16. Januar 2023

Aktuelle Rechtsfragen zum Europäischen Nachlasszeugnis und Aussiedlerzuzug aus Rumänien

In jüngster Vergangenheit erreichen den Bundesrechtsreferenten des Verbandes wiederholt Anfragen von Landsleuten zum Europäischen Nachlasszeugnis (A) und zum Aussiedler-/Spätaussiedlerzuzug aus Rumänien nach dem BVFG (B). Hierzu nimmt der Bundesrechtsreferent wie folgt Stellung.
A. Müssen rumänische Behörden, insbesondere Grundbuchämter ein in Deutschland ausgestelltes Europäisches Nachlasszeugnis anerkennen?

I. Einleitung / Sachverhalt

In den konkreten Fällen der Betroffenen liegt, im Wesentlichen, folgender Sachverhalt vor: Die im Bundesgebiet lebende Person verstirbt und hinterlässt zum Beispiel den Ehemann (oder Sohn) als Alleinerben.

Die /der Verstorbene hatte Immobilien sowohl in Deutschland als auch in Rumänien. Vom deutschen Nachlassgericht erhält der Ehemann (oder Sohn) ein so genanntes Europäisches Nachlasszeugnis, aus dem hervorgeht, dass der Ehemann (oder Sohn) Alleinerbe der Erblasserin ist.

In Deutschland erfolgt problemlos die Eintragung des Alleinerben im Grundbuch.

Die rumänischen Behörden (hier das Grundbuchamt) weisen den Antrag mit der Begründung zurück, dass das Nachlasszeugnis unvollständig sei, da nicht der gesamte Nachlass detailliert und im Einzelnen im Nachlasszeugnis aufgeführt sei.

II. Grundsätzliches zur Rechtslage:

Für Todesfälle seit dem 17.08.2015 können Erben aufgrund der EU-Erbrechtsverordnung (EU-Verordnung Nr. 650/2012) ein Europäisches Nachlasszeugnis in dem Staat beantragen, in welchem der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dieses Zeugnis müssen alle EU-Staaten anerkennen. Der Sinn der Regelung und der Vorteil liegen auf der Hand:

Es müssen nicht – in dem hier geschilderten Fall – zwei Erbscheine beantragt werden, einer in Deutschland und einer in Rumänien. Nach deutschem Erbrecht wird in einem Europäischen Nachlasszeugnis lediglich eingetragen, von wem der Verstorbene gegebenenfalls mit welcher Quote beerbt worden ist. Die einzelnen Nachlassgegenstände (bzw. das gesamte Nachlassvermögen im Einzelnen) werden nicht aufgeführt (ebenso nicht in einem deutschen Erbschein, wenn die/der Verstorbene lediglich im Bundesgebiet Nachlassvermögen hatte).

III. Ergebnis:

Aufgrund des oben zitierten Unionsrechts (EU-Verordnung) muss auch die rumänische Behörde (in diesem konkreten Fall das Grundbuchamt) bei Vorlage des Europäischen Nachlasszeugnisses eine Berichtigung des Grundbuches dahingehend vornehmen, dass der Erbe laut Nachlasszeugnis als neuer Eigentümer einzutragen ist.

Eine Ablehnung/Zurückweisung des Antrages ist unstatthaft und kann dort, zweckmäßigerweise vertreten durch einen spezialisierten Rechtsanwalt, nach rumänischem Recht angegriffen werden (vergleiche z.B. KG Berlin, Beschluss vom 22. September 2022 – 1 W 348/22 –, juris und Schlussanträge des Generalsanwaltes/der Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof vom 14.7.2022, C-354/21, Celex-Nr. 62021CC0354, jeweils mit weiteren Nachweisen).

B. Ende des Aussiedler-/Spätaussiedlerzuzugs von deutschen Volkszugehörigen aus Rumänien?

Auch wenn, in der Praxis davon ausgegangen werden kann, dass bereits seit Jahren kaum noch ein Zuzug des oben beschriebenen Personenkreises erfolgt, gibt es auch derzeit noch Anfragen von im Bundesgebiet lebenden Angehörigen betreffend Zuzugsmöglichkeiten zum Beispiel der Eltern oder Großeltern nach Deutschland. Als Gründe werden insbesondere die dortige Vereinsamung als Volksdeutscher und/oder auch die nunmehrige Pflegebedürftigkeit genannt. Gefragt wird, ob sie nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) aussiedeln und hier dann anerkannt werden können, zumal sie im Besitz von „alten“ Übernahmegenehmigungen oder Aufnahmebescheiden seien.

I. Ein Aussiedlerzuzug (von Aussiedlern sprach/spricht man bei Zuziehenden vor dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes am 1. Januar 1993/von Spätaussiedlern bei Zuzug nach dem zuletzt genannten Datum) aufgrund von „alten“ Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes, aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Aussiedleraufnahmegesetzes am 1. Juli 1990 sowie „alter“ Aufnahmebescheide aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes am 1. Januar 1993 ist leider aufgrund des 7. BVFG-Änderungsgesetzes nicht mehr möglich, da diese von Gesetzes wegen ab dem 1. Januar 2010 unwirksam geworden sind (siehe auch Artikel des Unterzeichners in Folge 4 der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. März 2007, Seite 1, siehe auch Siebenbürgische Zeitung Online vom 28. Februar 2007).

II. Leider ist eine Anerkennung als Spätaussiedler (Zuzug ab dem 1. Januar 1993) in der Praxis auch als ausgeschlossen zu bezeichnen. Dies aus folgenden Gründen:

Falls der Aufnahmebewerber im Besitz eines Aufnahmebescheides aus der Zeit vom 1.7.1990 bis 31.12.1992 ist, berechtigt dieser zwar vorläufig zur Einreise nach Deutschland. Das Bundesverwaltungsamt prüft danach allerdings erneut von Gesetzes wegen abschließend die Voraussetzungen der Anerkennung als Spätaussiedler anhand der aktuellen Rechtslage. ­Danach muss der Antragsteller neben seiner deutschen Volkszugehörigkeit (die bei den meisten Aufnahmebewerber kein Thema ist) glaubhaft ­machen, dass er in Rumänien bis zu seiner Ausreise wegen seines deutschen Volkstums benachteiligt wurde oder an Nachwirkungen früherer (vor dem 1. Januar 1993 entstandener) Benachteiligungen noch gelitten hat.

In der Praxis ist dieser Nachweis heutzutage in der Regel leider nicht mehr erbringbar. Daran scheitert auch ein erstmaliger Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides vom Heimatgebiet aus, unterstellt, dass bisher kein Antrag gestellt wurde.

Zwar konnte der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. erreichen, dass von 1993 bis Anfang 1998 die persönliche Vereinsamung als Nachteil i.S. des § 4 Abs. 2 BVFG anerkannt wurde und somit eine Vielzahl von Aussiedlungswilligen (noch) eine Chance zur Aussiedlung und ­Anerkennung als Spätaussiedler erhielten. Leider wurde diese Praxis vom Bundeverwaltungsgericht mit Urteil vom 3.3.1998 (Az.: 9 C 3.97) gestoppt.

Bundesrechtsreferent, Rechtsanwalt Dr. Johann Schmidt, Nürnberg

Schlagwörter: Rechtsfragen, Aussiedlerzuzug, Nachlass

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