30. Juni 2020
Der erste Heimattag 1951 in Dinkelsbühl
Mit dem digitalen Heimattag, der am Pfingstwochenende 2020 Tausende Menschen vor die Bildschirme lockte, hat der Verband der Siebenbürger Sachsen in vielerlei Hinsicht eine Premiere begangen. Die Rahmenbedingungen waren in diesem Jahr zwar ganz anders, doch das Programm entsprach in weiten Teilen einem „klassischen“ Heimattag. An dieser Stelle mag es interessant sein, einmal zurückzublicken und sich anzusehen, wie der erste (analoge) Heimattag 1951 eigentlich ablief.

Der Einladung zum „Bundestreffen“ folgten – laut Quartieranmeldungen – über 4000 Menschen aus ganz Deutschland, Österreich, England, Frankreich, Italien, Schweden und Übersee.

Das Hauptereignis des Pfingstmontags war dann die Mitgliederversammlung des Verbandes, bei der unter anderem der 1. Vorsitzende, Fritz Heinz Riemesch, sowie der Hauptgeschäftsführer, Prof. Hubert Gross, von ihren Tätigkeiten berichteten. Ihre Bemühungen zielten damals vor allem darauf ab, die Interessen der Heimatvertriebenen politisch und wirtschaftlich zu vertreten: Der Lastenausgleich, die rechtliche Gleichstellung mit den Einheimischen, die Eingliederung der Landsleute in die deutsche Wirtschaft, die Familienzusammenführung sowie das Schicksal der Verschleppten und Vermissten wurden dabei ebenso angesprochen wie die Auswanderung nach Nordamerika und die Pflege des Kulturgutes und der Mundart.

Die Besucherinnen und Besucher konnten 1951 in Dinkelsbühl also auch unbeschwerte Stunden verbringen. Heute kann man sich derlei Bedenken gar nicht mehr vorstellen, aber Anfang der 1950er Jahre sah man sich tatsächlich gezwungen, sich für das gemeinsame Feiern zu rechtfertigen. Die Siebenbürgische Zeitung stellte im Mai 1951 die (eher rhetorische) Frage, „ob man Gelder verschwenden darf, wenn durch Flüchtlingsbaracken das Gespenst des Hungers zieht und Hoffnungslosigkeit die Flügel breitet. Sie hören den Vorwurf aus der Heimat: ihr könnt feiern?“ Zur Erklärung: Nur rund ein Fünftel der Siebenbürger Sachsen befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits fern der Heimat in Deutschland oder Österreich. Sie forderten das Recht auf eine Rückkehr in die Heimat ein, zeitgleich wurden Debatten um eine geschlossene Ausreise der Volksgruppe in die USA geführt. In eine ungewisse Zukunft blickend und in Sorge um ihre Freunde und Verwandten waren sie zumeist hin- und hergerissen zwischen Bleiben und Gehen. Wer mag es diesen Landsleuten verdenken, dass sie das Wiedersehen und die Gemeinschaft in Dinkelsbühl feierten?
Wie viel Freude der einzelne tatsächlich aus dem Heimattag zog, verdeutlicht ein Leserbrief an die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung aus dem August 1951. Den Brief von Ernst Habermann aus Mailand würden auch heute sicherlich viele Besucher unterschreiben: „Ich benutze die erste Atempause, die mir mein Geschäft gewährt, um Ihnen zu schreiben und auf diesem Wege den Initiatoren des Heimattreffens in Dinkelsbühl von Herzen zu danken. Es war für mich und meine Familie nicht nur ein großes, unvergleichliches E r l e b n i s, an dieser Tagung teilzunehmen; es wurden auch manche Herzenswünsche erfüllt, nämlich wieder einmal mit altvertrauten Landsleuten beisammen zu sein und die Luft der alten Heimat zu atmen.“
Dagmar Seck
Schlagwörter: Heimattag, Jubiläum, Geschichte, Dinkelsbühl, Siebenbürgische Zeitung
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