9. November 2021

"Länderübergreifende Netzwerke der Siebenbürger Sachsen": HOG-Tagung in Bad Kissingen

Nach einem Jahr Zwangspause trafen sich vom 29. bis 31. Oktober 2021 in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen die Vorsitzenden und Vertreter der Heimatortsgemeinschaften zur Fachtagung „Länderübergreifende Netzwerke der Siebenbürger Sachsen“. Die Tagung wurde veranstaltet von der Akademie Mitteleuropa e. V. in Zusammenarbeit mit dem Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften e.V. und dankeswerterweise gefördert vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Gruppenbild mit den Teilnehmern der HOG ...
Gruppenbild mit den Teilnehmern der HOG-Fachtagung 2021 in Bad Kissingen. Foto: Heike Mai-Lehni
Die Vorsitzende des HOG-Verbands, Ilse Welther, begrüßte am Freitagabend die knapp 100 Teilnehmer und brachte ihre Freude über das persönliche Wiedersehen zum Ausdruck. Nach seinem abendlichen Rundgang im Badkommissar-Kostüm hieß Gustav Binder, Studienleiter am Heiligenhof, die Anwesenden willkommen. Die Vorstellungsrunde brachte es zum Vorschein: überraschend viele junge Leute waren das erste Mal dabei, so auch Ludwig Beeg, ein echter Münchner ohne siebenbürgische Wurzeln, der durch seine Liebe zu Siebenbürgen den Vorsitz der HOG Dobring übernommen hat.

Das gewählte Motto „Länderübergreifende Netzwerke der Siebenbürger Sachsen“ zog sich wie ein roter Faden durch die spannenden Vorträge seitens der Referenten aus dem In- und Ausland. Am Freitag nahm uns Dagmar Baatz (Bietigheim-Bissigen), Vorsitzende der HOG Großau, zum 31. Sachsentreffen im September 2021 in ihrem Heimatort mit. In einem kurzen Film konnten wir einen Blick hinter die Kulissen werfen und die vielen fleißigen Mitwirkenden kennenlernen, die zum guten Gelingen des Festes beigetragen haben. Anschließend wurden Ausschnitte vom Sachsentreffen aus der „Akzente“-Sendung des Rumänischen Fernsehens TVR von Christel Unger-Topescu (Bukarest) gezeigt. Beeindruckende Landschaften Siebenbürgens und unzählige Kirchenburgen hat Eduard Schneider (Mühlbach) in seinem Film „Das ist Siebenbürgen“ eingefangen. Es folgten nicht enden wollende Gespräche in Kleingruppen und ein reger Austausch über Heimatblätter, CDs und diverse Publikationen betreffend die siebenbürgische Kulturlandschaft.

Der Samstag begann mit einer Morgenandacht von Pfarrer Hans Schneider, der uns auf den Weg gab, einfühlsam und achtsam miteinander umzugehen. Er betonte, der Leitsatz: „Ist es wahr? Ist es nötig? Tut es gut?“ könne hilfreich sein. Er wies auf das Hilfskomitee, die heutige Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger und Banater im Diakonischen Werk, hin. Für die Tagungs- und Begegnungsstätte „Haus Lukas“ in Sajtoskál bei Bad Bük in Ungarn ist Pfarrer Schneider Ansprechpartner.

Zum Thema „Ein Sozialprojekt von Forum und Kirche“ sprach Martin Bottesch, Vorsitzender des Siebenbürgenforums. Das Deutsche Forum hat auf Initiative von Heinz Hermann, Vorsitzender der HOG Heltau, in Kooperation mit der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, ein Diakonie-Konzept entwickelt, um alten und kranken Menschen zu helfen. Aufgabe einer beim Forum eingerichteten Referentenstelle ist es, Hilfsbedürftige aufzusuchen, um vor Ort Hilfe anzubieten. Diesen Dienst gibt es vorerst im Raum Hermannstadt, er soll aber flächendeckend ausgebreitet werden. Für den „Siebenbürgischen Kultursommer“ vom 23. Juli bis 15. August 2022 können sich Interessierte bis März 2022 anmelden.

„Es tut gut, wieder zu Hause zu sein!“ – Freudig begrüßte Friedrich Gunesch (Hermannstadt), Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), alle Zuhörer vom Rednerpult aus. „Novellierung der Kirchenordnung der EKR – Zwischen Hoffnung und Resignation?“ sein Thema. Die aktuelle Kirchenordnung wurde 1997 von der 62. Landeskirchenversammlung der EKR verabschiedet. Nachdem sich 2010 das Konzept einer „Kirche im Wandel“ angebahnt hatte, wurde in der EKR im November 2013 das Strategiekonzept „Zukunft Kirche“ beschlossen. Das Landeskonsistorium wurde im Juni 2018 beauftragt, die Kirchenordnung zu novellieren, schon wegen der bereits herausgegebenen geänderten Wahlvorschrift der EKR. Diese neue Wahlordnung ist dermaßen detailliert geregelt, dass sie in manchen Kirchengemeinden, nicht angewendet werden kann. Da kam aber die Pandemie dazwischen, so dass sich hauptsächlich Dr. Stefan Cosoroaba, als Moderator der Arbeitsgruppe für kirchliche Ordnung und Strukturfragen, in Kooperation mit dem Präsidium und der Kanzlei des Landeskonsistoriums, damit beschäftigen konnte. Es musste vorab geklärt werden, ob es eine offene Kirchenordnung, d.h. eine Rahmensatzung, oder etwa eine detaillierte, sozusagen eine kasuistische Ordnung sein soll. Es wurden viele Meinungen eingeholt, die zum Teil kontrovers waren. Daraufhin wurde im November 2020 der Beschluss gefasst, dass es eine offene sein soll. Für die Sitzung des Landeskonsistoriums im Juni 2021 wurde die bisherige Tätigkeit der Arbeitsgruppe zusammengefasst, verbunden mit der Frage nach der Arbeitsweise des Landeskonsistoriums zu diesem Thema. Sowohl die Arbeitsgemeinschaft als auch der Bischof und Hauptanwalt kamen zur Erkenntnis, „dass eine abschnittsweise Durcharbeitung der Vorlagen durch das Landeskonsistorium prinzipiell wie praktisch nicht durchführbar ist“. Nun soll das Landeskonsistorium über den Entwurf der Arbeitsgruppe zur Novellierung der Kirchenordnung beraten und entscheiden.

Friedrich Gunesch bat abschließend um „Ihre Fragen zu den aufgeworfenen Fragen. Denn wenn alles Leben Begegnung ist, so muss auch eine Kirchenordnung das Leben und die Begegnung von Menschen ermöglichen. Wenn eine Kirchenordnung das Mit-, Zu- und Füreinander ermöglicht, bleibt die Resignation zurück und die Hoffnung gesellt sich zum Glauben und zur Liebe.“ Eine heftige Diskussion löste der Punkt „Mitgliedschaft“ aus, wobei es noch Klärungsbedarf gibt.
Der neue Vorstand des HOG-Verbands, von links ...
Der neue Vorstand des HOG-Verbands, von links nach rechts, vordere Reihe: Hermine-Sofia Untch, Ilse Welther (Vorsitzende) und Sunnhild Walzer; hintere Reihe: Dr. Horst Müller und Thomas Schneider. Foto: Udo Buhn
Die Frage „… und, wie geht es weiter?“ hatte Benjamin Józsa (Hermannstadt) für den Titel seines Referates gewählt. Er unterbreitete uns Gedanken zur Zukunft der Deutschen aus Rumänien, welche ihm, als Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, am Herzen liegt. „Es wird nie eine starke Minderheit geben, ohne eine starke und selbstbewusste Selbstvertretung, die weiß wohin sie hin will“, begann er seinen Vortrag. Seiner Meinung nach solle das Forum eine zeitgemäße Politik führen, ohne dabei den wohlverdienten Ruf als konstruktiver Gesprächspartner aufzugeben. Es solle sozusagen als Zünglein an der Waage fungieren. „Das Forum ist nur stark mit starken Partnern an seiner Seite.“ Einen besonderen Stellenwert für das Forum hätten der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland bzw. der Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften. Egal wohin es die Siebenbürger in die Welt verschlagen hat, ihr Herz ist in der alten Heimat geblieben, stellte Benjamin Józsa fest.

Das materielle Kulturerbe sollte für die Zukunft erhalten bleiben. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass dies möglich ist, auch wenn es manchmal Rückschläge gibt. Das immaterielle Kulturgut ist dafür stärker in Gefahr, verloren zu gehen. Der siebenbürgisch-sächsische Dialekt wird in Siebenbürgen immer seltener gesprochen, viele unserer Bräuche sind kaum noch anzutreffen, die Weise, diese Bräuche in die Zukunft zu führen, muss noch gefunden werden. In den Schulen nehmen mehrheitlich rumänische Schüler am deutschsprachigen Unterricht teil. „Wir haben schon Generationen von Architekten, Ärzten, Richtern und Ingenieuren, die Absolventen der Brukenthalschule, der Honterusschule oder der Bergschule sind. Diesen Generationen muss unser Augenmerk ebenfalls gelten, da unsere Themen mittlerweile auch schon die ihren sind“, so der Referent. Des Weiteren gilt es, den Mangel an Lehrern und Schulbüchern zu beseitigen. Bereits vor Jahren hat das Forum die Stelle eines Schulbuchreferenten geschaffen. So konnten mit Hilfe von Dr. Renate Klein 35 neue Bücher erscheinen und andere überarbeitet werden.

Ein weiterer Punkt war die Jugendstrategie. Durch die große Mobilität und Vernetzung mit der ganzen Welt, wandern die gut ausgebildeten jungen Leute aus. Die Antwort auf die Frage, ob die deutsche Minderheit in Rumänien eine Zukunft hat, beantwortete Benjamin Józsa so: „Mehr denn je. Mit einer Bedingung allerdings…Eine Zukunft ist erst gesichert, wenn alle an einem Strang ziehen. Idealerweise in die gleiche Richtung.“

Udo Buhn (Geretsried) zeigte eine Präsentation über den Arbeitscamp, der im August dieses Jahres in Zeiden stattfand. Gemäß dem Motto „Mit Gott wollen wir Taten tun“ (Inschrift im Inneren der Kirche) machten sich die Helfer an die Arbeit. Gleichzeitig wurden bewegliche Kulturgüter inventarisiert, Messgewänder und eine Fahne von 1852, sowie weitere gespendete Bilder des Malers Eduard Morres.

„Das Alzner Kirchenburgprojekt, ein Anfang“, das Hans Tekeser (Grafenau) vorstellte, war weniger erfreulich. Nachdem ab 2004 kontinuierlich Renovierungsarbeiten an der Kirche vorgenommen worden waren, gab es im November 2020 einen herben Rückschlag mit dem Einsturz des Gewölbes über dem Mittelschiff. Dabei wurden die aus dem Jahr 1770 stammende Johannes-Hahn-Orgel sowie die Kirchenbänke und Teile der Empore beschädigt. Die Alzner lassen sich aber nicht entmutigen und wollen das Gewölbe in der Kirche wieder herstellen und alle Schäden beseitigen.

Thomas Schneider, Vorsitzender der HOG Holzmengen, berichtete kurz über den Arbeitseinsatz seiner Landsleute in Holzmengen. Michael Folberth Regional- Gruppensprecher Repser und Fogarascher Land, berichtete über das Projekt „Erhaltung Kulturerbe Kirchenburgen in Siebenbürgen“.

Schließen möchte ich diesen Tagungsbericht mit einem Statement von Stefan Foof (Ostfildern): „Als in Siebenbürgen geborener, aber in Deutschland aufgewachsener Siebenbürger Sachse war es sehr interessant, erstmals an so einer Fachtagung teilzunehmen. Als Jugendvertreter der HOG Nußbach waren mir die Strukturen und Abläufe zwar geläufig, jedoch wurde mir darüber hinaus bei der Tagung klar, wie sehr die einzelnen HOGs und Regionalgruppen miteinander und auch in Siebenbürgen selbst noch vernetzt sind. Gerne werde ich an der nächsten Tagung teilnehmen, hoffentlich auch mit tatkräftiger Unterstützung anderer Jugendvertreter und Interessenten meines Alters.“

Neuer Vorstand des HOG-Verbands gewählt

Am Rande der Fachtagung fand die Mitgliederversammlung des HOG-Verbands mit Neuwahlen statt. Als Vorsitzende stellten sich Hans Gärtner, ehemaliger Vorsitzender (2013-2017), und die seit 2017 amtierende Vorsitzende Ilse Welther zur Wahl. Die Auswertung der Stimmzettel 25 zu 45 bestätigte Ilse Welther (Felmern) in ihrem Amt, ebenso wurden Dr. Horst Müller (Kronstadt) als stellvertretender Vorsitzender und Sunnhild Walzer (Bulkesch) als Geschäftsführerin wiedergewählt. Neu in den Vorstand kommen Thomas Schneider (Holzmengen) als stellvertretender Vorsitzender und Hermine-Sofia Untch (Braller) als Schriftführerin hinzu. In ihrem Amt bestätigt wurden auch die beiden Kassenprüfer Peter Doniga und Klaus Foof.

„So viele Informationen und so wenig Schlaf“, hörte ich Ursula Theiss beim Abschied sagen. Ja, es war ein sehr interessantes Wochenende, vor allem war es das erste seit langer Zeit, an dem wir uns wieder persönlich treffen konnten. Wir haben tiefe Einblicke in die Arbeit unserer Partnerorganisationen bekommen, wir haben viel gesungen mit Günther Schmidts und Thomas Schneider, wir konnten den Burzenländer „Fleken“ genießen, aber vor allem konnten wir unsere siebenbürgische Gemeinschaft ausleben. Ich freue mich auf die nächste Tagung, die vom 28.-30. Oktober 2022 wieder im Heiligenhof geplant ist.

Ingeborg Binder



Link:

Hier geht es zur Bildergalerie der HOG-Fachtagagung 2021 in Bad Kissingen

Schlagwörter: HOG-Verband, Tagung, Bad Kissingen, EKR, Neuwahlen

Bewerten:

40 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.