3. August 2005

"Große Herausforderung der Innenpolitik"

"Die großartige Pflege der deutschen Kultur, der alten Trachten und Tänze ist eine der großen Herausforderungen der deutschen Innenpolitik", erklärte Bayern Innenminister Dr. Günther Beckstein am 23. Juli beim "Fest unter der Eiche", in Nürnberg. Der traditionelle Schirmherr dieser zentralen Veranstaltung des "Hauses der Heimat" forderte dazu auf, diese Kulturpflege in ganz Europa voranzubringen. "Es gehört zu meinem festen sommerlichen Repertoire, am Sommerfest des Hauses der Heimat teilzunehmen", sagte der CSU-Politiker. In seinem viel beachteten Grußwort würdigte er die vielseitigen Aktivitäten des Hauses.
Vom Arbeitskreis Kultur, geleitet von unserem Landsmann und BdV-Kreisvorsitzenden Werner Henning, bestens organisiert, bot die Veranstaltung von Gaumenfreuden bis hin zum gesprochenen Wort viel und vielerlei. Die einführenden Worte sprach Horst Göbbel, Vorsitzender des Hauses der Heimat und stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen der siebenbürgischen Landsmannschaft. In den Mittelpunkt seiner Ansprache setzte er das Wort "Vertrauen, die Vokabel dieses Sommers", ein Stichwort, das seit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai die politische Diskussion im Lande beherrsche. Göbbel verwies auf eine Umfrage des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts, wonach die Deutschen den Institutionen nur geringes Vertrauen entgegenbringen. Nur sechs Prozent der Befragten haben Vertrauen in die Arbeitsämter, 10 Prozent in die Parteien, 12 Prozent in die Rentenversicherung, 15 % in die Bundesregierung, 19 % in den Bundestag und ebenfalls 19 % in die Gewerkschaften. Nur die Polizei (73 %), der Bundespräsident (70 %), das Bundesverfassungsgericht (66 %) und unsere Universitäten (63 %) genießen sehr viel Vertrauen.

Der bayerische Innenminister, Dr. Günther Beckstein, bei seiner Ansprache in Nürnberg. Foto: Doris Hutter
Der bayerische Innenminister, Dr. Günther Beckstein, bei seiner Ansprache in Nürnberg. Foto: Doris Hutter

Ausgehend von der Ansprache des Bundespräsidenten Horst Köhler, der am 21. Juli den 15. Deutschen Bundestag aufgelöst und Neuwahlen für den 18. September angesetzt hatte, behauptete Göbbel, dass unser Land, unser Volk an einem Wendepunkt stehe, ähnlich wie 1945 am Kriegsende. Damals, im November 1945, hatte Karl Jaspers, einer der großen deutschen Philosophen, nach einer knappen Bestandsaufnahme ("Wir haben fast alles verloren. Staat, Wirtschaft, die gesicherten Bedingungen unseres physischen Daseins, und schlimmer noch als das: die gültigen uns alle verbindenden Normen, die moralische Würde, das einigende Selbstbewußtsein als Volk.") fast trotzig festgestellt: "Haben wir wirklich alles verloren? Nein, wir Überlebenden sind noch da. Wohl haben wir keinen Besitz, auf dem wir ausruhen können, auch keinen Erinnerungsbesitz; wohl sind wir preisgegeben im Äußersten; doch dass wir am Leben sind, soll einen Sinn haben. Vor dem Nichts raffen wir uns auf."

"Das haben die Deutschen ab 1945 getan, das haben insbesondere die hart getroffenen deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen getan", sagte Göbbel. "Und Bewundernswertes geleistet. Ihr Selbstbewusstsein, ihr Vertrauen in ihre Zukunft war ungebrochen." Ein solches Vertrauen, ein solches Selbstbewusstsein, ein solcher Glaube an sich selber sei auch heute notwendig. "Wir brauchen wieder Mut, um das, was wir nach wie vor können - nämlich fleißig und kreativ sein - wieder in die Tat umzusetzen. Wie vor 60 Jahren!" Dazu gehöre die Bereitschaft, neben dem Privaten auch das Öffentliche, die Gemeinschaft im Blickfeld zu haben, so wie Albert Einstein 1949 treffend formulierte: "Der Mensch kann in seinem kurzen und gefahrenreichen Leben einen Sinn nur finden, wenn er sich dem Dienst an der Gesellschaft widmet." Dies geschehe tagein tagaus in unseren landsmannschaftlichen Vereinen, in unseren Heimatortsgemeinschaften, auch im Haus der Heimat, einer Stätte, an der und in der wir dazu beitragen, mehr Selbstbewusstsein, Kreativität, Vertrauen zu fördern, ein Haus der Begegnung, der Beratung, ein Haus mit Perspektiven - auch in diesen schwierigen Zeiten.

Der Staatssekretär im Kultusministerium, Karl Freller (CSU), erinnerte daran, dass dieses Fest unter der Eiche "bescheiden begann und daraus ist ein richtiges großes Fest geworden, das zum Festkalender der Stadt Nürnberg gehört." Er zitierte auch Karl Jaspers mit seiner treffenden Aussage: "Heimat ist da, wo ich verstehe und verstanden werde." Das Haus der Heimat sei ein solcher Ort, in der Kinder, Jugendliche unsere Hoffnungsträger seien. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Gloser wehrte sich gegen den Vergleich zwischen 1945 und 2005, gab zu, dass "wir Deutsche in die Depression verliebt seien", betonte aber auch, dass "wir in Deutschland viel erreicht haben" und die Integration gelungen sei. Durch die Erweiterung der Europäischen Union seien Aussiedler als Kulturpfleger und loyale Bürger geradezu prädestiniert, ihre natürliche Brückenfunktion zum Osten Europas wahrzunehmen. Besonders aufmerksam registrierte er auch den Beitrag unserer Frauen und meinte damit nicht nur den wohlschmeckenden Kuchen. Die Rolle der Aussiedler als Brückenbrauer sprach auch die CSU-Bundestagsabgeordnete Renate Blank, seit Jahren treue Begleiterin der Aussiedler, an. Sie würdigte die ehrenamtliche Arbeit der Siebenbürger Sachsen. "Die große Kinderzahl der Aussiedler, ihre Kultur hat uns bereichert", war ihr Fazit, bevor sie uns alle aufrief, am 18. September zur Wahl zu gehen. Bürgermeister Horst Förther (SPD) brachte seine Freude über die anwesende Jugend ("Kinder als Kulturvermittler") über die gut integrierten Aussiedler mit ihren besonderen Stärken und über die sich nach Osten erweiternde Europäische Union zum Ausdruck. "Hier im Haus der Heimat sind Bürger für Bürger tätig, hier in Nürnberg, das näher ins Zentrum Europas rückt."

CSU-Generalsekretär Dr. Markus Söder, Mitglied der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, griff das Wort Vertrauen auf und betonte, dass Vertrauen wahrscheinlich das schwierigste und zugleich das wichtigste Gut einer lebendigen Demokratie sei. Ohne Vertrauen in die Zukunft hätten die Vertriebenen und Aussiedler, als sie nach Deutschland kamen, nie und nimmer die große Aufbauleistung geschafft. "Deswegen bin ich so ein großer Fan, ein Bewunderer und Freund der Vertriebenen und Aussiedler, weil dieses Vertrauen, das sie in sich hatten, das sie unserem Land gegeben haben, das dazu geführt hat, dass sie und dieses Land eine Zukunft haben, dieses Vertrauen, das brauchen wir auch jetzt für die Zukunft." Söder mahnte uns, selber anzufangen, Vertrauen zu verbreiten. "Ich jedenfalls", rief er den Anwesenden zu, "habe großes Vertrauen in die Kraft Deutschlands, ich habe Vertrauen zu Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur durch die Kraft, die Sie haben, sondern auch durch die Herzlichkeit und die Wärme, die uns immer wieder hier begegnet. Dieses Vertrauen ist die beste Basis für die Zukunft unseres Landes."

Viele ehrenamtliche Helfer hatten schon am Vormittag die vier Zelte auf dem Gelände des HdH aufgebaut und gegen Mittag trafen rund 30 ehrenamtlich gebackene Kuchen ein, die von der Siebenbürgerin Annemarie Wagner und ihren Helferinnen allesamt an die zahlreichen Gäste verkauft wurden. In der Küche gab es stündlich einen Wechsel von Helfern aus zehn Vereinen, so dass die Gemeinschaftsarbeit für das Fest nicht einseitig belastete. Zu den angekündigten Gaumenfreuden gewerblicher Anbieter gehörten u.a. Spezialitäten aus Rumänien, wie z.B. "Mici". Der Getränkeausschank wurde wieder hervorragend von der Landsmannschaft der Banater Schwaben betreut. Im Haus gab es eine landsmannschaftlich übergreifende Ausstellung: "Jugend malt" (Leitung. Klaus Kutscha, Oberschlesien), in der viele kleine Kunstwerke ausgestellt und nachher die Künstler mit Urkunden bedacht wurden. Sehr engagiert war dabei die Familie Schakel, wo Vater, Sohn und Tochter in der Heimatstube der Oberschlesier ausstellten und auch die Urkunden schrieben. Den Bücherflohmarkt betreute die HdH-Bibliothekarin Josefine Engel, und für Musik zwischen den Grußworten und sonstigen Darbietungen sorgte die Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg e.V. unter der Leitung von Michael Bielz und Richard Taub. Unter der Eiche tummelte sich die Jugend: Unter fachlicher Anleitung gab es eine "Kreativecke" für Kinder und Jugendliche, organisiert von der Sathmarer Schwäbin Ingrid Mecker und ihrer Schwester. Durch das Programm führte Helmine Buchsbaum, Stadträtin und Vorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Nürnberg.

Besonders erfreulich waren die Beiträge der Kinder und Jugendlichen, die auch vom Aussiedlerbeauftragten der Stadt Nürnberg, Wolfgang Lang, von einer Riege Stadträtinnen und Stadträten und dem gut gelaunten Publikum bestaunt wurden: Die Kindertrachtengruppe der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen, (Leitung: Annette Folkendt) tanzte u.a. den Bändertanz. Die Trachten der auftretenden Kinder kommen aus Weißkirch, Elisabethstadt, Tartlau, Reps, Petersdorf, Arbegen, Neudorf bei Schäßburg, Mortesdorf, Bußd, Großpold, Paßbusch und Rode. Ebenso erfreuten mit ihren flotten Tänzen die Kindertanzgruppe "Tintenklecks & Tausendfüßler" (Leitung Nadja Gubar) und die Jugendtanzgruppe (Leitung: Franz Hof) sowie der russlanddeutsche Kinderchor. Die Chorgemeinschaft Bürgerverein Langwasser, die Mitglied im "Haus der Heimat ist", sang vier gesellige Lieder, darunter sehr passend auch "Ach du klarblauer Himmel". Beim gemütlichen Teil des Festes wurde zu den Klängen der fleißigen Bläser natürlich wieder getanzt. Da das Wetter vom Schirmherrn Beckstein auf Schön eingeschworen worden war, konnten die Zelte am Abend trocken von den Helfern eingefahren werden. Allen Aktiven und allen Helfern auf diesem Weg noch mal ein herzliches Dankeschön.

Doris Hutter/Horst Göbbel

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2005, Seite 3)

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