27. August 2025

Rumänien kürzt Zahlung der Sozialleistungen aufgrund neuer Fiskalregelung

Relevante Unterschiede zwischen Renten der Sozialversicherung (pensii asigurări sociale) und Zahlungen von Entschädigungen für politische Verfolgung (Îndemnizaţii decret 118/1990) beachten. – Durch das Gesetz 141/2025 (veröffentlicht im Amtsblatt Rumäniens 699 vom 25.7.2025) wurden aus Gründen des rumänischen Haushaltsdefizits die Beitragszahlungen zur rumänischen Krankenversicherung neu geregelt. Geändert/neu eingeführt wurden wesentliche Vorschriften des Gesetzes 227/2015 (cod fiscal).
Im März 1948 schickte die nach Russland ...
Im März 1948 schickte die nach Russland Verschleppte Dorothea Hermann (hinten, 4. von rechts) ihren Eltern dieses Bild aus dem Arbeitslager Hanjonkowa: „Herzlichen Gruß von Eurer Tochter aus weiter Ferne.“ (Erlebnisbericht in der SbZ Online) Foto: privat
Es wurde eine Beitragspflicht zur rumänischen Krankenversicherung in Höhe von 10% der relevanten Leistung eingeführt, die durch die Auszahlungsbehörde (Casa de Pensii) unmittelbar von der zustehenden Leistung einbehalten wird (siehe auch Artikel "Wichtiger Hinweis für Bezieher von Sozialleistungen aus Rumänien", SbZ Online vom 1. August 2025).

Die Höhe des Abzuges unterscheidet sich nach Art der Leistung:
Bei Renten der Sozialversicherung (pensii) wird der Beitrag aus der gewährten Rente abzüglich eines Freibetrages von 3.000 RON je Rentenart berechnet. Im Ergebnis gibt es damit keinen Abzug, wenn die Rente den Betrag von 3.000 RON nicht überschreitet. Bei höheren Renten wird 10% des über 3.000 RON liegenden Betrages gekürzt (Art. 157 Abs. 6 Gesetz 227/2015 in der Fassung ab 1.8.2025).

Beispiel: Person A bezieht 2.800 RON monatliche Rente. Bei dieser Person wird nichts gekürzt. Person B bezog bis zum 31.7.2025 monatlich 3.800 RON. Der Freibetrag von 3.000 RON wird um 800 RON überschritten, davon werden 10% (= 80 RON) als Beitrag zur Krankenversicherung einbehalten. Die Person wird ab 1. August nur noch 3.720 RON beziehen.

WICHTIG: Diese Bemessungsregel gilt NICHT bei Beziehern von Entschädigungen (Îndemnizaţii DL 118/90). Leistungen nach Dekret 118/1990 für politische Verfolgung unterliegen nach diesen neuen Regeln in voller Höhe der Beitragspflicht. Damit zieht die Auszahlungsbehörde von jeder Entschädigungsleistung einen Anteil von 10 % zur Finanzierung einer Krankenversicherung in Rumänien ab.

ANMERKUNG: Nach meiner Meinung verstößt diese Regelung bezüglich der Leistungen nach Dekret 118/1990 gegen vorrangiges rumänisches Recht: In Dekret 118/1990 ist in Art. 7 Abs. 2 geregelt: „Zahlungen nach diesem Gesetz sind steuerfrei, werden bei der Berechnung anderer Rechtspositionen laut Gesetz NICHT berücksichtigt und können mit allen anderen Rentenarten kummuliert werden“. Damit dürften diese Zahlungen auch bei Berechnung eines Krankenversicherungsbeitrages nicht in Betracht gezogen werden.

Befreiungsmöglichkeiten beachten!

In dem neuen Recht wird NICHT nach Wohnsitz des Berechtigten unterschieden. Allerdings gelten in diesem Zusammenhang zwischenstaatliche Regelungen, die auch für Rumänien als Mitgliedsstaat der EU verpflichtend sind. Anzuwenden ist die EU-Verordnung 883/2004, auf welche in Rumänien die „Gemeinsame Anweisung der Nationalen Rentenkasse und der Nationalen Krankenversicherung OC 1285/437/2011. CNPP, CNAS“ aufbaut. Danach kann eine Befreiung von der Beitragspflicht beantragt werden, wenn eine berechtigte Person im Wirkungsbereich der EU-Verordnung, z.B. in Deutschland oder in Österreich, wohnt und dort bereits eine Krankenversicherung hat.

Die rumänische Rentenbehörde ist verpflichtet, betroffene Personen formgerecht zu informieren (notificare conf. anexa 1 la OC 1285/437/2011. CNPP, CNAS) und einen Befreiungsantrag mit Erklärungen zur Frage des Wohnsitzes außerhalb Rumäniens sowie des Bestandes einer Krankenversicherung im Wohnsitzland (z.B. Deutschland) abzufragen. Solange aber ein solcher Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht mit einem Nachweis zur Krankenversicherung im Wohnsitzland nicht gestellt wird, erfolgt automatisch eine entsprechende Kürzung.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Behörden diese Verpflichtung leider NICHT befolgen und ohne jede Information einfach kürzen.

Betroffenen wird daher empfohlen, den Befreiungsantrag eigeninitiativ (auch ohne Aufforderung) an die Behörde zu senden, woher die Zahlung kommt. Der Befreiungsantrag muss auf dem entsprechenden Formular in rumänischer Sprache unter Beifügung eines Beleges zur Krankenversicherung gestellt werden. Das Formular kann im Internet heruntergeladen werden (siehe Download am Ende dieses Artikels).

Wichtig ist,
a) dass beide Teile der Erklärung (Erklärung zum Wohnsitz und Erklärung zum KV-Verhältnis) ausgefüllt werden (persönliche Daten, insbesondere der CNP, der aus der Decizie zur Gewährung der Leistung zu entnehmen ist, sowie die Angaben zum Wohnsitz)

b) und ein Antrag auf Befreiung gestellt wird, wobei das Kästchen („solicit… exceptarea de la plata contribuţiei… ) angekreuzt und der Nachweis über die Krankenversicherung beigefügt wird. Als Nachweis reicht eine Kopie der Krankenversicherungskarte.

Der Antrag kann auch per E-Mail gesendet werden, wobei aber auf eine Eingangsbestätigung zu achten ist. Texte in deutscher Sprache oder Mitgliedsbescheinigungen der Krankenversicherung in deutscher Sprache werden NICHT beachtet. Hier müsste eine beglaubigte Übersetzung ins Rumänische beigefügt werden. Ausreichend ist hingegen nach bisheriger Erfahrung die Beifügung einer Kopie der Mitgliedskarte der Krankenkasse.

Rechtliche Unklarheit bei Entschädigungszahlungen

Nach Auffassung einiger Behörden ist die oben geschilderte Befreiungsregelung für Bezieher von Entschädigungszahlungen mit Wohnsitz und Krankenversicherung im Ausland nicht anwendbar. Das würde bedeuten, dass unabhängig vom Wohnsitz und einer bestehenden Krankenversicherung im Ausland immer ein 10%-Anteil zur rumänischen Krankenversicherung abgezogen wird. Begründet wird diese Meinung damit, dass die Befreiungsmöglichkeit sich nur aus Anwendung der EU-Verordnung 883/2004 ergeben würde. Diese Verordnung enthalte aber in Art. 3 eine Anwendungsregelung, die zwar Rentenzahlungen einbeziehen würde, aber in Art 3 Abs. 5 b die Anwendbarkeit für Entschädigungszahlungen ausdrücklich ausschließen würde (…). Deswegen sei von jeder Entschädigungszahlung – unabhängig vom Wohnsitz und dort bestehender Krankenversicherung – ein Beitrag von 10% zur Finanzierung einer rumänischen Krankenversicherung abzuziehen.

Ich halte diese Rechtsauslegung für zu restriktiv und damit für unzutreffend. Die Regelungen der EU-VO 883/2004 haben einen anderen Zweck. Sie dienen einer Koordinierung der Sozialversicherung in der EU. In Art. 3 Abs. 1 a ist das System der Krankenversicherung ausdrücklich genannt. Damit muss Rumänien eine in Deutschland bestehende Krankenversicherung anerkennen und verliert damit das Recht, zusätzlich zu dem nach EU-Recht anzuerkennenden Krankenversicherungssystem einen fiktiven und damit willkürlichen Abzug für ein rumänisches System, welches überhaupt nicht genutzt werden kann, einzuführen. Ein solcher Abzug stellt sich als reine Finanzierungssteuer dar, die aber gemäß Art. 7 Abs. 2 Dekret 119/1990 ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis empfehle ich Betroffenen, auch im Falle der Entschädigungszahlungen die Erklärung mit dem Befreiungsantrag einzureichen und bei Aufrechterhalten des Abzuges einen Widerspruch bei der Behörde einzulegen, die eine Kürzung der Leistungen durchgeführt hat.

Dr. Bernd Fabritius, Rechtsanwalt, München

Download (jeweils in zwei Varianten: als pdf- und Word-Datei):

Anlage 1 des Formulars (Erklärung zum Krankenversicherungs-Verhältnis), das für den Befreiungsantrag ausgefüllt werden muss (pdf-Datei)

Anlage 1 des Formulars (Erklärung zum Krankenversicherungs-Verhältnis), das für den Befreiungsantrag ausgefüllt werden muss (Word-Datei)

Anlage 2 des Formulars (Erklärung zum Wohnsitz), das für den Befreiungsantrag ausgefüllt werden muss (pdf-Datei)

Anlage 2 des Formulars (Erklärung zum Wohnsitz), das für den Befreiungsantrag ausgefüllt werden muss (Word-Datei)

Schlagwörter: Rechtsfragen, Entschädigungszahlung, Rente, Bernd Fabritius

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