18. Oktober 2005

Laientheater für Siebenbürger, Schwaben und Alemannen

"Das Laientheater in den Kreisgruppen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen" - mit diesem Thema befassten sich am 24. und 25. September auf Einladung des Kulturreferates der Landesgruppe Baden-Württemberg die Kulturreferenten der Kreisgruppen, Theatergruppenleiter bzw. deren Stellvertreter im wunderschönen mittelalterlichen Rottweil, der jung gebliebenen, ältesten Stadt Baden-Württembergs.
14 siebenbürgische und vier "einheimische" Teilnehmer konnte der Kulturreferent des Landes Baden-Württemberg, Siegfried Habicher, am Samstagmorgen im altehrwürdigen Konvikt begrüßen. Nach der Einführung in das Thema der Tagung stellten die Kulturreferenten und Theatergruppenleiter ihre Arbeit an der Basis in den einzelnen Kreisgruppen vor. Schwerpunkte der sich schon während dieser Vorstellungsrunde ergebenden Diskussion waren die unterschiedliche Ausrichtung der Laienensembles auf Mundarttheater oder Boulevardkomödie, die Problematik der Auswahl spielbarer Stücke, aber auch die Zielgruppen, die man mit der ehrenamtlichen Arbeit der vielen enthusiastischen Mitwirkenden erreichen will. Gestreift wurden natürlich auch andere Möglichkeiten der kulturellen Breitenarbeit und Breitenwirkung, nämlich die Arbeit mit Musikkapellen, Tanzgruppen und Chören. Schon während dieser ersten Runde zeichnete sich klar ab, dass die Qualität einer Darbietung entscheidend dazu beiträgt, das Publikum zu fesseln und "bei der Stange" zu halten. Es wurde auch klar, dass die Veranstaltungen aufeinander abgestimmt werden müssen. Erfreulich festzustellen war es obendrein, dass sich während der letzten Jahre zu den bereits erfolgreichen bis sehr erfolgreichen Theaterensembles aus Bietigheim-Bissingen, Esslingen, Heilbronn, Öhringen, Rottweil oder Stuttgart zumindest zwei neue Theatergruppen aus Crailsheim und Heidenheim gesellt hatten. Nach dieser ersten lebhaften Diskussion wurden die Teilnehmer mit der "Theaterprobe live" einer Schülergruppe des Albertus Magnus Gymnasiums aus Rottweil unter der Leitung der Regisseurin, ihrer Lehrerin Traute Habicher, belohnt. Es war faszinierend zu erleben, wie diese jungen Menschen, die zudem noch im Lernstress des Abschlussjahres stehen, sich mit voller Begeisterung an die Bewältigung des Shakespeare-Stückes "Romeo und Julia" in der englischen Originalfassung gewagt haben. Sie erlebten ihren ersten und mehr als wohlverdienten Applaus für ihre hervorragende bisherige Arbeit.

Die Tagungsteilnehmer folgen Traute Habichers Ausführungen sehr aufmerksam. Foto: Edith Schuller
Die Tagungsteilnehmer folgen Traute Habichers Ausführungen sehr aufmerksam. Foto: Edith Schuller

Nach dem Bezug der Unterkünfte in zwei einfachen, aber freundlichen Gasthäusern im mittelalterlichen Teil von Rottweil ging es am Nachmittag mit einer Programm-Änderung weiter. Wegen krankheitsbedingter Absage entfiel ein Programmpunkt, doch Hannes Höchsmann, Schauspieler und Regisseur an der Badischen Landesbühne Bruchsal, sprang dafür ein. Von der Bühne des Konvikt-Festsaales aus erheiterte er sein Publikum mit sehr gekonnt vorgetragenen Auszügen aus seiner Heinz-Erhard-Show. Die Kunst und der Spielwitz des Vortragenden, gepaart mit dem unnachahmlichen Sprachwitz des Humoristen Erhard, bereiteten den Teilnehmern viel Vergnügen.

Dramatische Borchert-Text interpretiert

Es folgte dann die praktische Anwendung des Gesehenen, Gehörten und bislang Erörterten. Unter der fachkundigen Leitung des stellvertretenden Landesvorsitzenden Siegfried Habicher und des Regisseurs Hannes Höchsmann erarbeitete sich die Gruppe eine Interpretation der Kurzgeschichte "Nachts schlafen die Ratten doch" von Wolfgang Borchert mit dem Ziel, sie in eine spielbare Szene umzuwandeln. Dabei wurde der Text von drei Tagungsteilnehmern - nach Rollen verteilt - vorgetragen. Erika Wagner gab Borchert, Gernot Wagner den alten Mann und Alfred Deptner den neunjährigen Jürgen. Daran schloss sich eine lebhaft geführte Diskussion an, die noch einmal verdeutlichte, welch dramatische Dichte und Spannung in dem kurzen literarischen Text steckt und welch eindringliche Wirkung damit erzielt werden kann. Zum Abschluss des ersten Tages besuchten die Teilnehmer eine Lesung des Schriftstellers Dr. Lodemann im Rahmen des Deutsch-Schweizer Autorentreffens, das auch an diesem Wochenende in Rottweil stattfand. Dr. Lodemann las aus seinem neuesten Epos, das sich der Sagenwelt des Nibelungenliedes aus einer ganz ungewohnten Perspektive nähert. Anschließend ließ man den Abend gemütlich ausklingen.

Am Sonntag wurde die Tagung mit einem Erfahrungsaustausch fortgesetzt, in dessen Rahmen Hannes Höchsmann aus seinem reichen Erfahrungsschatz berichtete. Nach vielen Jahren erfolgreicher schauspielerischer Tätigkeit an siebenbürgischen, baden-württembergischen sowie anderen Bühnen konnte er wertvolle Anregungen, Kniffe und Tipps für die Arbeit in den Laienschauspielgruppen weitergeben. Er hob vor allem die Wichtigkeit der Leseproben für ein Laientheater hervor, da eine gute Kenntnis, eine Verinnerlichung des Textes eines Stückes wesentlich zum Erfolg bei der Umsetzung auf der Bühne beiträgt. Er riet auch, die Darsteller nicht zu überfordern und sie dem Charakter der Personen entsprechend zu besetzen. Natürlich gehöre auch viel Lob während der Probenarbeit dazu.

Um einige Erfahrungen und Anregungen reicher trennten sich die Tagungsteilnehmer vor und nach dem letzten Höhepunkt der Tagung, einer Matinee mit Kurzbeiträgen aller zehn Autoren, die zum Teil für einen humorvoll bis musikalisch erheiternden Ausklang des Deutsch-Schweizer Treffens wie des Kulturreferentenseminars sorgten. Alles in allem war das Wochenende, nicht zuletzt dank der guten Organisation durch den Tagungsleiter Siegfried Habicher und die gastgebende Kreisgruppe Rottweil/Schwarzwald-Baar, für alle Beteiligten ein voller Erfolg.

Alfred Horst Deptner

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