänsehautgefühl ist sofort aufgekommen, als wir in die Maximilianstraße eingebogen sind, und hat uns sieben Kilometer lang bis zur Theresienwiese begleitet“, sagt Harald Zelgy (Nußbach). Beeindruckend sind die vielen Zuschauer, „die uns begeistert unterstützt haben“. Doris Martini freut sich über die vielen Zurufe aus dem Publikum: „Guten Morgen, ihr Sachsen“, „Ihr seht super aus“, „Eure Trachten sind einmalig“, „Sehr schöne Trachten“. „Das ist ja eine riesige Gruppe“, „Wo liegt Burzenland?“, „Wo kommt ihr her?“ usw.

„Immer wieder musste ich mich zu den hübschen, freundlich lächelnden und winkenden Mädchen hinter mir umdrehen, die vor Freude und Stolz sprühten. Dieser Funke sprang auch auf die beeindruckend große Zuschauermenge über, die sich entlang der sieben Kilometer langen Strecke aufreihte. Die Reaktionen aus dem Publikum waren, wie immer wenn wir irgendwo unsere Trachten zeigen, großartig“, sagt Ines Wenzel, die bekanntlich den jährlichen Trachtenumzug in Dinkelsbühl moderiert – zusammen mit Helge Krempels, der ebenfalls mit seiner Familie in München dabei ist.
Udo Buhn, flankiert von den Familien Nikolaus und ...
Udo Buhn, flankiert von den Familien Nikolaus und Wenzel mit ihren Kindern im siebenbürgisch-sächsisch geschmückten Leiterwagen. Rechts das Maxdenkmal. Foto: Siegbert Bruss
Die Familien Betina und Thomas Nikolaus (Heldsdorf) sowie Ines und Helmut Wenzel (aus Heldsdorf und Zeiden) gehen ganz vorne und flankieren Udo Buhn, der das Schild trägt. In den beiden siebenbürgisch-sächsisch geschmückten Leiterwagen nehmen ihre Kinder (Hanna, Max und Luna), alle in jungsächsischer Tracht, gemütlich Platz. Die beiden Frauen tragen zu ihrer Festtracht den Kirchenmantel und zeigen die Kopfbedeckung, die im Burzenland im letzten Jahrhundert gewöhnlich nur von den jungen Frauen am Hochzeitstag und ein paar Sonntage danach getragen wurde. „Die Schleierung, mit dem meist roten Schleier und den beeindruckend vielen, diademartig angerichteten Bockelnadeln, ist die einzige Form der Bockelung, die im Burzenland erhalten geblieben ist, und zählte früher zu den besonderen Festtagsbockelungen, die z.B. auch von den Brautfrauen getragen wurde“, erläutert Ines Wenzel.

Alle Männer tragen den mit den vielen Silberschließen verzierten stattlichen Kirchenmantel, den sogenannten Burzenländer Rok (der zum ersten Mal an der Konfirmation getragen wurde), und dazu den neu zum Leben erweckten „alten Burzenländer Hut“, mit dem hinten herabhängenden Samt- oder Webband. Die Med(en), d.h. die konfirmierten Mädchen im Burzenland, tragen seit den 1920er Jahren bis zu ihrer Heirat in der Regel die cremefarbene Mädchen- oder Jugendtracht. Die Frauentracht ist hingegen schwarz und der Schmuck zumeist golden. Das kennzeichnende Merkmal der Frauentracht ist „die das Gesicht strahlenkranzartig umrahmende meist schwarzsamtene Spitzenhaube“.
Typisch für die Festtracht der Burzenländer ...
Typisch für die Festtracht der Burzenländer Frauen ist die das Gesicht strahlenkranzartig umrahmende schwarzsamtene Spitzenhaube. Foto: Siegbert Bruss
Die „Vereinigte Burzenländer Blaskapelle“ spielt während des zweistündigen Umzuges sechs Märsche: „Andulka“, „Bürgerwehr“, „Matrosenliebe“, „Mein Heimatland“, „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ und den „Siebenbürger-Marsch“ von Martin Thiess. Dirigent Klaus Knorr erzählt: „Ich kriege jetzt noch Gänsehaut, wenn ich an den Moment denke, als wir vor der Haupttribüne am Odeonsplatz den ‚Siebenbürger-Marsch‘ gespielt haben. Ich weiß nicht, wie oft wir die Märsche wiederholt haben, aber es blieb noch Kraft und vor allem die Begeisterung, nach der Ankunft auf der Wiesn, im und vor dem Festzelt ‚Ochsenbraterei‘ noch ein paar Stücke zu spielen.“ Die 41 Musikanten, davon drei junge Frauen, haben eine gute Mischung der Instrumente und überzeugen durch die gute Qualität beim Spielen und die große Disziplin beim Marschieren. „Was wir zu Hause im Burzenland gelernt haben, auch damals haben wir ausgeholfen und uns ausgetauscht, den gleichen Stil, die gleiche Art zu spielen, die vier Musikantentreffen hier in Deutschland und die zwei Probeläufe beim Heimattag in Dinkelsbühl – das alles trägt jetzt Früchte und zeigt, dass wir auch größere Herausforderungen wie den Umzug beim Münchner Oktoberfest meistern können“, sagt Knorr.

Das Kurzinterview, das sie dem Bayerischen Fernsehen (siehe ARD-Mediathek von der Minute 23:09 bis 25:58) gewährten, machte die beiden Jugendlichen Birgit Teutsch (Schirkanyen) und Tobias Krempels (Nußbach) im Nu zu den Stars unter den Burzenländern. Während die Gruppe an den Kameras vorbeilief, fragte Moderator Roman Röll die beiden jungen Leute, wie sie dazu gekommen seien, sich im Verband zu engagieren, wo sie doch hier geboren seien. Selbstsicher und sehr authentisch gaben Birgit und Tobias darüber Auskunft, dass die siebenbürgischen Tanzgruppen und Ehrenämter ein entscheidender Faktor gewesen seien, zur siebenbürgischen Gemeinschaft zu finden. Die Tracht tragen sie bei Hochzeiten, im Freundeskreis, beim Heimattag in Dinkelsbühl oder selbst bei der eigenen Konfirmation, wie Tobias sagte. Birgit fügte hinzu, dass sich auch viele andere Jugendliche in Tanzgruppen, Orchestern, Theater- und anderen siebenbürgischen Gruppen engagierten. In einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung, das nach dem Umzug stattfand, erklärte Tobias, dass er sich durch die aktive Teilnahme an siebenbürgischen Veranstaltungen seiner Herkunft bewusst geworden sei. „Die Tradition meiner Eltern und Großeltern sehe ich als Teil meiner Identität an.“ Er besuche regelmäßig Siebenbürgen. Obwohl er in Deutschland geboren und zu Hause sei, könne er sich auch dort daheim fühlen.
Vereinigte Burzenländer Blaskapelle und Männer im ...
Vereinigte Burzenländer Blaskapelle und Männer im Burzenländer Kirchenmantel bei der Kehre in der Ludwigstraße. Foto: Hans-Werner Schuster
Während des Umzugs hat Volkmar Kirres (Tartlau) immer wieder ein Leuchten in den Augen der Zuschauer gesehen. Die Leute fragten, woher wir kommen. „Ja, Siebenbürgen, super.“ Der Name Siebenbürgen sei in der Öffentlichkeit positiv belegt. Bayerische Jugendliche, mit denen er beim gemütlichen Ausklang in der „Ochsenbraterei“ ins Gespräch kam, fanden es toll, dass wir unsere Traditionen pflegen.

Am weitesten angereist war Pfarrer Andreas Hartig aus Zeiden. Als er an einer Vorstandssitzung der Zeidner Nachbarschaft in München teilnahm, sagte er spontan zu, auch am Oktoberfestzug mitzumachen. Der Umzug habe ihn beindruckt, ebenso die Dimensionen des Oktoberfestes. Die Organisation, die Logistik des Festbetriebes, Fernsehen, Polizei, Service, öffentliche Verkehrsmittel – alles sei perfekt aufeinander abgestimmt.

Rainer Lehni, Vorsitzender der Zeidner Nachbarschaft in Deutschland und Stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes, resümiert: „Die Teilnahme am Oktoberfestzug war eine rundum tolle Präsentation der Burzenländer Tracht. Eine bessere Gelegenheit, seine Trachten zu zeigen, gibt es weltweit nicht. Ein Kompliment an die Verantwortlichen, dass sie fast 200 Personen mobilisieren konnten. Bemerkenswert ist der Zusammenhalt der Burzenländer Gemeinschaft, alle sächsischen Orte des Burzenlandes waren nämlich hier vertreten. Gut aufgenommen wurde die Wiederbelebung des alten runden Männerhutes, der trotz anfänglicher Skepsis von der Hälfte der Männer getragen wurde.“

Bereits, am ersten Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfestes nach dem Zweiten Weltkrieg, 1949, hatte eine siebenbürgisch-sächsische Trachtengruppe mitgemacht. Von 1986 bis 2002 waren die Siebenbürger Sachsen jedes Jahr beim Umzug vertreten und danach jedes zweite Jahr. Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster sichert seit 1994 eine sehr gute Kommunikation der Siebenbürger Sachsen mit dem Festring e.V. Der diesjährige Auftritt sei „ein besonders schönes Projekt“ gewesen. Die Burzenländer beeindruckten ihn vor allem durch ihren übergreifenden Zusammenhalt: 15 Heimatortsgemeinschaften, die im Durchschnitt je zehn Trachtenträger stellten, seien zu einer einheitlich wirkenden Gruppe zusammengewachsen.
Die Burzenländer Musikanten ziehen nach der ...
Die Burzenländer Musikanten ziehen nach der sieben Kilometer langen Strecke auf der Theresienwiese (Wiesn) ein. Foto: Siegbert Bruss
Für Udo Buhn war es das herausforderndste und größte Projekt der letzten Jahre, das die HOG-Regionalgruppe Burzenland zu stemmen hatte. Es war eine organisatorische Leistung, die 200 verstreut in Deutschland lebenden Teilnehmer mit den genauen Informationen zu versorgen. Udo Buhn hat allein 400 E-Mails geschrieben. Die Verantwortlichen der 15 Heimatortsgemeinschaften haben die Nachrichten an ihre Teilnehmer weitergegeben. Es war eine intensive, sehr gute Zusammenarbeit, für die Udo Buhn allen Teilnehmern und dem Münchner Festring e.V. dankbar ist. Allerdings wäre der erfolgreiche Auftritt ohne Hilfe von Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster, Karl-Heinz Brenndörfer, Leiter der HOG-Regionalgruppe Burzenland, Kassenwart Klaus Foof und Dirigent Klaus Knorr nicht möglich gewesen. Ein besonderer Dank gilt dem bayerischen Sozialministerium, das die Teilnahme der siebenbürgischen Gruppe über das Haus des Deutschen Ostens gefördert hat.

Schriftführerin Rosemarie Chrestels wird ihre herausragende Dokumentation der Frauentracht, die sie bei der Burzenländer Arbeitstagung 2016 vorlegt hat, um die Dokumentation der Männertracht ergänzen und zu einer Broschüre ausbauen, die 2018 gedruckt wird.

Summa summarum haben die Burzenländer durch ihre Teilnahme am Oktoberfest die Siebenbürger Sachsen nicht nur nach außen erfolgreich vertreten, sondern auch die Gemeinschaft nach innen gestärkt.

Siegbert Bruss

Hier geht's zur Bildergalerie "Siebenbürger Sachsen beim Oktoberfestumzug 2017".

ARD-Mediathek: Oktoberfest Trachten- und Schützenzug 2017. Die Siebenbürger Sachsen sind von der Minute 23:09 bis 25:58 zu sehen.

Schlagwörter: Oktoberfest, Trachtenzug, Burzenland

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