15. Oktober 2004

Sigrun Andree

Sigrun Andree, Jahrgang 1966, stammt aus Agnetheln. Als 13-Jährige siedelte sie mit den Eltern nach Deutschland aus, studierte in Heidelberg, Berlin und München Sprachen (Englisch und Spanisch) sowie Medienberatung und Kulturmanagement. Sie war hauptsächlich freiberuflich tätig im Kulturmanagement (Kurt-Weill-Fest, Dessau, Ballettproduktion "Stadt Graniza") und als Übersetzerin/Dolmetscherin (z.B. für die Sozialdienste in den Justizvollzugsanstalten Berlin). Anfang Oktober 2002 trat sie als ifa-Koordinatorin die Nachfolge von Peter Kratzer in Hermannstadt an. Am 6. Oktober 2004 endete ihre Amtszeit in Hermannstadt. Das folgende Interview führte Alexander D i L e o n a r d o.

Mit welchen Erwartungen sind Sie vor zwei Jahren als ifa-Koordinatorin nach Hermannstadt gekommen?

Ich habe mich sehr gefreut, eine Stelle zu finden, in der ich erstens weiterhin im Kulturmanagement und zweitens in Rumänien arbeiten kann, dem Land, das ich als Kind verließ. Dies gab mir die Möglichkeit, mir als "Erwachsene" ein Bild zu machen. Denn durch die Erfahrung der kommunistischen Diktatur war meine Erinnerung immer sehr gefärbt. Obwohl ich das eher aus zweiter Hand erlebt habe, aus Erzählungen quasi. An der eigenen Haut musste ich das nie spüren - ich habe eine sehr glückliche, ungetrübte Erinnerung an meine Kindheit. Als ich vor zwei Jahren nach Rumänien ging, wusste ich nicht, was mich erwarten würde.

Am 6. Oktober haben Sie Ihre Tätigkeit beendet. Wie sieht die Bilanz aus, die Sie nach zwei Jahren ziehen?

Diese beiden Jahre haben mich gelehrt, das Land mit anderen Augen zu sehen. Ich habe die aktuelle Situation hier kennen lernen können - die immer noch schwierige Übergangsphase in die Demokratie, Marktwirtschaft und EU - und die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen, zwischen Stadt und Landbevölkerung. Abgesehen davon, habe ich auch beruflich sehr viel dazugelernt. Als ifa-Koordinatorin war ich für das gesamte Land zuständig und betreute dort alle ifa-Mitarbeiter. Ich durfte auch strategische Planungen treffen und mitentscheiden. Es war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit sowohl mit den Vertretern der deutschen Minderheit, für die wir ja hauptsächlich zuständig sind, als auch mit den Kollegen und den Auslandsvertretungen.

Welche Stellen unterhält das Institut für Auslandsbeziehungen?

Das Institut für Auslandsbeziehungen unterhält jeweils einen Kulturassistenten in Suceava, Sathmar, Neumarkt, Reschitza und Kronstadt. Außerdem eine Kindergartenfachberaterin mit Sitz in Hermannstadt, je eine Medienberaterin bei der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien und der Hermannstädter Zeitung und eine Projektkoordinatorin in Hermannstadt. Im Büro der Forumsbibliothek arbeiten drei Leute: eine Europapraktikantin, der Twin und ich. Die für ein Jahr angelegte Praktikantenstelle gibt es bereits seit mehreren Jahren. Sie ist für rumänische Hochschulabsolventinnen vorgesehen, die über gute Deutschkenntnisse verfügen und sich für die deutsche Minderheit und Kulturarbeit interessieren.

Wie hat die Zusammenarbeit mit den deutschen Stellen in Rumänien funktioniert, wurden Sie beispielsweise vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien unterstützt?

Ja, die Unterstützung war in den allermeisten Fällen sehr gut. Manchmal konnten wir keine Einigung über die Einsatzvoraussetzungen der Kulturassistenten erzielen, aber das waren Einzelfälle. Die Assistenten werden von den Foren beantragt. Damit ist sichergestellt, dass sie gewollt sind und man mit ihnen zusammenarbeitet. Die Entwicklung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien finde ich bemerkenswert. Sowohl in politischer wie kultureller Dimension ist sehr viel passiert, und es würde mich freuen, wenn die Entwicklung so weitergeht.

Worin besteht das Pilotprojekt "Twin" und inwiefern hat es sich bewährt?

Das seit einem halben Jahr laufende Twin-Projekt hat sehr gute Ergebnisse erzielt. Der "Zwilling" unterstützt den Kulturassistenten in seiner Kulturarbeit. Dadurch erreicht man einen guten Know-how-Transfer, die Bindung an die Foren, die bei der Auswahl der Twins beteiligt sind, wird größer und man sorgt für Nachwuchs. Bis ein Nachfolger für mich gefunden wird, führt der Twin im Koordinationsbüro meine Arbeit fort.

Inwiefern haben Ihre siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln Ihre Arbeit beeinflusst?

Eigentlich kann ich das nicht genau benennen. Dass ich mich nicht erst in die Geschichte und Tradition Siebenbürgens einarbeiten musste, hat sich sicherlich auf meine Arbeit ausgewirkt. Es war immer schön, auf der Straße ein paar Worte Sächsisch zu wechseln.

Mussten Sie bei Null anfangen, oder konnten Sie an die bereits bestehenden siebenbürgisch-sächsischen und anderen deutschen Kulturangeboten anknüpfen?

Nein, man fängt nicht bei Null an. Man sollte das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Je nach Region gibt es ein mehr oder weniger reichhaltiges kulturelles Angebot. Wir haben immer versucht, uns abzusprechen und ergänzend zu wirken.

Welche Zukunftschancen sehen Sie für den Erhalt und die Fortführung der siebenbürgisch-sächsischen Kultur in der angestammten Heimat?

Das wird abzuwarten sein. Ich kann dazu keine Prognose abgeben.

Wird die Anzahl der Kultur- und Medienassistenten in Rumänien weiter erhöht?

Angesichts der Haushaltskürzungen, die sich in den vergangenen Jahren empfindlich auf den Etat der Mittlerorganisationen ausgwirkt hatten, sind wir über eine so gute Abdeckung sehr froh und hoffen sehr, diese halten zu können.

Was sind ihre persönlichen Zukunftspläne?

Ich werde zunächst nach Berlin zurückgehen und mir eine kleine Pause gönnen. Wie lang sie wird, hängt davon ab, was sich im Anschluss ergibt. Ich werde weiterhin im Kulturmanagement arbeiten und hoffentlich auch in Kontakt mit Rumänien bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Link: Institut für Auslandsbeziehungen

Schlagwörter: Interview, Kultur

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