25. Oktober 2023

50-jähriges Jubiläum des ersten Jahrgangs der Hermannstädter Fakultät für Philologie und Geschichte

Gleich auf der ersten Seite der Hermannstädter Zeitung vom 20. Juni 1969 wurde eine Nachricht veröffentlicht, die dazumal sicher für viele Hermannstädter überraschend war. „Am vergangenen Wochenende gab das Rektorat der Klausenburger Universität ,Babeş-Bolyai‘ bekannt, dass im Herbst dieses Jahres in Hermannstadt eine Fakultät mit zwei Abteilungen gegründet wird. Damit geht ein allgemeiner Wunsch der Hermannstädter in Erfüllung. Die neue Fakultät mit zwei Abteilungen: Geschichte und Philologie (Hauptfach: Deutsche Sprache und Literatur; Nebenfach: Rumänische Sprache und Literatur) wird der Klausenburger Universität angegliedert und im Gebäude des jetzigen Lyzeums Nr. 3 untergebracht.“
Die Absolventen des ersten Jahrgangs der ...
Die Absolventen des ersten Jahrgangs der Hermannstädter Fakultät für Philologie und Geschichte trafen sich in Bad Wimpfen.
Gemeint ist damit die ehemalige rumänische Mädchenschule „Domniţa Ileana“, heute noch Sitz der Universität „Lucian Blaga“. Zugleich versprach der Rektor, Prof. Ştefan Pascu, das Rektorat werde „der neuen Fakultät Hochschulprofessoren mit hoher wissenschaftlicher und pädagogischer Ausbildung sichern“. Drei Wochen später, in der Ausgabe vom 11. Juli 1969, druckte dieselbe Zeitung ein Gespräch mit Michael Markel, zu der Zeit Assistent an der Klausenburger Universität, ab. Markel berichtete, dass Klausenburg an die Hermannstädter Fakultät Doubletten von Fachbüchern abtreten werde und dass die Tendenz bestehe, „sich vom Überblicksvortrag auf Spezialvorlesungen zu verlegen“. Auch spätere Studenten kommen in diesem Beitrag zu Wort, etwa Liane Plaier aus Zeiden, die sagte: „Dass man in Hermannstadt auf Schritt und Tritt Deutsch sprechen und hören kann, ist für viele Studenten von Vorteil.“

Fünfzig Jahre nach Abschluss hatten die Studenten des ersten Jahrgangs der Philologie-Fakultät für den 22. September in Bad Wimpfen ein Wiedersehen geplant. Zum Treffen kamen ehemalige Kommilitonen mit ihren Ehegatten und Ehegattinnen oder auch einzeln.

Konrad Arz fuhr im Frühjahr dieses Jahres zusammen mit der Ehefrau eines Kommilitonen nach Hermannstadt und drehte dort einen Film über die Zeit des Studiums und die Stadt, damals und heute. Jeder Teilnehmer erhielt als Geschenk davon einen Abzug. Die beiden waren es auch, die den Verlauf des Treffens planten und den organisatorischen Rahmen setzten. Am Vormittag des zweiten Tages beteiligten sich alle an einer Führung durch die ehemalige Reichsstadt Wimpfen, am Nachmittag stellte die Leiterin des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim, Dr. Irmgard Sedler, dieses vor. Besonders interessant war für alle der kulturgeschichtliche Teil des Museums sowie auch die unlängst fertiggestellte Pinakothek mit Werken siebenbürgischer Maler.

Am Abend dann gab es die lang erwartete Filmvorführung und anschließend Gespräche. Angereist war auch die ehemalige Sekretärin der Fakultät, Dietlinde Obermeyer, von allen liebevoll Linde genannt, die über Ereignisse berichtete, die sich nach dem Abgang des ersten Jahrganges ereignet hatten. In einer kurzen Ansprache erinnerte einer der Kollegen an die gemeinsame Zeit während des Studiums. Alle kamen 1969 noch sehr jung und unerfahren an die Hochschule, kaum einer hatte eine Vorstellung davon, wie er sein zukünftiges Leben gestalten wollte, aber allmählich wuchsen die Einzelnen zu einem Ganzen zusammen und dies unter dem Einfluss unserer Lehrer. Besonders Georg Scherg hat uns geprägt. Es war nicht nur die deutsche Literatur, an die er seine Zöglinge behutsam heranführte, sondern auch die vielen Ratschläge, die uns als Lehrer und Menschen prägten. „Man soll seinen Ohren nie trauen, noch weniger denen anderer“, das war einer seiner Lieblingssprüche. Schergs Verweise auf unser Leben im Kommunismus kamen oft pointiert und eingekleidet in Redewendungen und Gleichnisse herüber. Mit dem oft ausgesprochenen Wunsch, „Frucht zu tragen und Zins zu bringen“ in Hinblick auf ein sinnvolles Leben auch nach dem Studium, beschwor unser geliebter Professor das Sinnstiftende unserer kommenden Lebensaufgabe, ob nun auf eine wissenschaftliche oder pädagogische Tätigkeit seiner Studierenden zielend. „Die Achtung vor dem geschriebenen Wort muss sich insoweit in Grenzen halten, als dieses immer auch kritisch überprüft werden muss“, so sein Fazit im Kontext der politischen Gegebenheiten während unserer Studienzeit.

In der Erinnerung derer, die in Bad Wimpfen nach einem halben Jahrhundert zusammengefunden hatten, wurden auch das Einstudieren und Aufführen von Theaterstücken sowie die Literaturabende an der Universität heraufbeschworen, das gesamte kulturelle Leben in den Freiräumen, die einem ein Germanistikstudium in kommunistischer Gesellschaft gestattete.

An wichtige Persönlichkeiten im Bereich Germanistik – Literatur, Grammatik wie auch Sprachgeschichte – wurde erinnert, etwa an Mihai Isbăşescu, den berühmten Bukarester Lexikographen, an Emilia St. Milicescu, die Enkelin von Barbu Stefănescu-Delavrancea, die uns die rumänische Literatur auf unnachahmliche Weise nahebrachte, oder Stefan Bitan, ein exzellenter Kenner der Weltliteratur. Viele andere Lehrerpersönlichkeiten setzten die Weichen für eine humanistische Bildung und pädagogische Ausbildung für unseren späteren Beruf als Deutschlehrer. Die Namen der zwischenzeitlich gestorbenen Professoren und Kollegen wurden genannt und ihrer gedacht.

Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit, dieses wussten und wissen wir alle. Die ursprünglich geplanten und gradlinig aufwärtsstrebenden Lebensentwürfe wurden schließlich durch die politischen Ereignisse in Rumänien unterbrochen, bei vielen gekrümmt, aber nie geknickt. Durch die Auswanderung nach Deutschland mussten beinahe alle ihren weiteren Lebensweg neu planen. Der eine arbeitete weiter als Lehrer, der andere ließ sich umschulen, aber nicht entmutigen. Letztlich zeigte es sich bei all den zum Jubiläum Erschienenen, dass Professor Georg Schergs sinnstiftender Wunsch in Bezug auf die Lebensleistung seiner ehemaligen Studenten sich bei allen erfüllt hatte.

Natürlich waren die verflossenen Jahre das Hauptgesprächsthema, vor allem die vier zusammen verbrachten Jahre und die Tätigkeit als Deutschlehrer an diversen Schulen Rumäniens. Unisono war man der Meinung, dass auch diese Erfahrungen in einem kommunistischen Schulsystem prägend gewesen sind und unsere gediegene germanistische Ausbildung in Hermannstadt auch im späteren Leben in Deutschland für jeden Einzelnen Richt- und Wertmaß blieben.

Fünfzig Jahre nach dem Hochschulabschluss, so glauben viele Jüngere, sei die Lebensplanung abgeschlossen. Das Gegenteil ist der Fall. Man berichtete, was man noch alles vorhabe und noch schaffen wolle. Was eine Sternstunde der Erinnerung war, soll zu einem nächsten Treffen in fünf Jahren motivieren.

Werner Sedler

Schlagwörter: Hochschule, Hermannstadt, Treffen

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