13. Mai 2023

Felldorf – ein zukunftsfähiges Dorf unter den Schätzen der Vergangenheit

Die Studentin Vivien Beatrix Béres und der Mathematiker Dr. Mihály Bencze, Vertreter der ungarischen Schriftstellergilde, besuchten im Sommer 2022 das kleine Grenzdorf Felldorf und veröffentlichten ihre Eindrücke in der ungarischen Zeitung NEPUSAG. Die Neu-Felldorfer Anna Huber und Georg Fritsch, die beide nicht im Schatten der landschaftsprägenden Kirchenburg aufgewachsen sind, spielen in der Ortsentwicklung eine wichtige Rolle und möchten diese Entwicklung auch unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft nicht vorenthalten.
Die Kirchenburg Felldorf und ein Teil ihrer ...
Die Kirchenburg Felldorf und ein Teil ihrer „Retter und Erhalter“. Collage: Michael Roth
Da mich der Blick von Nichtsachsen auf unser siebenbürgisch-sächsisches Kulturerbe ganz besonders interessiert, unterstütze ich meine „Kirchenburgenfreunde“ mit großer Freude und versuche, die wichtigsten Aussagen des Artikels mit ins Deutsche übersetzten Zitaten aus dem Artikel in NEPUSAG zu untermauern. Mit dem Ersten Weltkrieg und Problemen im wirtschaftlich wichtigen Weinbau begann eine ethnische Umwälzung und damit der Anfang von Ende einer vormals sächsischen Dorfgemeinschaft.

„Vor dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1910, betrug die Einwohnerzahl 582, von denen 521 Deutsche, 44 Rumänen und 17 Ungarn waren. Da auch damals die Reblaus sich auf den Weinstöcken ausgebreitet hat und schlechte Ernteeinträge das Leben im Dorf dramatisch verändert hatten, wandert bereits einige Dorfbewohner nach Übersee aus. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs verließen viele von ihnen das Dorf, fast nur Frauen und Kinder und ältere Dorfbewohner blieben zurück, viele starben entweder an der Front oder gerieten in Gefangenschaft.“

Der Zweite Weltkrieg markiert den zweiten und entscheidenden Meilenstein der Verabschiedung der Siebenbürger Sachsen aus ihrem Felldorf.

„Am 8. September 1944 zwang die deutsche Wehrmacht die Sachsen, das Dorf innerhalb von zwei Stunden zu verlassen, da die rote Armee bereits weit in dieses Gebiet vorgedrungen war. Es blieben nur die Alten und diejenigen, die nicht fliehen konnten, zurück. Sie wurden nach Sächsisch-Regen (rumänisch: Reghin) gebracht und in zwei Züge verfrachtet. Ein Zug fuhr nach Schlesien, und der andere nach Österreich. Die Flüchtlinge aus Schlesien wurden später nach Felldorf zurückgeschickt, aber da ihre eigenen Häuser von den Rumänen besetzt waren, mussten sie in sogenannte Sommerküchen oder andere Notbehausungen umziehen. Die Lage für die Rückkehrer war dramatisch. In den 1960er Jahren gelang es ihnen, ihre enteigneten Häuser zurückzuerobern. Die Rumänen, die damals auszogen, durften sich aufgrund der politischen Lage alles nehmen, was sie wollten, was zur Folge hatte, dass sie zerstörte und geplünderte Häuser zurückließen. Einige Sachsen aus Fületelke kamen in russischer Gefangenschaft oder in die Deportation in die Sowjetunion. Diejenigen, die den Zug nach Österreich bestiegen hatten, mussten jahrelang ohne Staatsbürgerschaft leben, durften nicht arbeiten, und viele von ihnen wanderten in die Vereinigten Staaten aus. Diejenigen, die in Österreich blieben, erhielten erst nach langer Zeit die österreichische Staatsbürgerschaft und waren somit gezwungen, dort ihr ‚eigenes Dorf‘ zu gründen.“

„Georg Fritsch, ein wichtiger Bewahrer des Gedächtnisses des Dorfes, war auf der Suche nach seinen Wurzeln! Seine Eltern stammten aus der österreichischen Emigrantenlinie in der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee/Rosenau. Georg besuchte das Heimatdorf seiner Ahnen zum ersten Mal als Kind im Jahr 1974. Er erzählte mir viele interessante Dinge über seinen Besuch, denn er war überrascht von der Lebensweise im Dorf zu dieser Zeit. Sein zweiter Besuch fand 2011 statt, als er als Erwachsener kam und sich viel mehr für das Dorf und seine Herkunft interessierte. Als er den Zustand seines Dorfes sah, beschloss er zu versuchen, dem Dorf zu helfen. Von 2011 bis zur Pandemie kam er jeden August. Er sammelte Spendengelder, förderte das Dorf und gründete zusammen mit dem Restaurator Lòrànd Kiss das Phoenix-Projekt. Dieses Projekt, benannt nach dem Phönix-Vogel, der aus der Asche aufstieg, entwickelte sich in den laufenden Jahren zu einem Musterbeispiel in ganz Siebenbürgen. Sie glauben, dass das Dorf und seine Kirchenburganlage wie der Vogel wieder auferstehen wird! Gemeinsam mit dem Arcus-Verein aus Târgu Mureş (Neumarkt) wurden kontinuierlich Notinterventionen, Sanierungsarbeiten, Aufbau und Instandhaltungsarbeiten an der gesamten Kirchenburganlage durchgeführt. Auch der frühere Prinz Charles III. von Wales (jetzt König von England) unterstützte gemeinsam mit der Ambulanţa Pentru Monumenta den ‚Wiederaufbau der Felldorfer Kirchenburg‘. Aufgrund seiner siebenbürgischen Abstammung besucht er das Szeklerland häufig. Zur Überraschung der Dorfbewohner kam im Juni 2019 Charles III in das Dorf und besucht die Kirchenburganlage (Privatbesuch). Er spendete einen Beitrag, der für einen Kurs am Wiederaufbau von historischen Wehrmauern (Bering) auf der Friedhofsseite der Kirchenburg beitrug.“

Im heutigen Bewusstsein der „neuen“ Dorfgemeinschaft stellt das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe ein wichtiges Puzzleteil dar und wehrt sich damit gegen das Vergessen.

„Im vergangenen Sommer 2021 nahm Anna Huber an einem Ausgrabungsprogramm teil, das der Verein Kulturerbe Kirchenburgen in Schmiegen organisierte. Während dieser Woche dort traf sie eines der bereits erwähnten Teammitglieder, Georg Fritsch. Durch diese Bekanntschaft kam Anna zu Felldorf. Sie war neugierig auf die Häuser, die zum Verkauf standen, und Elek führte sie gerne durch das Dorf. Anna wählte ein Haus mit dem am besten erhaltenen sächsischen Charakter aus und kaufte es im Herbst 2021. Das Besondere an der Geschichte ist, dass sie ursprünglich nur ein Haus kaufen wollte, aber jetzt stellt sich heraus, dass sie für einen längeren Zeitraum hierbleiben möchte. Weil sie das Dorf so sehr liebt, beschloss sie mitzuhelfen, es wieder zum Leben zu erwecken!

Elek erwähnte, dass auch ein gemeinnütziger Verein durch die entstandene Dorfgemeinschaft gegründet worden sei. Ihre Netzwerkgemeinschaft heißt Asociaţia pentru Filitelnic. Sie halten die Dorffriedhöfe in Ordnung, reinigen Gräber, mähen die Vegetation vor den Toren und reparieren Häuser. In diesem Jahr konnten sie mit Hilfe der Gemeinde Balavár auch ein Bestattungshaus bauen, das am 8. September dieses Jahres eingeweiht wurde. Neben der evangelischen Kirche befindet sich die rumänisch-orthodoxe Kirche, die 1997 gegründet und 2001 eingeweiht wurde. Die konfessionelle Verteilung der Bevölkerung ist überwiegend rumänisch-orthodox und ungarisch-reformiert. Elek organisiert die lutherische Kirche als Burghüter seit fast sieben Jahren kontinuierlich. Ihm zufolge gab es vor der Pandemie einige interessierte Besucher, vor allem aus dem Raum Bukarest, denen er auch die Sehenswürdigkeiten des Dorfes zeigte. Wie die oben erwähnten Zuschüsse zeigen, haben die Schönheit Siebenbürgens und der Charme des sächsischen Dorfes viele fasziniert. Mehrere Leute fragten auch nach Pensionen und Restaurants in der Gegend, aber Fületelke hat bisher keine solchen Einrichtungen.“

Die Schlusswörter von Vivien Beatrix Béres und Dr. Mihály Bencze bedürfen keiner Ergänzung: „Obwohl die sächsische und ungarische Bevölkerung von Felldorf im Laufe der Jahre geschrumpft ist, sind die heutigen Einwohner entschlossen, das kulturelle Erbe vor Ort zu bewahren, indem sie ihre Zeit und ihre freien Tage opfern, und darauf aufbauen, damit es auch in Zukunft bestehen bleibt.“

Hans Reinerth

Schlagwörter: Felldorf, Siebenbürgen, Kulturerbe

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