26. Mai 2006

Burzenländer auf neuen Wegen in der alten Heimat

Die Nachbarschaften und Heimatortsgemeinschaften des Burzenlandes hielten ihre diesjährige Arbeitstagung nicht wie bisher an einem Wochenende in der Nähe von Crailsheim ab, sondern führten vom 6. bis 13. Mai 2006 einen intensiven Erfahrungsaustausch mit den Landsleuten im Burzenland durch. Hierzu hatte im letzten Jahr Pfarrer Klaus Daniel, damaliger Dechant des Kronstädter Kirchenbezirkes, eingeladen. Die Reise der Burzenländer in die alte Heimat wurde von Bischof D. Dr. Christoph Klein als „einzigartig“ bezeichnet.
Die Vertreter der Regionalgruppe Burzenland im Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften konnten mit dieser Tagung neue Wege gehen und die Lage in den Heimatgemeinden selbst beurteilen. Von allen Regionalgruppen ist die der Burzenländer die aktivste und kompakteste. Das liegt sicher auch an der Sonderstellung, die das Burzenland in Siebenbürgen in geographischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht früher einnahm.

Die Verteter der Burzenländer Heimatortsgemeinschaften beim Treffen mit Bischof Christoph Klein (4. von rechts) in Wolkendorf. In der ersten Reihe, jeweils von rechts: Altdechant Klaus Daniel (Zweiter), Dechant Christian Plajer (Fünfter) und Regionalsprecher Volkmar Kraus (Sechster). Foto: Heike Mai-Lehni
Die Verteter der Burzenländer Heimatortsgemeinschaften beim Treffen mit Bischof Christoph Klein (4. von rechts) in Wolkendorf. In der ersten Reihe, jeweils von rechts: Altdechant Klaus Daniel (Zweiter), Dechant Christian Plajer (Fünfter) und Regionalsprecher Volkmar Kraus (Sechster). Foto: Heike Mai-Lehni

Rund 50 Personen waren mit einem Bus der Drabenderhöher Firma Schinker eine Woche im Burzenland unterwegs, wobei erfreulicherweise alle Burzenländer Ortschaften vertreten waren. Die Stadt Kronstadt selbst war durch die HOG Bartholomä sowie die „Neue Kronstädter Zeitung“ an der Reise beteiligt. Der bekannte Regisseur Günter Czernetzky hat die ganze Reise auf Filmmaterial gebannt, mehrere Veranstaltungen wurden auch von einem Kamerateam der deutschen Sendung des Rumänischen Fernsehens gefilmt.

Der neue Dechant des Kronstädter Kirchenbezirks, Stadtpfarrer Dr. Christian Plajer, hieß die Gäste im sonntäglichen Gottesdienst am 7. Mai in der Schwarzen Kirche in Kronstadt willkommen. Thomas Șindilariu, Archivar der Honterusgemeinde, wies anschließend auf den Zustand der Gemeinderachive hin, die fachmännisch untergebracht oder in die bestehenden Sammelstellen der Landeskirche überführt werden sollten.

In den Mittelpunkt ihrer Reise stellten die HOG-Vertreter den Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit den Kuratoren und anderen Vertretern der Kirchengemeinden. Eine gemeinsame Tagung fand am 8. Mai im Gemeinschaftsraum des Altenheims Blumenau in Kronstadt statt. Volkmar Kraus, Sprecher der HOG-Regionalgruppe Burzenland, begrüßte die zahlreichen Teilnehmer und Ehrengäste. Den Gruß des Bundesvorstandes der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und dessen Bundesvorsitzenden Dipl. Ing. Arch. Volker Dürr überbrachte der stellvertretende Bundesvorsitzende Rainer Lehni. Dieser hob die Notwendigkeit einer ertragreichen Zusammenarbeit zwischen Heimatortsgemeinschaften und Landsmannschaft hervor, dessen sich beide Verbände heute sehr bewusst sind. Harald Janesch überbrachte Grüße seitens des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben und würdigte die gute Kooperation mit der evangelischen Landeskirche in Rumänien. Der stellvertretende Vorsitzende des HOG-Verbandes, Karl-Heinz Brenndörfer, wies dieser Tagung einen Modellcharakter für den gesamten Verband zu. Altdechant Klaus Daniel dankte den Heimatortsgemeinschaften für ihre vorbildliche Arbeit in Deutschland und Unterstützung der im Burzenland verbliebenen Landsleute. Aus den Berichten der HOG-Vertreter ging hervor, dass die Heimatortsgemeinschaften alle sehr gut organisiert seien, regelmäßige Treffen abhalten und alle einen Heimatbrief herausgeben. Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit ist die Unterstützung der Landsleute in der alten Heimat. Diese Hilfen gehen von Geld- und Paketspenden an Bedürftige, Alte und Kranke, über die Unterstützung von Essen auf Rädern bis hin zur Friedhofspflege oder Kirchenrenovierung.

Die Kirchengemeinden seien für diese Unterstützung sehr dankbar, wie die Kuratoren feststellten. Die Seelenzahl der Kirchengemeinden ist sehr unterschiedlich. Während die Kronstädter Honterusgemeinde über 1 000 Seelen zählt, Zeiden rund 450, gibt es Gemeinden wie Rothbach und Marienburg mit weniger als 50 Seelen. Je kleiner die Gemeinden, desto schwieriger ist es, das Gemeinschaftsleben fortzuführen und die kirchlichen Führungsämter zu besetzen. Eine regelmäßige Jugendarbeit ist, bis auf Kronstadt und Zeiden, nicht vorhanden. Die Dorfgemeinden sind zum Großteil überaltert: Wie die Zukunft mancher dieser Gemeinden aussehen wird, ist heute sehr ungewiss.

Des Weiteren wurde der Zustand der Kirchen und Kirchenburgen, der Pfarrhäuser sowie Friedhöfe angesprochen. Der bauliche Zustand der Kirchen ist sehr unterschiedlich, Musterbeispiele sind die restaurierten Kirchenburgen in Tartlau, Wolkendorf oder Honigberg. Sind die meisten Kirchen in einem relativ guten Zustand, kann man das von der Kirche in Rothbach nicht sagen. Bedingt durch den Transitverkehr auf der Durchgangsstraße Kronstadt - Schäßburg, die direkt an der Kirchenburg vorbeiführt, droht der Kirchturm auf die Kirche zu stürzen. Die Konsolidierungskosten sind ernorm und können weder von der Kirche noch von der HOG bezahlt werden. Das rumänische Denkmalamt wurde bereits eingeschaltet. Probleme gibt es auch mit manchen Kirchenorgeln und Kirchturmuhren, Letztere sollen von einer Fachkraft der Reihe nach untersucht werden.

Die Kirchengemeinden im Burzenland, wie in Siebenbürgen überhaupt, stehen heute vor einer völlig neuen Situation, nachdem sie die Rückgabe des nach dem Zweiten Weltkrieg enteigneten gemeinschaftlichen Eigentums beim Staat beantragt haben. Wald-, Wiesen- und Ackerflächen wurden bereits teilweise an die Gemeinden erstattet, die restlichen Flächen sollen auch in Kürze folgen. Hinzu kommt die angestrebte oder bereits erfolgte Rückführung von Schulgebäuden, Kindergärten oder wirtschaftlichen Gebäuden in Kirchenbesitz. Die Eigentumsrückgabe läuft allerdings nicht überall reibungslos ab, viel hängt vom guten Willen der politischen Gemeinden ab. Hinsichtlich der Verwaltung und Veräußerung von erstattetem Eigentum regten die örtlichen Presbyterien mehr Transparenz und ihre Einbindung in diese Vorgänge an.

Die Zusammenarbeit zwischen den Sachsen in Deutschland und im Burzenland funktioniert gut, war die einhellige Meinung. Der Informations- und Erfahrungsaustausch in Kronstadt war ein Gewinn für beide Seiten, und man lernte die Probleme über den Tellerrand der eigenen Heimatgemeinde hinaus kennen. Es bleibt zu hoffen, dass sich daraus künftig Synergieeffekte ergeben. Zum Abschluss der Tagung führte Ortwin Hellmann, der Vorsitzende des Blumenau-Vereins, durch die Räume des Altenheims, das sich in der letzten Ausbauphase befindet.

Die nächsten Tage waren der Besichtigung aller Burzenländer Ortschaften gewidmet. Schirkanyen wurde schon auf der Hinfahrt besucht, in der Reihenfolge der Besichtigungen folgten: Wolkendorf, Neustadt, Rosenau, Tartlau, Petersberg, Nußbach, Rothbach, Marienburg, Brenndorf, Honigberg, Bartholomä, Heldsdorf, Weidenbach und Zeiden. Herzlich war der Empfang in allen Gemeinden, die Besucher wurden mit Kaffee und Kuchen oder einem Gläschen Wein begrüßt. Zu Ehren der Kriegsgefallenen und Deportationsopfer sowie zum Gedenken aller Verstorbenen legte die HOG-Regionalgruppe Burzenland einen Kranz mir blau-roter Schleife nieder. In allen Orten wurden die Kirchen und Kirchenburgen sowie die Friedhöfe besucht, so dass man sich ein Bild vor Ort machen konnte. Dabei wurden auch die teils großen Unterschiede zwischen den jungen oder überalterten bzw. ärmeren und reicheren Gemeinden sichtbar.

In Rosenau wurden die neuen Räumlichkeiten der Saxonia-Stiftung besucht. Geschäftsführer Karl Arthur Ehrmann berichtete über die Arbeit der Stiftung, aber auch über die Probleme, die es noch im EU-Beitrittskandidaten Rumänien gibt. Sehr aufschlussreich war auch der Besuch der Honigberger Orgelwerkstatt, in der zurzeit die Orgel der Honigberger Kirche generalüberholt wird. Das gesellige Beisammensein kam auch nicht zu kurz: Gemeinsame Abendessen in Honigberg und Zeiden sowie ein Empfang beim Bürgermeister von Petersberg bildeten den Ausklang der teils anstrengenden Besichtigungstage. Den Sonntagabend verbrachte man in der „Villa Hermanni“ im Bergdorf Măgura unterhalb des Königsteins, wo der Wolkendorfer Hermann Kurmes eine neue Pension in idyllischer Lage eingerichtet hat.

Ein Höhepunkt der Reise war die Begegnung mit dem Bischof der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien, D. Dr. Christoph Klein, und mit den Pfarrern des Burzenlandes am 12. Mai im landeskirchlichen Erholungsheim in Wolkendorf. In einem sehr offenen Gespräch wurden mit der Kirchenleitung die Probleme der Kirchengemeinden erörtert. Bischof Klein dankte den Burzenländer HOGs für ihre Reise nach Siebenbürgen, die er als einzigartig bezeichnete. Ferner dankte er den Landsleuten in Deutschland für die Unterstützung in allen Bereichen. Er appellierte an die Solidarität innerhalb der Landeskirche, in der sich die Gemeinden auch untereinander helfen sollten. Informativ war auch der Austausch über die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kirchengemeinden, die sich durch die Eigentumsrückgabe ergeben.

Einen schönen Abschluss bildete am Tag der Heimfahrt die Ordination und Amtseinführung in Petersberg des neuen Pfarrers Dr. Peter Klein, der auch für Brenndorf und Honigberg zuständig ist. Regionalsprecher Volkmar Kraus gratulierte Pfarrer Klein und überreichte ihm einen Bildband über das Burzenland. Bischof D. Dr. Christoph Klein wurden vier von Edith Rothbächer aus Waldkraiburg hergestellte Burzenländer Trachtenpuppen übergeben, die von der Regionalgruppe Burzenland finanziert wurden und ihren Platz im landeskirchlichen Museum im Friedrich-Teutsch-Haus in Hermannstadt finden werden.

Ein herzlicher Dank geht an alle Teilnehmer dieser Reise für die Strapazen, die sie auf sich genommen haben. An die verschiedenen Organisatoren geht auch ein besonderer Dank, zu nennen wären Volkmar Kraus, Martin Brenndörfer, Harald Janesch und Klaus Guess. Altdechant Pfarrer Klaus Daniel sei gedankt für die Einladung ins Burzenland sowie seiner Gattin, Ute Daniel, und ihrem Team für die vorzügliche Betreuung im landeskirchlichen Erholungsheim in Wolkendorf.

Rainer Lehni

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2006, Seite 4)

Schlagwörter: Tagungen, Burzenland

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