18. November 2020

Glücksfall für den Heiligenhof und die siebenbürgische Gemeinschaft: Gustav Binder wird 60

Es gibt wohl kaum jemanden in sächsischen Kreisen, der oder die den Heiligenhof in Bad Kissingen nicht kennen würde - von Klassen- und HOG-Treffen über Seminare und Tagungen bis hin zu Verbandstreffen oder Erholungsaufenthalten war schon fast jeder einmal dort. Derjenige, der das während der letzten anderthalb Jahrzehnte zu Wege gebracht hat, wird heute 60: Gustav Binder ist als Studienleiter auf dem Heiligenhof zur Institution geworden.
Studienleiter Gustav Binder sorgte für exzellente ...
Studienleiter Gustav Binder sorgte für exzellente organisatorische Bedingungen beim Verbandstag 2019 im Heiligenhof. Foto: Siegbert Bruss
Dabei geschah der Wechsel nach Bad Kissingen gar nicht freiwillig, denn eigentlich hatte Gustav Binder als Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts und seiner Trägereinrichtungen in Gundelsheim eine wichtige und erfüllende Aufgabe, die er gerne auf lange Sicht auch fortgeführt hätte. Aber durch den Komplettausstieg des Patenlandes Nordrhein-Westfalen aus der Förderung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats gab es für zwei Drittel der Belegschaft keine Finanzierung mehr. Schlecht für Gundelsheim, gut jedoch für den Heiligenhof, einer traditionsreichen Bildungseinrichtung der Sudetendeutschen, denn hier fing Gustav Binder im Frühjahr 2005 als Studienleiter an. Dabei konnte er aus einer reichen Erfahrung schöpfen.

Werner Gustav (kurz: Gusti) Binder kam am 18. November 1960 in Kronstadt zur Welt, also wenige Wochen, bevor die Stadt an Heiligabend jenes Jahres ihre alten Namen zurückerhielt und jenen des sowjetischen Diktators ablegen durfte – eine Besonderheit in der Geburtsurkunde des Jubilars. Obwohl er schon mit elf Jahren in die Bundesrepublik aussiedelte, konnte er sowohl das sächsische Leben in der Stadt, unter anderem mit dem Besuch der Honterusschule, wie auch auf dem Land in den Heimatorten seiner Eltern Seiburg und Radeln intensiv kennenlernen – ein wertvoller Erfahrungsschatz, der ihn stets begleiten und auf den er später aufbauen sollte. In Gummersbach erlernte er nach Abschluss der Schule einen Handwerksberuf, schloss aber bald die Reifeprüfung auf dem zweiten Bildungsweg an und widmete sich einem Studium der Sozialwissenschaften an der Gesamthochschule Wuppertal. Hier im Studium fand er zu siebenbürgischen Themen, und Jugendfreizeiten im Umfeld der Seiburger führten ihn allmählich in ein soziales Diskussionsumfeld, das für ihn schon immer wichtig war.

Der solcherart seine siebenbürgischen Wurzeln ergründende Student fand 1986 schließlich zum Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, wo sich das kleine Wunder ereignete, dass mehrere junge siebenbürgische Suchende gleichzeitig zusammenfanden. So lud Gusti Binder zur Jahreswende 1986/87 zur ersten „Siebenbürgischen Ferienakademie“ nach Dreifelden in den Westerwald ein – und was dort begann, wirkt bis heute kräftig nach. Aus den „Ferienakademikern“ entwickelte sich nach und nach der Kreis „Studium Transylvanicum“, der die Siebenbürgischen Semesterblätter herausgab und den Nachwuchs des Landeskundevereins bildete. Seither fand diese Veranstaltung jährlich statt, erst 2020 fiel sie erstmals pandemiebedingt aus – in der Zwischenzeit wurden etliche Generationen junger Leute hier an die Geschichte und Kultur Siebenbürgens herangeführt. Während die siebenbürgische Jugendbildungsarbeit mit vielerlei Formaten erfolgreich lief und nach der Wende 1989 auch in Siebenbürgen selbst Fuß fasste, wechselte Gustav Binder in den Buchhandel und hatte dabei Stationen in Köln, Frankfurt/M. und Nürnberg. Als sich 1997 die Gelegenheit bot, als Studienleiter an die im Aufbau befindliche Evangelische Akademie Siebenbürgen nach Neppendorf zu gehen, ergriff er die Gelegenheit und tat in Siebenbürgen rund drei Jahre, was ihm mit am meisten liegt: Menschen miteinander ins Gespräch und siebenbürgische Themen jeder Art in die Diskussion zu bringen. Und hier lernte er auch seine spätere Frau Mihaela kennen. Als sich ihm im Anschluss die Möglichkeit eröffnete, am Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim tätig zu sein, bei Veranstaltungen, bei der Benutzerbetreuung, beim Aufbau der Bestände mitzuwirken, so hatte ein längerer Weg ein Ziel gefunden. Unter anderem führte er dort die Graduiertenseminare ein und brachte viele junge Menschen, die sich in Abschlussarbeiten mit siebenbürgischen und verwandten Themen befassten, zum befruchtenden Austausch zusammen. Während dieser Gundelsheimer Zeit kamen auch seine beiden Töchter Sarah und Hanna im benachbarten Nordbaden zur Welt. 2003, mit der Anerkennung des Siebenbürgen-Instituts als „An-Institut“ an der Universität Heidelberg, übernahm er dessen Geschäftsführung – das Haus war damit so gut aufgestellt wie noch niemals vorher.

Doch schon im Herbst jenes Jahres zerschlug das Patenland, wie eingangs erwähnt, durch seinen Rückzug aus der Förderung alle Zukunftshoffnungen und bereits im Folgejahr mussten erste schmerzhafte Einschnitte beim Personal vorgenommen werden. Dass Gusti Binder schon relativ bald in Bad Kissingen eine neue Wirkungsstätte fand, war nicht nur für den Heiligenhof, sondern auch für die siebenbürgische Gemeinschaft ein voller Erfolg: Kaum jemand, der seither nicht auf dem Heiligenhof zu Gast war und dort von ihm zuverlässig und immer hilfsbereit betreut wurde. Er führte hier als Studienleiter verschiedene Veranstaltungsformate ein, er nahm die Nachwuchsseminare unterschiedlicher Ausrichtung wieder auf, lud zu landeskundlichen und ortsgeschichtlichen Tagungen und war und ist bei der Ausrichtung jeder Art von Begegnung ein verlässlicher Ansprechpartner. Da er aus der Jugendarbeit kommt, ist es ihm ein Leichtes, dabei jede Altersgruppe, junge Leute genauso wie Senioren, anzusprechen, und sein Steckenpferd, literarische und historische Schätze Siebenbürgens und seiner Nachbarn auszugraben und seine Begeisterung hierüber mit anderen zu teilen, ist hier für alle ein großer Gewinn. Nebenbei wirkt er schon lange im Verein der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek mit, dessen Gründungsmitglied er 1992 war und dessen Vorsitzender er derzeit ist.

Eigentlich wäre auch anlässlich seines 60. Geburtstages ein Treffen auf dem Heiligenhof fällig gewesen. Aber wie so viele Einrichtungen zur Pflege der Kultur, der Begegnung und des Austauschs ist es heute auch dort fast ganz still. Nach der gänzlichen Schließung im Frühjahr und einem zaghaften Neuanfang im Sommer ist es im Herbst in und um den Heiligenhof abermals sehr ruhig geworden. Dennoch ist Gusti Binder oft in seinem Büro und plant etwa die Termine des kommenden Jahres. Diesen wollen wir alle mit Zuversicht entgegengehen, um auch den Studienleiter des Hauses wieder in seinem Element zu erleben! Vorerst sei ihm von Herzen alles Gute und Gesundheit gewünscht und bald viele weitere engagierte Veranstaltungen getreu seinem und des Heiligenhofs Motto: Alles Leben ist Begegnung!

S. T.

Schlagwörter: Porträt, Geburtstag, Heiligenhof, Gusti Binder, Bad Kissingen, Kronstadt

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