13. Juli 2015

Evangelische Kirche in Girelsau mit neuem Dach

Ein ehrgeiziges Projekt wurde in Girelsau (Stadt Freck/Avrig) umgesetzt. Was kaum noch jemand für möglich hielt, ist nun dort zu bewundern. Die evangelische Kirche – es ist die älteste von vier Kirchen im Ort – erscheint in neuem Glanz.
Überrascht von diesem Unternehmen sind auch die dort lebenden Rumänen und Roma, die in drei Konfessionen aufgeteilt sind und über eigene Gotteshäuser verfügen: die mit Rom unierte, Griechisch-Katholische Kirchengemeinde mit der zweitältesten Kirche am Ort, die junge Baptistische Gemeinde, die erst nach 1990 ihre Kirche baute, und die Rumänisch-orthodoxe Gemeinde, die ihre eigene Kirche im byzantinischen Stil gerade fertiggestellt hat, nachdem sie jahrelang ihre Gottesdienste in der Griechisch-Katholischen Kirche feierte. Dank Pfarrer i.R. Gerhard Kenst hat die 1633 gebaute evangelische Kirche mit ihrem älteren Turm (wohl 15. Jahrhundert) in Girels­au nun ein neues Dach bekommen. So ist die Feuchtigkeit von oben vorläufig gebannt.

Die sächsische Tradition in Girelsau ist über die Jahrhunderte seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts in Urkunden belegt. Als feneufolva (Tannendorf) und insula gerhardi taucht der Ort in einigen noch erhaltenen Urkunden auf. Ein Grafengeschlecht (comes de insula gerhardi) ist im 14. und 15. Jahrhundert schriftlich belegt. Die rumänische Bezeichnung Brad(u) taucht erst im 18. Jahrhundert in Urkunden auf und dürfte wohl mit der systematischen Ansiedlung rumänischer Familien im Dorf zusammenhängen als Folge der so genannten „josephinischen Reformen“ (ab 1783). Danach ist erst ein organisiertes Dorfleben der Rumänen (Kirche, Schule u.a.) in Girelsau schriftlich erwähnt.
Evangelische Kirche in Girelsau während der ...
Evangelische Kirche in Girelsau während der Renovierung Anfang Juni 2015.
Der Ort am Alt hat in der Folgezeit eine bewegte Geschichte, die vorläufig nur punktuell dokumentiert ist. Da auch die meisten Häuser der Sachsen mittlerweile umgebaut wurden, zeugen nur noch die Kirche mit Pfarrhaus sowie die ehemalige Schule und der Friedhof im Ortskern von der jahrhundertalten Geschichte der Sachsen in Girelsau. Schule und Pfarrhaus sind in privater Hand und historisch getreu restauriert worden.

Die neu eingedeckte Kirche wäre ein angebrachter Ort, die Geschichte der Sachsen mit noch vorhandenen Dokumenten und historischen Objekten wie Fahnen und Paramenten lebendig in Erinnerung zu halten. So könnten die Nachfahren der ausgewanderten Sachsen als Touristen einen Blick in die bewegte Vergangenheit ihrer Vorfahren werfen.

Das teure Unternehmen wurde durch den Erlös aus dem Verkauf der ehemaligen sächsischen Schule in Girelsau ermöglicht, den Pfarrer i.R. Kenst eingeleitet und trotz großer Widerstände durchgeführt hat. Das Ergebnis ist äußerst positiv, wenn man bedenkt, dass ohne die neue Bedachung der schnelle Verfall der Kirche unumgänglich gewesen wäre.
Die Kirche in Girelsau mit neuem Dach und neuer ...
Die Kirche in Girelsau mit neuem Dach und neuer Verkleidung des oberen Turmgeschosses und restauriertem Zifferblatt am 17. Juni 2015. Fotos: Michael Weber
Über Jahre wurde das marode Kirchendach von Frau und Herrn Spack notdürftig mit Ersatzziegeln geflickt. Leider war es dem letzten Kurator Michael Spack nicht mehr vergönnt, die mit hellen Dachziegeln (Biberschwanz) neu eingedeckte Kirche zu sehen. Es war immer sein inniger Wunsch, dass „unsere Kirche“ erhalten bleibt.

Sicher taucht in solchen Zusammenhängen immer die berechtigte Frage auf, ob ein solches Unternehmen Sinn macht, nachdem die Sachsen ausgewandert sind. Anderseits spricht alles dafür, die Geschichte eines Ortes zu bewahren, die seit dem 13. Jahrhundert bis 1990 von Sachsen bestimmt und mitbestimmt wurde. Auch der Ort Girelsau ist mit seiner Geschichte ein Teil der europäischen Geschichte. Das hängt auch damit zusammen, dass der aktuelle Präsident Rumäniens, Klaus Johannis, seine mütterlichen Wurzeln in Girelsau hat. Dies wird auch in seinem autobiografischen Buch erwähnt, das in mehrere Sprachen übersetzt werden soll. Er selbst wird wohl im Herbst d.J. Girelsau besuchen. Die evangelische Kirche und der Friedhof sollen auf seinem Besuchsplan stehen. Einige Medienvertreter haben sich schon im Vorfeld in Girelsau nach der Geschichte der Sachsen dort erkundigt. Noch mehr Medienvertreter werden ihn bei seinem Besuch in Girelsau begleiten. Dass dafür die neu gedeckte Kirche und der gut erhaltene Friedhof als Denkmäler eine gute Kulisse bieten, ist Pfarrer i.R. Gerhard Kenst und anderen Privatpersonen zu verdanken. Ihnen allen sei ganz herzlich gedankt.

Michael Weber

Schlagwörter: Girelsau, Kirche, Renovierung

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