13. Januar 2012

Die kulturelle Bedeutung Siebenbürgens erkannt und vermehrt: Zum Tod von Rolf-Dieter Happe

Eine Reise nach Katzendorf im Jahr 1996 hat das Leben des Nichtsiebenbürgers Rolf-Dieter Happe grundlegend geändert. Er war enttäuscht, dass sich niemand verantwortlich fühlte für das siebenbürgisch-sächsische Kulturgut, das dem Verfall preisgegeben war, und bäumte sich dagegen auf. Binnen kurzer Zeit wurde er zum Initiator und Mitbegründer des „Vereins zur Erhaltung und Pflege der Kirchenanlage in Katzendorf e.V.“ und Autor eines der besten Heimatbücher Siebenbürgens. Zudem schaffte er die juristischen Grundlagen für die strukturelle Öffnung des landsmannschaftlichen Verbandes und des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften. Happe ist nach einem bewegten Leben, geprägt von der Faszination für die Steppen Ostafrikas und Australiens und einem herausragendem Einsatz für die Siebenbürger Sachsen, an einem Herzleiden am 21. Dezember 2011 in Corrimal in Australien gestorben.
Rolf-Dieter Happe wurde am 28. Mai 1944 als einziges Kind von Margareta und Walter Happe in Balteratsried im bayerischen Allgäu geboren. Er vermisste im Elternhaus die nötige Geborgenheit und Sicherheit, lernte dafür aber schon in frühester Jugend auf eigenen Füßen zu stehen, sich durchzukämpfen und sich auf niemanden zu verlassen, im Gegenteil, zunächst einmal jedem und allem zu misstrauen. In Humanistischen Gymnasien in Kaufbeuren, Augsburg und Ansbach entwickelte sich Happes Vorliebe für Latein, Griechisch, Geschichte und Deutsch, er spielte mit großem Erfolg in Jazzclubs und diversen Bands, engagierte sich bei den Pfadfindern und in der christlichen Jugendarbeit. Gleich nach dem Abitur, 1964, begann er ein Studium der Theologie in Neuendettelsau, unterbrach es aber im zweiten Semester, nachdem seine Bewerbung für einen Auslandseinsatz angenommen worden war. Happe ließ sich von der Uni beurlauben und trat seinen Weg nach Tanzania in Ostafrika an. Der Einsatz war der amerikanischen Cross-roads-Bewegung nachempfunden. Bald danach übernahm Happe die Versorgung von sechs amerikanischen Missionsstationen mit einem uralten Lkw auf einer Strecke von 5 000 km quer durch die Steppe.

Wieder in Deutschland, arbeitete er mehrere Jahre als Taxifahrer, bevor er sich im Wintersemester 1968/69 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München für die Studienfächer Psychologie und Altphilologie einschrieb. Das Studium der Altphilologie brach er nach dem sechsten Semester ab und wechselte zu den Rechtswissenschaften. Nach zwölf Semestern bestand er das erste Staatsexamen als Jurist und nach zweieinhalb Jahren Referendarzeit das zweite Staatsexamen. Von 1975 bis 2004 war er als Rechtsanwalt in München und Ingolstadt tätig, die letzten Jahre auch als Geschäftsführer eines Ärztevereins in Ingolstadt.

Rolf-Dieter Happe, 2002 ...
Rolf-Dieter Happe, 2002
Von 1996 bis 2002 war er mit Adelheid Markus, einer Siebenbürger Sächsin, verheiratet. 2006 ehelichte er Zaneta, mit der er seither in Corrimal, 80 km südlich von Sydney, an der Südostküste Australiens lebte. Die wilde Landschaft, das „Outback“, faszinierte ihn und er erkundete es mir großer Leidenschaft in ausgiebigen Touren mit dem Jeep.

Siebenbürgen wurde indes Happes ideelle Heimat. Den Anstoß für seine intensive und vielseitige Beschäftigung mit Katzendorf und den Siebenbürger Sachsen gab seine Schwiegermuter, Anna Markus. Er erinnert sich: „Bei meiner ersten Fahrt nach Katzendorf im Jahr 1996 war ich maßlos enttäuscht, obwohl meine Schwiegermutter die Zustände schon ziemlich genau beschrieben hatte. Besonders der verwahrloste Eindruck, den die Kirchenburg machte, hat bei mir unwillkürlich die Frage aufgeworfen: Ist denn niemand da, der sich um die Kirchenburg kümmert und sie vor dem Verfall bewahrt?“

1997 gründete er mit Freunden den „Verein zur Erhaltung und Pflege der Kirchenanlage in Katzendorf“ und wurde dessen Schriftführer. Der Verein hat viel Anerkennenswertes zum Erhalt der Kirchenburg und der siebenbürgisch-sächsischen Kultur geleistet und veranstaltete 2001 und 2004 Heimattreffen in Katzendorf, die die Bindungen zur Heimat gefestigt haben.

Die Idee eines Heimatbuches reifte nach Begegnungen mit dem Kronstädter Archivar Gernot Nussbächer, der ihm Unterlagen von hohem Nutzen gab und die ungarische Nationalbibliothek als weitere Anlaufstelle benannte. Happe verbrachte mehrere Monate in Budapest, wo er jeden Morgen pünktlich in der Nationalbibliothek erschien, um die Bücher und Urkunden mit Bezug zu Katzendorf zu sichten. Der Autor betrieb intensives Quellenstudium, trug eine enorme Materialfülle zusammen, befragte Zeitzeugen, sammelte und machte Hunderte Fotos. Das Buch hat er selbst gedruckt und versandt. Anfang 2002 erschien die zweibändige Ortsmonographie „Katzendorf in Siebenbürgen“ mit insgesamt 992 Seiten. Happe lieferte damit eines der besten Heimatbücher Siebenbürgens und setzte neue Maßstäbe durch die Fülle an geschichtlichen Inhalten und deren anschauliche Präsentation. Der Autor spannte einen weiten Bogen von der Gründung Katzendorfs um das Jahr 1250 über Gemeinschaftseinrichtungen, Brauchtum und Alltagsleben bis hin zum Exodus nach 1990.

Der erfahrene Vereinsrechtler Happe hat sein Wissen ehrenamtlich für die Siebenbürger Sachsen eingebracht. Der Verbandstag der Landsmannschaft beschloss im Oktober 1999, prüfen zu lassen, ob Kreisgruppen als eingetragene Vereine nach der Satzung zugelassen werden könnten. Happe ging dieser Frage in einem Gutachten nach, das er kostenlos erstellte und auf einer Tagung der Kreisgruppenvorsitzenden am 15.-16. September 2001 in Otzenhausen vorlegte. Aus Happes Vortrag ging eindeutig hervor, dass die Gründung von eingetragenen Vereinen durch die Kreisgruppen auch aus Haftungsgründen durchaus anzuraten sei. Er zeigte den Weg hierzu auf: in Form von Zweigvereinen.

Satzungsfragen erörterte Happe in zahllosen Gesprächen mit Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff in München. Aus der engen Zusammenarbeit wuchs eine Freundschaft. Beide kamen, ebenso wie die landsmannschaftlichen Gremien, zu dem Ergebnis, die Satzung zu reformieren und am besten neuzufassen. Diese Ideen fanden innerhalb von nur sieben Jahren ihren Niederschlag in einer strukturellen Öffnung des Verbandes, wobei Happe als Mitglied des Satzungsausschusses entscheidende Hilfe leistete.

Happes Wirken kam auch dem Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften zugute. Die Neufassung der Satzung und der dazugehörigen Geschäfts-, Wahl-, Beitrags und Ehrenordnung, die die HOG-Vertreter auf ihrer Tagung 2005 in Bad Kissingen verabschiedeten, war sein Werk. Die Präambel des HOG-Verbandes verweist auf althergebrachte Ziele der Siebenbürger Sachsen, enthält aber auch das visionäre Ziel eines Zusammenschlusses aller siebenbürgisch-sächsischen Organisationen. Schon im April 2001 wurde Happe als Rechtsreferent in den Erweiterten Vorstand des HOG-Verbandes berufen und beriet zahlreiche Heimatortsgemeinschaften und half z.B. Baaßen, Bell, Bulkesch, Donnersmarkt, Henndorf und Mardisch, sich als eingetragene Vereine zu kons­tituieren.

Zwei weitere Wirkungsbereiche seien hier nur kurz erwähnt. Von November 2002 bis Januar 2004 war Happe Vorsitzender des neu gegründeten Fördervereins des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim. Von Oktober 2002 bis November 2006 wirkte er als erster Nichtsiebenbürger als Vorsitzender der Kreisgruppe München. Für seinen vielseitigen Einsatz wurde er im Jahr 2006 mit dem Goldenen Ehrenwappen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen ausgezeichnet.

Rolf-Dieter Happe hat die kulturelle Bedeutung Siebenbürgens erkannt und sich intensiv, oft bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten und darüber hinaus für die Siebenbürger Sachsen eingesetzt. Die menschlichen Begegnungen, vor allem jene in der Rokestuw in München, haben ihm Geborgenheit und Wärme vermittelt und wohl etwas von dem „zurückgegeben“, was er selbstlos für Siebenbürgen eingebracht hat. Mit ihm verlieren wir einen großen Freund und Förderer der Siebenbürger Sachsen.

Siegbert Bruss


Vorsitzender der Kreisgruppe München

Und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus, / Flog durch die stillen Lande, / Als flöge sie nach Haus. Diese Eichendoffschen Verse sind mir eingefallen, als ich die traurige Nachricht vom Tode Rolf-Dieter Happes erfahren habe. Der rastlos Suchende hat wohl seine Heimat und seine Ruhe gefunden. Die Nachricht von seinem Ableben im fernen Australien hat uns sehr bewegt. Zurück bleibt die Erinnerung an einen „Beute­sachsen“, wie er sich oft nannte, dem wir Siebenbürger Sachsen besonders in der Kreisgruppe München viel zu verdanken haben.

Rolf-Dieter Happe lernte durch die Heirat mit einer gebürtigen Katzendorferin und die Reisen deren Heimatort, Siebenbürgen und die Siebenbürger kennen. Fasziniert von der Geschichte dieses Landstrichs setzte er sich eingehend damit auseinander, was zu seinem besonderen Einsatz für Siebenbürgen führte. So brachte er sich in verschiedenen Gremien der Landsmannschaft und des HOG-Verbandes aktiv ein und gehörte dem Satzungsausschuss an, dessen Mitglieder eine Überarbeitung der Satzung unseres Verbandes vornehmen sollten, damit sie den Erfordernissen der heutigen Zeit angepasst und zukunftstauglich gemacht werden konnte. Wichtig war ihm dabei die Öffnung nach außen hin zu anderen Vereinen. 2002 war ein besonderes Jahr sowohl für Rolf-Dieter Happe als auch die Siebenbürger in München und Umgebung, wurde doch erstmals ein Nichtsiebenbürger an die Spitze unserer Kreisgruppe gewählt. Mit viel Enthusiasmus und persönlichem Einsatz widmete er sich diesem nicht leichten Amt, das ihm aber, wie er nach vier Jahren bilanzierend sagte, auch Kontakte und Freunde geschaffen habe. Happes Ziel war es, die verschiedenen Gruppierungen einander näher zu bringen. Seine wiederholten Besuche bei der Nachbarschaft Lohhof und der Kreisgruppe Erding (die unter seiner Hilfe aus der Taufe gehoben worden war), die Unterstützung der Jugendtanzgruppe und vor allem seine enge Verbindung zur Münchner Rokestuw geben beredtes Zeugnis seiner Bemühungen. Es ist Happe gelungen, die Jugendtanzgruppe München, die Nachbarschaften Lohhof und Garching, die Rokestuw und den Verband einander näher zu bringen. Er forderte bei vielen Gelegenheiten uns Siebenbürger Sachsen auf, die überlieferten grundlegenden Werte unserer Gemeinschaft und Kultur als Bereicherung und Anregung in einem wachsenden und vereinten Europa einzubringen. Trotz gravierender gesundheitlicher Probleme hat er sein Amt gut geführt. Für seinen vielseitigen Einsatz wurde Happe 2006 mit dem Goldenen Ehrenwappen des Verbands der Siebenbürger Sachsen geehrt.

Happe war ein begnadeter Redner. Unvergessen sind seine launigen Führungen durch die verschiedenen Veranstaltungen aber auch seine Berichte in der Siebenbürgischen Zeitung. Er war ein aufgeschlossener, kompetenter Zeitgenosse. Vielen werden die langen, tiefsinnigen und anregenden Gespräche mit ihm unvergessen bleiben. Auch wenn sein Lebensweg ihn und seine Frau Zaneta, die er 2006 heiratete, in das ferne Australien verschlagen hat, so ließ er die Verbindung zu den Siebenbürger Sachsen nicht abreißen. Dank der neuen Medien war es ein Leichtes, sich auszutauschen. Bis zum Schluss nahm er regen Anteil an dem Verbandsleben.

Nun schweigt die Stimme, die uns vertaut war. Nun können wir sein „Ceterum censeo“ nur noch in den letzten vier Bänden seiner im Selbstverlag herausgegebenen Sammlung von Ansichten, Gedanken, Geschichten und Gedichten, die er vor seiner Abreise an seine Freunde verschenkt hat, nachlesen. „Im übrigen bin ich der Meinung ...“ hat aufgehört zu klingen. Im Namen vieler Siebenbürger Sachsen sagen wir Danke für alles. Wir werden Rolf-Dieter Happe als einen aufgeschlossenen Weggefährten in Erinnerung behalten. Unser Mitgefühl gilt seiner Witwe Zaneta. Ihr sprechen wir unser herzliches Beileid aus.

Heidemarie Weber

Schlagwörter: Kultur, Verbandsleben, Nachruf, HOG-Verband, Katzendorf

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