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27. November 2010

Verbandspolitik

Bundesausschuss der Siebenbürger Sachsen in Österreich setzt sich mit Dr. Karl Scheerers Identitätsbegriff kritisch auseinander

Der Bundesausschuss des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachen in Österreich hat am 13. November 2010 getagt und bezieht im Folgenden Stellung zu den Ausführungen des Historikers Dr. Karl Scheerer, stellvertretender Vorsitzender des Siebenbürgenforums, beim 20. Sachsentreffen am 18. September 2010 in Bistritz (siehe Beilage „Kirche und Heimat“, Siebenbürgische Zeitung vom 15. Oktober 2010, Seite 16). Scheerer hatte ein Thesenpapier erläutert, das bei der Tagung „Zukunft und Perspektiven der deutschen Minderheit in Rumänien vom 13. bis 15. November 2009 in Hermannstadt vorgelegt worden war. Erarbeitet wurde das Papier von einer Arbeitsgruppe des Siebenbürgenforums, bestehend aus Benjamin Józsa, Dr. Hans Klein, Dr. Paul Philippi, Dr. Karl Scheerer und Winfried Ziegler. mehr...

Kommentare

Artikel wurde 7 mal kommentiert.

  • bankban

    1bankban schrieb am 27.11.2010, 18:05 Uhr:
    Wäre es nicht sinnvoll, wenn hier diese Stellungnahme veröffentlicht wird, auch die Erörterungen von Dr. Karl Scheerer online öffentlich zu machen?
  • Siegbert Bruss

    2Siegbert Bruss schrieb am 27.11.2010, 21:58 Uhr:
    Hallo bankban,

    Ihr Vorschlag ist in der Tat sinnvoll. Damit sich auch jene Leser, die nicht Premium-Mitglieder sind, ein genaueres Bild machen können, bieten wir nun am Ende des Artikels zwei Links (Thesenpapier und SbZ-Bericht über die Tagung, auf der das Thesenpapier vorgestellt wurde) und die beiden pdf-Dateien mit dem Bericht aus der Beilage "Kirche und Heimat" an.

    Mit freundlichen Grüßen

    Siegbert Bruss
  • bankban

    3bankban schrieb am 28.11.2010, 08:26 Uhr (um 08:33 Uhr geändert):
    Vielen Dank für das Aufgreifen meines Vorschlages. Jetzt erst kann man sich ein rundes Bild machen. Und dieser Abschnitt des Thesenpapiers hat es in der Tat in sich: "Andererseits hat sich aber auch ein Klima herausgebildet, in dem beide Seiten das Ausgewandertsein als selbstverständlich gelten lassen, so als sei eine Existenz als Siebenbürger Sachse oder Banater Schwabe in Deutschland ebenso authentisch möglich wie in Siebenbürgen oder im Banat, ja, vielleicht sogar noch authentischer (bezeichnend ist der zunehmend zu beobachtende Wechsel in der Redeweise von „alter Heimat“ zu „Herkunftsgebiet“). Diese Fehleinschätzung von Heimatverbundenheit gilt es, freundlich aber deutlich zu entmythologisieren. Mit den Organsiationen der Ausgewanderten sollten wir Deutsche in Rumänien uns über die unterschiedliche Wertigkeit siebenbürgisch-sächsischer bzw. schwäbischer Existenz hier bzw. dort verständigen und im Dialog eigenständige Wertkategorien artikulieren."

    Die Aufregung des österreichischen Bundesverbandes kann ich nun sehr gut nachvollziehen und ich teile sie auch. Denn in einem der vorhergehenden Abschnitte wird postuliert, dass man in Sbb. gerne die Hilfe die HOG-s annimmt. Hier wird dann allen, die ihren Lebensmittelpunkt nicht in Sbb. haben, abgesprochen, ein authentisches Siebenbürgertum (Sächsischsein) zu leben. Stattdessen wird eine Abstufung und gar unterschiedliche Wertigkeit behauptet, je nachdem wo man lebt. Dieser Gedanke ist nicht neu und wurde in diesem Forum von B. Józsa und W. Ziegler letztes Jahr um diese Zeit schon einmal aufgeworfen. Soweit ich mich erinnere, gab es hier auch damals schon kritische Reaktionen. Ich selbst bin auch skeptisch, ob durch die Einführung solch missverständlicher Begriffe wie "Wertigkeit" der Zusammenhalt der weltweit zerstreuten Sachsen gefördert wird. Zudem wird am Anfang des Abschnittes kritisiert, dass man das "Ausgewandertsein" als selbstverständlich ansieht/gelten lässt. Demnach ist es aus siebenbürger Sicht "nicht normal", dass man nicht in Sbb. lebt und sich dennoch als Sachse versteht.

    Nun, insgesamt finde und empfinde ich, dass keinem das Recht gegeben ist, über andere Individuen solche moralischen Urteile zu fällen und sie so zu kategorisieren. Man kann schließlich, auch sein ganzes Leben in Siebenbürgen verbringen, Hans/Ioan Teutsch oder Birgit Schuller heißen und trotzdem aus den verschiedensten Gründen am "Sächsischsein" nicht teilnehmen usw. Andererseits kann man auch in Bergisch Gladbach sein Sächsischsein ausleben - sofern einem dies wichtig ist. Da es immer auf den Einzelnen und das Individuum ankommt sowie auf dessen innere Einstellung, die keinem Außenstehenden bekannt ist ("Ich kann doch DEINEN Schmerz nicht haben!", --LW), ist es anmaßend, so über die "Ausgewanderten" zu urteilen und sie so kategorisieren zu wollen. Es tut mir Leid, aber Kategorisierungen (die Einteilung von Menschengruppen) rufen in mir immer die Erinnerung an totalitäre Ideologien ins Gedächtnis. Identität ist nicht an Orte gebunden und nichts Festes, was man festhalten, definieren und konservieren könnte. Immer wenn man Identitäten definieren wollte, ist es bislang in Terror ausgeartet.

    Das Widersprüchliche am Thesenpapier ist zugleich, dass man am Anfang noch die Öffnung des Forums gegenüber Nichtdeutschen und Deutschen ohne rumänische Staatsangehörigkeit fordert. Praktisch im selben Atemzug wird dann den Ausgewanderten (zwischen den Zeilen) ein Sachsenstatus zweiten Grades zugewiesen.

    In meinen Augen ist dies a) widersprüchlich und b) empörend!
  • seberg

    4seberg schrieb am 29.11.2010, 20:47 Uhr:
    Mir reichte es schon, erneut die Überschrift zu Aschnitt 5 des Thesenpapiers zu lesen, um mich darüber wieder aufzuregen: „Umgang mit den Organisationen UNSERER Ausgewanderten“. Sofort hatte ich im Ohr den Paul Philippi–Spruch von UNSEREN Zigeunern in den sächsischen Dörfern. Dieses „unser“ von scheinbar herzlicher Verbundenheit oder verbindlichen Herzlichkeit, kommt bei mir nicht anderes an, denn als altväterlich-autoritäre Vereinnahmung, die bei nächster Gelegenheit in ebenso autoritär-abstrafende Ausgrenzung umschlagen kann. Mich gruselts jedenfalls vor diesem „unser“-Geist, dem ich mich keinesfalls ausliefern will und kann, der aber leider auch die Ausführungen von Dr. Karl Scherer durchzieht, wogegen sich die Siebenbürger Sachsen in Österreich m.E. zu recht wehren.

    In diesen Ausführungen über die Identität der Siebenbürger Sachsen spricht Scherer von Irritation und hat natürlich recht damit, denn es ist immer irritierend festzustellen, dass auch die Identität eines Volkes/einer Volksgruppe ständigen Veränderungen unterworfen ist. Es ist allerdings bezeichnet für diesen „Paul-Philippi-Geist“, wie ich ihn nenne, den Grund für diese Irritation einseitig im „Ausgewandertsein“ der Sachsen sehen zu wollen, das als eine Art Hybris dargestellt wird im Verhältnis zu einem ruhenden Pol siebenbürgisch-sächsicher Identität und Heimatverbundenheit in Rumänien. Mit pseudowissenschaftlichem Gehabe wird von „Elementen der Identitätsstiftung“ und „Authentizität“ gesprochen, womit offenbar allein das bodenständige und gemeinschaftliche Festkleben an der heimatlichen Scholle gemeint ist, dem alles andere, einschließlich die Entscheidung für die individuelle Freiheit zu opfern ist. Dieser Paul-Philippi-Geist hat, wie man weiß, die Auswanderung der Sachsen noch nie mit Verständnis und Wohlwollen begleitet, im Gegenteil schon in den 60er und 70er Jahren unter Ceausescu immer nur mit Misstrauen und Ablehnung bis hin zur Verteufelung und Kriminalisierung. Mir scheint, hier soll vorsorglich ein Schuldiger gefunden werden für den Fall, dass die siebenbürgisch-sächsische Identität sich künftig nicht so entwickelt, wie sich das einige Leute gerne vorstellen und wünschen.
  • pavel_chinezul

    5 • pavel_chinezul schrieb am 30.11.2010, 06:52 Uhr:
    Leider, bankban und seberg, tragen auch viele ausgewanderte Siebenbürger dazu bei, dass die Identität rein mit dem Örtlichen verbunden wird. Als Beispiel dazu will ich den Begriff „Sommersachse“ (siehe Bericht zur zweiten Fußwanderung) nennen, der hier kursiert und ohne Widerspruch akzeptiert wird. Also im Sommer, wenn sie in Siebenbürgen sind, sind sie Sachsen und wenn sie wieder weg sind, sind sie was, frage ich mich?
  • bankban

    6bankban schrieb am 30.11.2010, 07:21 Uhr:
    Eine gute Frage, auf die ich keine Antwort weiß.

    Interessant finde ich noch, dass jene, die doch sonst das Sachsentum so hochhalten und etwa seberg oder mir vermeintliches einschlägges Desinteresse oder gar Ablehnung vorhalten (walter-georg), sich diese ganze Diskussion schenken. Nur was pauschale Vorverurteilungen und Aussagen angeht, sind sie schnell.
  • seberg

    7seberg schrieb am 30.11.2010, 08:38 Uhr (um 09:08 Uhr geändert):
    Ja, pavel_chinezul, solchen schizoiden Situationen wie dem "Sommersachsentum" sind so ziemlich alle Migranten ausgesetzt, da haben wir es vergleichsweise noch gut.

    Apropos "schizoid" und trotzdem "echter" Sachse: Denke doch z.B. an Joker, der, soviel ich weiß, in Frankreich lebt mit französischer Partnerin und dem trotzdem alles Sächsische wichtig ist; oder an walter-georg, mit seinen siebenbürgisch-säschsisch-anekdotisch-altheimatlichen Beiträgen einseseits und andererseits mit seinen gedrexelten Reiseberichten über und seinen Sehnsüchten nach den exotischsten Reisezielen des Planeten.

    In der sächsischen Seele scheint Einiges Platz zu haben! :-)

    Endlich, nach 800 Jahren! ;_)

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