28. April 2021

Migrationsberatung im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland

Im Haus der Heimat Nürnberg wurde seit Beginn seines Bestehens, also ab 1998, Aussiedlerberatung angeboten. In den 90er Jahren waren sehr viele Aussiedler aus Rumänien und der ehemaligen Sowjetunion ausgesiedelt, wodurch die Nachfrage nach guten Ratschlägen über passgenaue Hilfe bei Anträgen und sonstigen Formularen bis zur Anerkennung der Zeugnisse groß war.
Januar 1999 boten im Rahmen des Bundes der Vertriebenen (BdV) Nürnberg 17 Beraterinnen und Berater ehrenamtlich ihr Wissen und ihre Hilfsdienste, wie etwa Übersetzungen oder Begleitungen zu den Ämtern, an. Dafür stellte das Haus der Heimat zwei Beraterbüros zur Verfügung, die auch heute noch genutzt werden, und förderte im Rahmen seiner Projektarbeit Seminare für die Beratenden. Inzwischen ist die Aussiedlerberatung geschrumpft auf drei betreuende Damen aus den Reihen der Russlanddeutschen und Johann Ohler, ein Siebenbürger Sachse, zuständig für die Rumäniendeutschen. Der Beratungsbedarf von Aussiedlern ist stark zurückgegangen.

Dafür ist im Bereich der Migrationsberatung die Nachfrage stark gestiegen. Aus seiner Tradition heraus, Beratung zur schnellstmöglichen Eingliederung anzubieten, hat der BdV Bund, wie die großen Wohlfahrtverbände auch, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ­angeboten, sich zwecks gesellschaftlichen Zusammenhalts und Integration über seine Mitgliedsverbände auch bei der Migrationsberatung zu beteiligen. So trat er an den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. heran und fragte, ob wir eine Stelle für Migrationsberatung schaffen könnten. Auf der Suche nach einem Büro wurde der Bundesvorstand des Verbandes in Nürnberg fündig, wo im Haus der Heimat Platz für die 2019 eingestellte Migrationsberaterin gefunden wurde. Anke Karpenstein ist also Angestellte des Verbandes mit Arbeitsplatz in Nürnberg-Langwasser. Entlohnt wird sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), weitergebildet vom BdV, eingebettet ist sie in das Beraterteam des Hauses der Heimat.
Anke Karpenstein bei der Beratung im HdH ...
Anke Karpenstein bei der Beratung im HdH Nürnberg. Foto: Annette Folkendt
Gefragt, wen sie berät, erklärt Karpenstein: „Ich unterstütze Menschen, die sich Belastungen und Benachteiligungen stellen müssen, dabei, diese zu überwinden. Es erfordert oftmals eine sprachlich begründete Hilfestellung, insbesondere in Bezug auf die deutsche Behörden- und Briefevielfalt. Jedoch führen auch häufig einschneidende Erfahrungen in der Vergangenheit und Gegenwart, die aus unterschiedlich begründeten prekären Lebenslagen im Herkunftsland entstanden sind und sich in Deutschland fortsetzen, zum Unterstützungsbedarf. In der Beratung empfange ich SpätaussiedlerInnen, Menschen mit Fluchtgeschichte, arbeitsberechtigte Menschen aus Drittstaaten oder EU-BürgerInnen mit ihren individuellen Anliegen und Aufträgen an mich. Dabei steht im Fokus, bedarfsgerechte Unterstützung im Sinne von sozialer Gerechtigkeit und der Achtung der Vielfalt zu bieten, sowie die Menschen dahingehend zu stärken, das Angebot der Beratung in naher Zukunft nicht mehr zu benötigen.“ Konkret gehe es dabei z.B. um Formulare und Briefe vom oder an das JobCenter, um Anträge auf Kinder- oder Elterngeld, Beratungshilfe beim Amtsgericht und Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe, Wohnberechtigungsscheine, Gutscheine für Bildung und Teilhabe, um Unterstützung bei der Wohnungs- oder Jobsuche und Verlängerung oder Erneuerung von Aufenthaltserlaubnissen oder Anträge auf Niederlassungserlaubnis. Wer mit der Blauen Karte EU einreist, hat in der Regel einen gut bezahlten Job, jedoch evtl. Probleme mit der deutschen Sprache oder mit der Befristung der Aufenthaltserlaubnis, wenn deren Zweck sich ändert. Reisen Frau und Kind mit ein, geht es manchmal um die Teilnahmeberechtigung, einen Integrationskurs zu besuchen, bei Arbeitsplatzwechsel ist Arbeitsrecht gefragt.

Für EU-Bürger, z. B. Rumänen, geht es manchmal um aufstockende Leistungen, wenn jemand seinen Job verloren hat, um Arbeitslosengeld (ALG I) oder ALG II (Hartz IV), um Wohn- oder Kindergeld, Kündigungen, Bewerbungen, erneuerte Lebensläufe, Zeugnisanerkennungen. Wird ein Mann gewalttätig und ist seine zugewanderte Frau plötzlich mit drei kleinen Kindern auf sich gestellt, kann sogar eine Kontoeröffnung zum Problem werden, ganz besonders jetzt im Lockdown. Geflüchtete Personen darf Anke Karpenstein in der Regel nach positiv abgeschlossenem Asylverfahren beraten, also dann, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis haben oder wenn sie aus Ländern „mit guter Bleibeperspektive“ (aktuell Eritrea, Syrien, Somalia) stammen.

Beraten soll Karpenstein prioritär Neuzuwanderer, also Spätaussiedler und Ausländer bis zu drei Jahren nach Einreise in das Bundesgebiet, um „den Integrationsprozess erwachsener Zuwanderer gezielt zu initiieren, zu steuern und zu begleiten.“ Dabei gibt es allerdings auch den nachholenden Integrationsbedarf, wenn z. B. ein Aussiedler nach mehr als drei Jahren bei der Niederlassungserlaubnis Probleme hat oder wenn eine Aussiedlerin länger als drei Jahre im Übergangswohnheim lebt, weil sie keine Wohnung findet. Leider gehört das Kriegsfolgenschicksal unserer Landsleute nicht zum Aufgabengebiet unserer Migrationsberaterin, so darf sie zum Thema Deportationsentschädigungen nicht beraten.

Wer, wenn nicht wir Aussiedler, die wir eine Zuwanderungsgeschichte und viel Erfahrung bei der Eingliederung in Deutschland gesammelt haben, sollten weiteren Zuwanderern beratend zur Seite stehen bzw. Beratung ermöglichen und auch auf diese Weise den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stärken? Anke Karpenstein: „Als Migrationsberaterin beim Verband kann ich dieser Haltung gerecht werden. Ich bin dankbar für die Einsatzbereitschaft und Offenheit des Verbandes gegenüber allen Menschen und für das meiner Arbeit entgegengebrachte Vertrauen.“

Doris Hutter

Schlagwörter: HDH, Nürnberg, Beratung, Migranten, Migration, Aussiedler, Spätaussiedler, Spätaussiedlerbeirat, Flüchtlinge, BdV

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