6. November 2022

Können Erfahrungen ­Zukunftsquellen sein? Ehrenvorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen Volkmar Gerger im Gespräch

Um dieser Frage nachzugehen und auf der Suche nach Wegen, unseren Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland auch für die Zukunft interessant zu gestalten und zu stärken, führen Volkmar Gerger, ehemaliger Vorsitzender und derzeit Ehrenvorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen, und Dietmar-Udo Zey das nachfolgende Gespräch. Es legt den Schwerpunkt auf einige Erfahrung.
Volkmar Gerger beim Großen Siebenbürgerball 2020 ...
Volkmar Gerger beim Großen Siebenbürgerball 2020 in München. Foto Richter
Volkmar, als ich dich kennengelernt habe, warst du schon Landesvorsitzender. Du warst auf der Suche nach einem Schriftführer. Ich war bereit, in unserem Verband Aufgaben zu übernehmen. Also kenne ich dich in der Ausübung eines verantwortungsträchtigen Amtes. Das waren etwa 16 Jahre. Bist du bereit, mit mir über dein Wirken zu sprechen?
Warum nicht? Es war, rückblickend betrachtet, eine lange, ereignisreiche Zeit, die mir viel abverlangt hat. Ich bin dankbar, dass ich das so lange machen durfte und konnte.

Ja, ich habe davon eine Menge mitbekommen. Und darum habe ich mir gedacht, du erzählst, möglichst reflektierend, über deine Arbeit. Aus meiner Berufstätigkeit weiß ich, dass der Vorsitzende, also eine Führungsperson, integrativ und als Visionär sowie Zukunft gestaltend agieren soll. Darf ich diese sozialen Kompetenzen als Leitschnur für den Aufbau unseres Gespräches nehmen?
Tu, was du nicht lassen kannst! Aber Spaß beiseite: Das ist ein guter Ansatz. Sehen wir mal, wohin uns dieses Gespräch führt.

Wieso wurde dir das Amt übertragen? Hattest du eine Ahnung, was auf dich zukommt? Gab es eine Stellenbeschreibung, an der du dich orientieren konntest?
Es war mehr oder weniger die Initiative meines Kreisgruppenvorsitzenden, Misch Kenst aus Bremen. Es war der berühmte „Wurf ins kalte Wasser“. Was auf mich zukommen würde? Ganz ahnungslos war ich nicht, weil ich die Arbeit unseres Kreisvorsitzenden, als dessen Stellvertreter, ein Jahr lang ausgeübt hatte. Bei der Ausübung meines Amtes ist mir dann klar geworden, dass ich dort hineinwachsen muss, und das ging auch nicht von heute auf morgen. Schließlich ergaben sich verschiedenartige und vielgestaltige Aufgaben und Funktionen, die ich miteinander in Einklang bringen musste.
Du fragst nach Stellenbeschreibung! Wo denkst du hin? Standardisierte Kriterien, wie du dir das vorstellst, hat es nicht gegeben, aber eine allgemeingültige Orientierungshilfe zur Amtsausübung als Vorsitzender von Landesgruppen und deren Untergliederungen gab es wohl. Mein Vorvorgänger, Thomas Wollmann, hatte eine verfasst. Diese habe ich dann überarbeitet.

Aber gewisse Vorstellungen davon, was du als Landesvorsitzender tun müsstest, hast du bestimmt gehabt?
Meine wichtigste Aufgabe sah ich darin, den Fortbestand der Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen mit ihrer sozio-kulturellen Eigenheit und die Stärkung unserer Gemeinschaft im Rahmen unseres Verbandes zu sichern. Die Kreisgruppe, der ich angehört hatte, war ja überschaubar, aber jetzt hieß es in dem großen Flächenland die zahlenmäßig wenigen Siebenbürger Sachsen wieder mehr zu aktivieren und unsere tradierte Gemeinschaft zu leben.

Wie bist du herangegangen? Wie funktioniert das?
Zunächst musste ich die Vorstandsmitglieder kennen lernen und die geeigneten Arbeitsmethoden entwickeln. Aber gleichzeitig war mir wichtig, in die Kreisgruppen zu gehen, bei deren Veranstaltungen oder Sitzungen dabei zu sein, um einander verstehen zu können. Wenn wir wissen, wo wir jeweils hinwollen, wird die Zusammenarbeit leichter – wenn der Wille dazu da ist. Schön langsam ist ein beidseitig berechenbares, vertrauenswürdiges Arbeitsverhältnis entstanden.

Das verstehe ich als einen in die Gruppe ausgerichteten Fokus, was eine integrative Maßnahme darstellte.
Ja, aber nicht nur! Um unser siebenbürgisches Selbstbewusstsein und -vertrauen zu erhalten und zu stärken, war mir auch wichtig, unsere Kultur und Traditionen einer möglichst breiten Masse hier in Niedersachsen/Bremen bekannt und zugänglich zu machen. Das musste geschehen, indem wir bei niedersächsischen Volksfesten und geeigneten kulturellen Veranstaltungen, wo es um regional-spezifische Ausdrucksweisen und Formen ging, dabei waren – um uns einzubringen, uns „zu zeigen“. Wir konnten und können uns durchaus blicken lassen. Die Bereitschaft mitzumachen und sich darzustellen konnte nicht unbeachtet an der Landesregierung vorbeiziehen. Mit viel Geduld und Beharrlichkeit war es mir, häufig auch von dem einen oder anderen Landesvorstandsmitglied begleitet, gelungen, die Landesregierung, egal welcher Couleur sie war, davon zu überzeugen, dass unsere rege kulturelle, traditionserhaltende Tätigkeit wert ist, finanziell gefördert zu werden.

Mittlerweile ist die Förderung seitens unserer Landesregierung eine Selbstverständlichkeit geworden und wir sind auch dankbar dafür. Hoffentlich bleibt es dabei! Wir alle haben deine diesbezüglichen Erfolge als zukunftsweisenden Durchbruch anerkannt und sehr geschätzt. Der „Heimattag der Nordlichter“, der alle zwei Jahre stattfindet, ist das Produkt und ein großartiges Beispiel solcher Bemühungen.
Solche Maßnahmen, wie auch die Teilnahme bei Stadtfesten oder dem „Tag der Niedersachsen“, sind geeignet, sich dem breiten Publikum bekannt zu machen mit unserer siebenbürgisch-sächsischen Art, Traditionen und Kultur zu wahren, nach außen zu tragen.

Da fällt mir unser Trachtenaufzug beim Niedersachsentag in Duderstadt ein: Das Publikum war hell begeistert. Woher kommt ihr? Was für Trachten sind das?, wollten viele wissen. Auch die Presse holte Informationen ein, um über uns zu berichten. Ob wir in den kommenden Jahren noch solche Erfolge erleben werden, wenn wir hier in Niedersachsen immer weniger Mitglieder haben werden?
Du sprichst ein Thema an, das mich all die Jahre meiner Amtsausübung beschäftigt hat. Es ist mir gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen unserer Landesgruppe nicht gelungen, einen nennenswerten Zuwachs neuer Mitglieder zu erreichen. Manchmal hatte ich die Vorstellung, eine Kommission einzurichten, die selbstständig und selbstverantwortlich auf Mitglieder-Suche geht und es auch schafft, natürlich unseren norddeutschen Verhältnissen entsprechend, eine gewisse Anzahl pro Jahr zu gewinnen.

Ein bestechender Gedanke! Warum nicht? Alles, was gewünschte Entwicklungen in der Mitglieder-Akquise nach sich ziehen kann, sollte probiert werden. Im Moment ist das Eisen diesbezüglich heiß. Das haben wir vor einem Jahr bei der Bundesvorstandssitzung mit den Kreisgruppenvorsitzenden in Dinkelsbühl mitbekommen.
Es ist zu hoffen, dass durch die Verjüngung der verantwortlichen Amtsträger auf allen Ebenen unseres Verbandes neue Ideen für umsetzbare, wirkungsvolle Aktionen entstehen, um unseren Verband zu stärken – auch durch mehr neue Mitglieder.

Du sagst „auch durch mehr neue Mitglieder“, wenn du an die Stärkung unseres Verbandes denkst. Was noch? Ich meine, da steckt noch mehr hinter deiner Aussage. Darf ich anhand eines konkreten Beispiels erfahren, woran du denkst?
Na ja: Ein konkretes Beispiel habe ich gar nicht im Auge. Aber ich denke dabei an die Art und Weise, wie und in welcher Qualität eine bestimmte Verbandsarbeit ausgeführt wird. Ein Ganzes, ein Getriebe ist nur so gut wie die jeweiligen Elemente, aus denen es besteht. Eine inhaltliche und formale Anpassung an bestehende und künftige Verhältnisse wird unumgänglich sein.

Da spricht der Maschinenbauer. Aber wenn ich dich richtig verstehe, dann könnte beispielsweise ein „Mitgliederbeauftragter“, der seine Aufgabe gekonnt ausübt, ein solches Element im Getriebe sein?
Durchaus passend. Denn eine stärkende Wirkung ist durchschlagender, wenn sie nach außen wie nach innen gleichermaßen ausgeprägt ist. Was uns in Niedersachsen/Bremen betrifft, so sind die erfolgversprechenden Weichen gestellt. Wir haben einen Vorsitzenden, der genau der Richtige für die Zukunftsausrichtung und -sicherung unseres Verbandes sein wird. Ich wünsche Helmuth Gaber viel Erfolg!

Deinem Wunsch schließe ich mich an. Dir, lieber Volkmar, sage ich vielen Dank für dieses Gespräch!

Schlagwörter: Interview, Niedersachsen/Bremen, Ehrenvorsitzender, Verbandspolitik

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