25. Januar 2025
80 Jahre Flucht und Vertreibung: Aufruf der Beauftragten der Länder für deutsche Heimatvertriebene und (Spät-)Aussiedler
Vor fast fünf Jahren, im Frühjahr 2020, haben wir, die Beauftragten der Länder für Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler, gemeinsam des 75. Jahrestages des Kriegsendes gedacht und dabei an die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten erinnert. Angesichts der seinerzeit grassierenden Corona-Pandemie war es leider nicht möglich, diesen Anlass so zu begehen, wie es ihm angemessen gewesen wäre. Umso wichtiger ist es, 2025 das Schicksal der von Flucht, Vertreibung und Deportation Betroffenen zu würdigen, sich ihres Leidens zu erinnern und Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen.

Die Erinnerung an Flucht, Vertreibung vor achtzig Jahren und die bereits zeitlich davor vollzogene Deportation der Deutschen in Russland ist umso wichtiger, als Europa (und leider nicht nur Europa, denken wir z. B. an den Nahen Osten) heute wieder ein Kontinent ist, in dem Angriffskriege geführt, nationaler Hass geschürt und Menschen massakriert und vertrieben werden. Nach den vom Drang nach „ethnischer Säuberung“, nationalem und religiösem Hass befeuerten Kriegen in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo in den neunziger Jahren sind es heute der russische Überfall auf die Ukraine mit seinen mittlerweile in die Hunderttausende gehenden Opfern und Millionen von Heimatvertriebenen, und die von der Weltöffentlichkeit weder zur Kenntnis genommene noch sanktionierte Vertreibung fast der gesamten armenischen Bevölkerung aus Berg-Karabach, die uns fassungslos machen.
Diese Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart belegen, welche Folgen es hat, wenn Vertreibung nicht geächtet, wenn ihre Geschichte nicht umfassend aufgearbeitet und im kollektiven Gedächtnis verankert wird. Das Jahr 2025 bietet nun die Chance, sich gemeinsam mit den noch lebenden Zeitzeugen der damaligen Ereignisse von Flucht, Vertreibung und Deportation zu erinnern. Wir gedenken der dabei und in Internierungs- und Arbeitslagern Getöteten, der Versehrten, der zur Zwangsarbeit Verschleppten und der unzähligen Vergewaltigungsopfer. Viele der von Gewaltexzessen, Not, Hunger, Kälte, Krankheiten und allgegenwärtiger Willkür Betroffenen blieben lebenslang traumatisiert, wobei gerade Frauen, Kinder, Alte und Kranke zu leiden hatten und haben. Diese Traumatisierung wirkt in Folgegenerationen nach. Wiewohl in ihrer neuen Heimat oft unwillkommen und diskriminiert, haben die Vertriebenen wesentlich zum Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg beigetragen. Aussiedler und Spätaussiedler trugen zur positiven Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere nach der Wiedervereinigung, bei. Besonders zu würdigen ist aber, dass die Vertriebenen schon wenige Jahre nach Kriegsende den Völkern des östlichen Europas die Hand zur Versöhnung gereicht haben. Trotz ihres schweren Verlusts haben sie sich als Brückenbauer um die Einheit und Zukunft Europas verdient gemacht und setzen sich vereint mit Aussiedlern und Spätaussiedlern in der Gegenwart und Zukunft weiterhin dafür ein.
Unterzeichnet wird der Aufruf von den Aussiedlerbeauftragten der Länder: Dr. Jens Baumann, Sachsen, Walter Gauks, Berliner Senat, Heiko Hendriks, Nordrhein-Westfalen, Andreas Hofmeister, Hessen, und Dr. Petra Loibl, Bayern.
Schlagwörter: Flucht und Vertreibung, Gedenken, Russland, Deportation, Aussiedlerbeauftragte
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