15. November 2002

Prof. Dr. Gerhard Michael Ambrosi

Prof. Dr. Gerhard Michael Ambrosi (59) ist Hochschullehrer an der Universität Trier. In dem folgenden Gespräch mit Robert Sonnleitner gibt er Auskunft über seine siebenbürgische Herkunft, schildert die Aktivitäten der Universitätspartnerschaft Trier-Kronstadt und äußert sich zu den Integrationschancen Rumäniens in westeuropäische Wirtschaftsstrukturen.
Herr Prof. Dr. Gerhard Michael Ambrosi, Sie tragen den Namen einer bekannten siebenbürgischen Familie. Die meisten Leute assozieren damit Weinbau. Sind Sie ein Nachkomme dieser traditionsreichen Familie?

Ja, meine Familie stammt aus Großprobstdorf bei Mediasch. Ich bin noch auf unserem dortigen Gut "Bechelsken" 1943 getauft worden, allerdings dann aus der Art geschlagen und habe nicht Weinbau sondern Wirtschaftswissenschaft studiert.



Im Lexikon der Siebenbürger Sachsen konnte ich gleich mehrere Ambrosi ausfindig machen. Mehrere dort erwähnten Persönlichkeiten tragen den Vornamen Michael, können Sie uns bitte über die Verwandtschaftsverhältnisse aufklären?

Bei uns war es wohl so wie in vielen anderen Familien in Siebenbürgen auch: Der Erstgeborene des Erstgeborenen trug den Vornamen seines Vorfahren "Michael Ambrosi der Jüngere" war mein Großvater, er war in den 1930er Jahren Bürgermeister von Medias. "Michael Ambrosi der Ältere" war sein Vater, mein Urgroßvater. Er war nach dem ersten Weltkrieg Abgeordneter im Bukarester Parlament für den Bezirk Baaßen. Beide haben sich sehr um die Förderung des Weinbaus in Siebenbürgen bemüht und sich insbesondere bei der Bekämpfung der Reblausplage für den siebenbürgischen Weinbau verdient gemacht.

Im Jahre 1902 gründete ihr Großvater die Reb- und Baumschule Fa. "Ambrosi, Fischer und Co." in Groß-Enyed (Aiud), die das größte Unternehmen dieser Art in Siebenbürgen wurde. Was ist aus dem Unternehmen geworden?

Sie sprechen die vergangene Entwicklung ja schon in Ihrer Frage an: Das Unternehmen hatte sich bis zu seiner Enteignung im Jahre 1946 hervorragend entwickelt. Diese Entwicklung beruhte nicht nur auf der Geschäftstüchtigkeit der Eigentümer sondern auch auf einer umfassenden Information und Betreuung der Kunden, die vor allen Dingen durch Versandhandel und Kataloge erreicht wurden. Durch eine Anekdote kann ich vielleicht illustrieren, wie sehr sich das Unternehmen im Bewusstsein seiner damaligen Kunden festgesetzt hatte. Noch in diesem Sommer (2002) wurde ich anlässlich einer Fachtagung in Mangalia von einem rumänischen Professorenkollegen auf das Unternehmen angesprochen: Sein Vater habe alle Kataloge von Ambrosi, Fischer und Co. gesammelt und sei jedes Jahr gewissenhaft nach den Pflanzanleitungen vorgegangen, so dass bis zum heutigen Tage ihm das Unternehmen noch ein Begriff war.


Dieses Jahr wäre der Betrieb 100 Jahre alt geworden. Laut neuester Gesetzgebung ist der rumänische Staat verpflichtet die Erben zu entschädigen bzw. die Vermögenswerte an die Erbgemeinschaft zurückzugeben. Wie sieht es mit der Rückforderung dieser siebenbürgisch-sächsischen Vermögenswerte aus?

Ich war richtig bewegt, als ich vor einiger Zeit feststellte, dass das Jubiläum dieser Gesellschaft von Ihnen registriert wurde.
Es ist als Staatsbetrieb weitergeführt worden und soll nun nach der kommunistischen Enteignung reprivatisiert werden. Die Erbengemeinschaft hat fristgerecht ihre Ansprüche angemeldet. Bisher ist das Verfahren aber noch nicht abgeschlossen. Ein Problem bei dem Verfahren ist der Nachweis der Staatsbürgerschaft. Die Gesetzeslage ist wohl so, dass eine Rückerstattung des Unternehmens in natura ausgeschlossen ist, wenn nicht die rumänische Staatsbürgerschaft nachgewiesen werden kann. In diesem Fall ist also nur eine geldwerte Entschädigung möglich, die ganz sicher nicht dem ursprünglichen Vermögenswert (+ Verzinsung) entsprechen wird.


Sind Sie in Siebenbürgen geboren? Wo wuchsen Sie auf?

Nein, ich bin 1943 in einem Bunker in Berlin geboren, meine Mutter - eine "Reichsdeutsche" - konnte aber bald danach mit mir nach Siebenbürgen übersiedeln. Dort bin ich dann in Hermannstadt, Großprobstdorf und Mühlbach aufgewachsen. Meine Familie machte all die Schrecken jener Zeit durch, die auch die meisten anderen Familien Siebenbürgens durchgemacht hatten: Mein Vater fiel im Krieg, meine Mutter konnte - als "Reichsdeutsche" - noch knapp der Deportation in die sowjetischen Arbeitslager durch Flucht nach Deutschland entkommen. Ich selber blieb dann bei Verwandten in Siebenbürgen. Im Jahre 1946 kam dann die Enteignung, die völlige Mittellosigkeit der Familie bedeutete, die als ehemalige Plutokraten ja nun zu den Klassenfeinden gehörte. Unter den willkürlichen Verhaftungen jener Zeit hatte auch meine Familie zu leiden. Mein Großonkel, Dr. Alfred Ambrosi aus Mediasch, der ursprünglich das Familienerbe verwalten sollte, wurde Ende der 1950er Jahre der Prozess wegen Devisenvergehen gemacht und er verschwand für fünf Jahre im Gefängnis. Ein interessanter Beleg über jene Zeit ist übrigens das Buch vom jetzigen Sachsenbischof Christoph Klein "Anvertraute Pfunde". (Bukarest : Kriterion; 1995) Es stellt die das Wirken seines Vaters Gustav Adolf Klein dar, dem ehemaligen Sparkassendirektor von Hermannstadt. An einigen Stellen wird dort auch auf die Rolle eingegangen, die Dr. Alfred Ambrosi in jener Zeit spielte.

Was bewog Sie, Siebenbürgen zu verlassen?

Ich war erst acht Jahre als ich Siebenbürgen verließ und konnte da noch nicht selber entscheiden. Mittlerweile war ich Vollwaise und es war sicher eine gute Fügung des Schicksals, dass ich 1951 noch mit einem der wenigen "Rotes Kreuz"-Transporte nach Westdeutschland zu dortigen Verwandten kommen konnte.

Ließen Sie sich in Deutschland nach freier Wahl des Wohnortes oder umstandsbedingt nieder?

In Deutschland lebte ich vor allen Dingen in Ravensburg (Baden Württemberg) bei meiner Tante Anneliese Ambrosi, die dort als Studienrätin meiner Großmutter und mir Unterkunft bieten konnte. Danach kam ich dann nach Berlin, wo ich auch Verwandte hatte. In Berlin machte ich 1962 das Abitur und begann das Studium der Wirtschaftswissenschaften auch dort. Ich habe meine Entwurzelung dann sozusagen "positiv gewendet" und mehrere Jahre im Ausland verbrachte - mit einem Schulstipendium in den USA, dann ein Studienaufenthalt in Südafrika in der Nähe meines mittlerweile dort gelandeten Onkels Dr. Hans Ambrosi; dann ein Nachdiplomstudium an der Universität Cambridge, England, dann war ich bei der Europäischen Kommission in Brüssel, bis ich schließlich eine akademische Laufbahn einschlug. Die brachte mich über die Universität Konstanz und die Freie Universität Berlin schließlich zur Universitär Trier und damit wieder in eines der Herkunftsgebiete der sogenannten siebenbürger "Sachsen".

Womit beschäftigten Sie sich in Rumänien, womit beschäftigen Sie sich hier?

Rumänien habe ich als Schulkind im zweiten Schuljahr verlassen. Hier bin ich nun Hochschullehrer an der Universität Trier und vertrete das Fach Europäische Wirtschaftspolitik als Wirtschaftswissenschaftler.

Welche Chancen hat Rumänien in die EU zu kommen?

Nachdem zehn Beitrittskandidaten im Oktober 2002 die Zusage erhalten haben, der Europäischen Union im Jahre 2004 beitreten zu können, bin ich zuversichtlich, dass auch für Rumänien das jetzt von der EU-Kommission in Aussicht gestellte Beitrittsdatum 2007 realisierbar ist.

Wie sehen Sie die Integrationschancen Rumäniens in westeuropäische Wirtschaftsstrukturen?

Die strukturellen Schwierigkeiten Rumäniens sind enorm. Aber ich denke, wenn ein Land wie die Slowakei es geschafft hat, in der ersten Osterweiterungsrunde dabei zu sein, dann sollte es möglich sein, dass bis zum Jahre 2007 auch Rumänien so weit kommt, dass es beitreten kann. Mit der jetzigen Osterweiterung lässt sich ja die Europäische Gemeinschaft auf ein sehr gewagtes Experiment ein. Die ehemaligen Satelliten der Sowjetunion, Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei usw. waren ja alle Zentralverwaltungswirtschaften mit Staatseigentum so gut wie aller Produktionsmittel. Wenn sich die Europäische Gemeinschaft zutraut, diese Länder schon ab 2004 zu integrieren, dann kann sie nicht bei Rumänien und Bulgarien 2007 einen Schlussstrich ziehen und nicht mehr bereit sein, auch jene Ökonomien integrieren zu wollen. Es wird beträchtliche Strukturhilfen der EU geben und es kommt nun viel darauf an, dass Rumänien sie gut nutzt. Wir haben in der EU einige Beispiele (Portugal, Irland) die belegen, dass die Strukturhilfen und die Integrationswirkung der Europäischen Gemeinschaft zuvor ungeahnte Wirtschaftsentwicklung bewerkstelligen kann.

Wie schätzen Sie den Wirtschafts- und Investitionsstandort Rumänien ein?

Gegen Rumänien spricht die Randlage - für Rumänien sprechen die reichen Bodenschätze, das landwirtschaftliche Potenzial und - nicht zu vergessen - eine sehr bildungsbereite Bevölkerung. Sicher wird man sich bei einem unternehmerischen Engagement in Rumänien auf die spezifische Mentalität einstellen müssen. Aber das wird man überall tun müssen, wenn man in einem anderen Kulturkreis wirtschaftlich tätig sein möchte.

Gibt es Alternativen zur Wirtschafts- und Währungsunion?

Was Rumänien anbelangt, ist das natürlich die strategische Frage: Hat Rumänien eine Alternative zum EU-Beitritt? Die Versuchung ist vielleicht groß, dass man dort sein Heil in einem selbständigen Groß-Rumänien sucht. Immerhin haben im Jahre 2000 bei den Parlamentswahlen 20 % der Wähler für die "Romania Mare"- Partei gestimmt. Aber territoriale Erweiterungen des rumänischen Staatsgebietes sind ausgeschlossen und Bündnissysteme, in denen Rumänien ein Übergewicht zur Geltung bringen könnte, sind es ebenfalls. Von der wirtschaftlichen Perspektive her gibt es keine Alternative zu einer EU-Anbindung.
Was die Währungsunion anbelangt, da ist der Sachverhalt etwas komplizierter, denn Rumänien wird auf absehbare Zeit auch trotz aller in Aussicht gestellten EU-Förderung noch ein strukturschwaches Gebiet sein. Es wird also die Währungspolitik als zusätzliches Anpassungsinstrument brauchen, von daher wird man nicht mit einem baldigen Beitritt des "LEU" zum Eurogebiet rechnen können.

Haben Sie noch Verbindungen zu Siebenbürgen/Rumänien, wenn ja: welcher Art?

Es ist eine ganze Palette an Verbindungen, die mich jetzt wieder mit Siebenbürgen und Rumänien verbinden. Zum einen sind es die Privatisierungsangelegenheiten, auf die wir ja schon eingegangen sind. Sie verbinden mich übrigens nicht nur mit Enyed (Aiud), sondern auch mit Hermannstadt, wo ich hoffe, das vom Großvater "Michael dem Jüngeren" ererbte Haus einer öffentlichen Nutzung zuführen zu können.
Daneben bin ich in Rumänien mit einigen Ehrungen bedacht worden, im letzten Jahr wurde ich in Erinnerung an die große Rolle, die meine Vorfahren für die Entwicklung der Gemeinde gespielt hatten, zu einem der Ehrenbürger von Großprobstdorf ernannt worden. Im Jahre 1996 habe ich eine Ehrenprofessur der Universität Kronstadt erhalten, mit der die Universität Trier durch eine Partnerschaft verbunden ist. Dies bringt natürlich auch einige Verpflichtungen zum Lehreinsatz in Kronstadt mit sich.
Von Jahr zu Jahr bin ich auch immer wieder in einem Sommerkursprogramm der "Black Sea University Foundation" in Mangalia eingebunden. In diesem Sommer habe ich dort im Rahmen eines Workshops die Rolle Rumäniens auch bei der geistigen Diskussion der europäischen Integration erörtert.
Mein Fachgebiet ist ja die Europäische Wirtschaftspolitik und so versuche ich auch immer wieder von meinem Fach aus, die europäische Integration nach Rumänien als Gedanken hinüberzutragen. Dies führt zum einen dazu, dass ich in Seminarveranstaltungen versuche, meine Studenten - insbesondere wenn sie aus Rumänien stammen - mit Problemen vertraut zu machen, die sich aus Rumäniens beabsichtigtem EU-Beitritt ergeben können. Im April dieses Jahres haben wir dann eine Seminar-Exkursion nach Rumänien gemacht, in der auch die Studenten aus Deutschland sich vor Ort mit den aktuellen Wirtschaftsproblemen Rumäniens und mit den Aussichten für einen EU-Beitritt vertraut machen konnten.
Schließlich habe ich im Rahmen des Erasmus-Minerva-Programms der Europäischen Union zusammen mit rumänischen Kollegen aus Kronstadt und Hermannstadt an einer Lehrprogramm-Übersetzung - übrigens in Partnerschaft mit englischen und italienischen Kollegen - gearbeitet.

Erzählen Sie uns etwas über die von Ihnen initiierte Universitätspartnerschaft Trier-Kronstadt? Wie kam es zu dieser rumänisch-deutschen Partnerschaft im Hochschulunterricht Trier - Kronstadt?


Die treibende Kraft hinter der Partnerschaft mit der Universität Kronstadt war eigentlich nicht ich, sondern Dr. Martin Fontanari, damals noch Doktorand an der Universität Trier. Anfang der 1990er Jahre hatte er zusammen mit anderen engagierten Bundesdeutschen über eine "Fundatia Kronstadt" direkte Hilfsprogramme für die Stadt und für die Studenten dort organisiert. Aus diesen ersten Kontakten hat sich dann ein Partnerschaftsvertrag der Universität Trier mit der Universität Kronstadt ergeben, mit dessen Durchführung ich als Partnerschaftsbeauftragter befaßt bin. Bei der Umsetzung dieses Auftrags habe großen Wert auf studentische Kontakte gelegt und so hatten wir - solange wie wir einige Fördergelder auftreiben konnten - jedes Jahr studentische Studienreisen zwischen Kronstadt und Trier organisieren können. Mittlerweile fließen aber auch in diesem Bereich die Fördergelder spärlicher und die Kontakte sind etwas seltener geworden. Dafür kommen nun jedes Jahr ca. zwei Studierende aus Kronstadt nach Trier im Rahmen des ERASMUS Sokrates Programms.



Welche Partnerschaftsaktivitäten gibt es mit der Universität in Kronstadt? Sind auf längere Sicht gemeinsame Forschungsprojekte geplant?

Neben den bereits erwähnten Studentenkontakten und der gemeinsamen Lehrprogrammentwicklung gibt es im Prinzip gegenseitige Forschungsbesuche, die jedoch in der Realität einseitig von Kronstadt nach Trier verliefen. In diesem Rahmen ist ein rumänisches Lehrbuch über "Strategisches Management" nach einem längeren Forschungsaufenthalt von Herrn Prof. Bacanu in Trier entstanden. Auch eine Doktorandin aus Kronstadt konnte hier gefördert werden. In Kronstadt selber entsteht jetzt ein Masterprogramm zur Europäischen Integration und im Rahmen dieses Programms werden wir dann auch wieder von Trier aus in Kronstadt aktiv werden.


An der Universität Trier studieren seit Oktober 1995 im Rahmen eines ERP-Sonderprogramms jedes Jahr angehende Wirtschaftswissenschaftler aus Rumänien. Im Studienjahr 2002/03 werden 15 rumänische Stipendiaten der A.S.E. Bukarest und der Universität Iasi von der Professur für Europäische Wirtschaftspolitik betreut. Wie kam es dazu? Wie wird deren Aufenthalt finanziert? Was ist das ERP-Sonderprogramm für Studierende der Wirtschaftswissenschaften?

Sie haben wirklich sehr gewissenschaft recherchiert. Für weiter gehende Informationen bitte ich Sie, Ihre Leser zu verweisen auf die Homepage, welche dieses Programm mittlerweile an der Universität Trier hat. Dort finden Sie dann auch einen Evaluationsbericht nach einer externen Prüfung des DAAD.


Sie haben sich kürzlich intensiv mit Dr. Carl Wolff beschäftigt. Ihr Vortrag ist in deutscher und englischer Sprache im Netz verfügbar.
Wie kam es dazu, warum gerade Dr. Carl Wolff?


Die Befassung mit Dr. Carl Wolff ergab sich über eine Anfrage von der Landsmannschaft. Der Kulturreferent Herr Hans-Werner Schuster hatte mich auf dieses Thema aufmerksam gemacht, das mich außerordentlich interessierte, je mehr ich mich damit beschäftigten konnte. Nicht nur ist Carl Wolff der "Raiffeisen Siebenbürgens". Er hat sozusagen als Einzelperson eine segensreiche Entwicklungspolitik für ganz Siebenbürgen gemacht.

Sie sprechen in Ihrem Referat über Carl Wollf, von einem erfolgreichen Lebenswerk und Sie unterstreichen seine ehrenwerten Ziele ... bspw. "Carl Wolffs großer Traum, die Wurzeln der Siebenbürger Volkskraft für ein fortdauerndes Überleben dort zu stärken, wo sie über mehr als acht Jahrhunderte Zeugnis von einem soliden Erbe gaben". Ist Carl Wolff einer Ihrer siebenbürgisch-sächsischen Vorbilder?

Das ist eine gute Frage. Zuerst war ich entsetzt darüber, mit was für einem unzeitgemäßem Menschen ich mich da auseinandersetzen musste. Seine Autobiographie schließt mit dem Wunsch, dass am deutschen Wesen die Welt genesen möge - und das in einem Europa, in dem wir uns tunlichst nicht kulturpolitisch auf die Füße treten sollten. Aber wenn man von diesem Zitat zurückblättert, dann merkt man, dass etwas ganz anderes gemeint war. Für Carl Wolff war es Inbegriff des deutschen Wesens, dass man kulturpolitische Vielfalt zulässt, dass nicht nur das Deutsche oder das Ungarische, sondern gerade auch das Rumänische als gleichberechtigte Kultur- und Verkehrssprache zugelassen sein sollte.

Was halten Sie von den siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen im Westen? Erscheinen Sie Ihnen sinnvoll?

In einer Lobby-Demokratie, wie wir sie von Amerika bis Europa haben, muss man Lobby-Arbeit machen und das haben die Siebenbürger auch sehr gut getan. Auch trägt die Landsmannschaft viel an geistigem und kulturellem Erbe zusammen, das ohne diese Aktivitäten verloren gegangen wäre. Schließlich bietet sie einen ganz persönlichen Zusammenhalt für Siebenbürger. Dennoch habe ich einen Vorbehalt gegen die vergangene Selbstdarstellung der Siebenbürger Sachsen. Es ist glaube ich viel zu wenig ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gebracht worden dass es nie eine ``Heim ins Reich''-Problematik bei ihnen gab. Deswegen berührt es mich etwas unangenehm, wenn sie in einem Atemzug mit den anderen Landsmannschaften wie den Schlesiern oder den Ostpreußen oder gar den Sudetendeutschen genannt wurden. Aber all das wird mit zunehmender Integration in Europa relativ unwichtig. So bleibt die enorm wichtige Aufgabe, eine spezifische Kultur und Tradition der Nachwelt zu überliefern.

Welche Zukunftsperspektiven hat Ihres Erachtens das Bemühen um ein siebenbürgisch-sächsisches Gemeinschaftsbewußtsein in Deutschland?

Ich sehe ich vor allem eine "museale" Aufgabe. Die soll man nicht gering schätzen. Es ist ein enorm reiches Erbe an kultureller und historischer Durchsetzungskraft, das die Siebenbürger Sachsen in ihrer 800-jährigen Geschichte zusammengetragen haben. Der Glanz dieses Erbes kann und soll so lange wie möglich auf die alten Stammlande der Siebenbürger Sachsen zurückstrahlen. Zunehmend erkennt man das man auch in Luxemburg, das sicher eines der wichtigsten Stammlande war, und engagiert sich mit ganz hervorragenden Maßnahmen, insbesondere in Hermannstadt.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Brückenbauer zwischen Ost und West

Schlagwörter: Interview, Wissenschaft

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