1. Juli 2004

Jaader unterwegs im Nösnerland

Warum begeben sich – diesmal – Nordsiebenbürger auf eine zehntägige Reise nach Hause, nach Jaad, nach Bistritz, ins Nösnerland? Weil Anfang Juni die Natur so einladend ist? Oder weil die Gastfreundschaft unserer rumänischen Nachfolger in unseren siebenbürgischen Heimatorten sprichwörtlich ist?
Wollten wir unsere einstmals vertrauten Häuser und Gärten, Kirchen und Friedhöfe, Berge und Täler wiedersehen? Oder war es der Reiz des typisch Rumänischen bei der Stana? Die Schafe? Der Senner? Der Käse? Die Hunde? Oder das im Kessel gedämpfte Lammfleisch? Könnte es das Bezaubernde des wilden Rittersporns gewesen sein, des roten Mohns, des Hahnenfußes, des Jasmins, der blühenden Akazien, der Holunderblüten, der rosa leuchtenden Heckenrosen, der Lichtnelke, des wilden Thymians, des Natternkopfes, der Königskerzen und Lupinien, der Mädisüß ...?

Und unsere evangelischen Kirchen? Wie trafen wir sie an? Leben sie? Verfallen sie, wie etwa in Senndorf, in Jakobsdorf, in Kyrieleis, in Wermesch? Oder blühen sie als orthodoxe Gotteshäuser, wie beispielsweise in Mettersdorf, Tschippendorf, Kleinbistritz, Burghalle, Petersdorf, Oberneudorf, Passbusch, Schönbirk, Sankt-Georgen, Baierdorf, Heidendorf, Billak oder Deutsch-Budak? Oder gehen sie – wie in Jaad oder Tekendorf – einer ungewissen Zukunft entgegen? Übrigens: Ist ein orthodoxer Ikonostas mit einem evangelischen Altar vereinbar?

Wie war es mit dem Hören und Mitsingen etwa von schwermütigen, den Seelenschmerz ans Tageslicht befördernden rumänischen Romanzen im Hotel „Coroana de Aur“? Was lief im Jaader Gemeindesaal ab, als es hieß: „De Pfingsten la Livezile“ und zig deutsche und rumänische Folkloregruppen einen unglaublichen Musik- und Tanzwirbel veranstalteten? Wie verlief der Kommunalwahlkampf in Rumänien? Oder der tiefgründige Gottesdienst im Jaader Gotteshaus mit Pfarrer Krauss? Und wie ist das herzhafte Lachen der bettelnden Zigeunerkinder in Rodna einzuschätzen?

Orthodoxe Kirche in Jaad im Juni 2004. Foto: Horst Göbbel
Orthodoxe Kirche in Jaad im Juni 2004. Foto: Horst Göbbel

Sind wir uns wieder einmal unserer gemeinsamen Herkunft und Sozialisierung in der nordsiebenbürgischen Welt Nachkriegsrumäniens bewusst geworden? Hat uns zumindest für einige Tage und Nächte unsere einmalige Vergangenheit mit (sprachlich, kulturell, politisch) ungewöhnlichen nordsiebenbürgisch-rumänischen Erfahrungen eingeholt? Welche Rolle spielte dabei die Erinnerung der vor 60 Jahren erfolgten Evakuierung bzw. Flucht der Nordsiebenbürger Sachsen 1944? Und die der Nachkriegszeit? Die des engen Nebeneinander- und Zusammenlebens mit den Rumänen? Haben wir, unserem Gemüt entsprechend, wieder intensiv Gemeinschaft erlebt? Wurde unsere Seele auf eine harte Probe gestellt? Hat sie diese Probe bestanden? - Danke Gritti, danke Herr Schmidt, danke, liebe Teilnehmer.

P.S. Haben Sie schon die unlängst fachmännisch restaurierte wertvolle gotische Kirche aus Treppen in Augenschein genommen? Nein, anders: Haben Sie schon davon erfahren, dass es in Treppen, nordwestlich von Bistritz, ein prächtig restauriertes gotisches Kleinod gibt?

Horst Göbbel

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