15. Januar 2002

Georg Binnen

Am 1. Dezember wurde das neue Gebäude der Industrie- und Handelskammer Heilbronn mit einem Tag der offenen Tür seiner Bestimmung übergeben. Die Firma „Binnen Konstruktionen GbR“ in Obersulm wurde dabei gebeten, ihre Produkte und Patente auszustellen, ist sie doch das einzige Konstruktionsbüro im Bereich der Handelskammer, das ausschließlich von eigenen innovativen Produktentwicklungen lebt. Die Firma und ihr Gründer, der aus Rosenau stammende Georg Binnen, sind ein Beispiel gelungener Integration und siebenbürgisch-sächsischer Wirtschaftsleistung in Deutschland.

Georg Binnen wurde 1937 in Rosenau bei Kronstadt geboren und 1952-1954 in der Volksrepublik Rumänien, unter den Bedingungen kommunistischer Ideologie und Gesellschaftsverhältnisse, zum Maschinenschlosser ausgebildet. Er hat sich damals sicherlich nicht träumen lassen, je Unternehmer zu werden. Aber damals schon ließen seine Geschicklichkeit und Findigkeit den Erfinder ahnen.

Die ersten technischen Verbesserungen meldete er ab 1966 an, als er technischer Berater der Überholungsabteilung der Werkzeugfabrik Rosenau (Fabrica de Scule Rasnov) wurde. Und obwohl Georg Binnen 1970 seinen Ausreiseantrag nach Deutschland einreichte, deswegen von der Securitate verfolgt wurde und immer wieder seine Arbeitsstelle verlor, waren seine Qualitäten doch so gefragt, dass er immer wieder interessante Stellen bekam, wo er Erfindungsgeist und Kreativität einbringen konnte. So entwickelte er ab 1970 Schneidewerkzeuge und Sondermaschinen bei der „Industria Locala Brasov“ und ab 1974 landwirtschaftliche Maschinen und Geräte in der Entwicklungsabteilung (Sectia de proiectare si prototipuri Brasov). Da er gegen die neuerliche Entlassung 1976 vor Gericht klagte, konnte er im April 1977 endlich mit seiner Familie nach Deutschland ausreisen.
Nach einer Fortbildung für Konstrukteure und Projektleiter entwickelte er in einem Konstruktionsteam Produkte für unterschiedliche Betriebe – so eine Klaviertasten-Schneidmaschine für die Firma „Renner“ in Stuttgart, eine Blech-Offsetdruckmaschine für die Firma „Mailänder“ in Bietigheim – und konnte dabei etliche technische Neuheiten verwirklichen, zum Beispiel ein Rücksteuergetriebe für automatische Seitenziehmarken und eine automatische progressive Fettschmieranlage.
Diese Erfolge ermutigten ihn, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen und 1989 das eigene Konstruktions- und Entwicklungsbüro zu gründen. Neben Auftragsentwicklungen widmete er sich zunehmend der Umsetzung eigener Ideen. Schon 1990 wurde ein Saugkopf für schnelllaufende Bogen-Offsetdruckmaschinen entwickelt. Nachdem dafür das deutsche, europäische, japanische, USA- und GUS-Patent erteilt wurde, hat die „Druckmaschinenfabrik König und Bauer AG“ in Würzburg die Lizenz erworben. Ein ähnlicher Erfolg war der 1991 entwickelten Mehrfarben-Tampondruckmaschine beschieden, mit der auch gewölbte Flächen von Produkten (vor allem Teile aus Kunststoff wie Telefongehäuse, Autoteile, Haushaltsgeräte, Spielzeugartikel, Modelleisenbahnen und Werbeartikel) mit bis zu fünf Farben bedruckt werden können. Dabei wird, anders als üblich, das zu bedruckende Teil nicht von einer Farbe zur nächsten transportiert, sondern in einer Position fixiert, woraus der sehr präzise Druck resultiert. Die Firma „Marlock Mechanik“ in Baiersbronn, an die die Lizenz vergeben wurde, hat mit den in zwei Größen hergestellten Maschinen – MKM 80 und MKM 125 – wegen deren Druckgenauigkeit, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit einen solchen Erfolg, dass sie insbesondere wegen dieser Lizenz von dem Beteiligungskonzern ITW Chicago aufgekauft wurde.
Diese und ähnliche Erfolge führten dazu, dass sich Georg Binnen seit 1995 ausschließlich auf die Entwicklung und den Prototypenbau eigener Ideen sowie die Vergabe von Lizenzen konzentriert, da die Entwicklungen grundsätzlich patentiert werden. Das tut er im Rahmen der Nachfolgefirma „Binnen Konstruktionen GbR – Entwicklung graphischer Maschinen, Druck-, Sondermaschinen und Kleinfördergeräte“ gemeinsam mit seinem 1964 in Kronstadt geborenen Sohn Ewald Binnen, der das im Studium erworbene Wissen und die in anderen Betrieben gesammelten Erfahrungen einbringt. Zu den älteren Gebrauchsmustern und Patenten kamen neue hinzu, darunter: der Mehrzweckkinderwagen „FaPhi“, der elektrische Parkbalken „Parkboy“, das Rollstuhl-Zuggerät „Rolliflex“ sowie Rakel-Farbbehälter und Rakelvorrichtung für Tampondruckmaschinen.

Die Vergabe von Lizenzen ist inzwischen zur Haupteinnahmequelle der Firma geworden – weswegen sie auch ohne Firmengelände und mit nur zwei Angestellten auskommt. Allerdings findet nicht jede Entwicklung einen Lizenznehmer, und manch ein Produkt bleibt einfach liegen. Georg Binnen exemplifiziert das am Beispiel des Rollstuhl-Zuggerätes „Rolliflex“: „So suchen wir zurzeit einen Lizenznehmer für das Rolliflex. Da die Krankenkassen in der Bereitstellung von Hilfsmitteln nicht mehr so großzügig sind, ist es auch entsprechend schwer so ein Produkt auf den Markt zu bringen.“ Dabei hat das „Rolliflex“ einiges zu bieten: Die behinderte Person kann in einem handelsüblichen, klappbaren Rollstuhl sitzen bleiben und diesen durch einfaches Anfahren an das Zuggerät automatisch ankuppeln. Aus dem Rollstuhl und dem Zuggerät entsteht dabei ein kompaktes und stabiles vierrädriges Elektrofahrzeug mit zwei elektrischen Antriebsmotoren und Frontantrieb, das einfach zu bedienen ist und 30 Kilometer weit mit einer Geschwindigkeit von 6 km/h fahren kann.
So weit die Erfolgsgeschichte hier in Deutschland. Aber vielleicht wird sie auch in Rumänien fortgeschrieben, denn „Binnen Konstruktionen GbR“ sucht auch Lizenznehmer im Ausland. Vielfältig sind die Kontakte nach Rumänien, sie laufen über die „Wirtschaftsinformation Rumänien“ beziehungsweise ihre Nachfolgeorganisationen der GTZ, über Wirtschaftssymposien und Kooperationstagungen bis hin zu Messen und werden auch auf Empfängen hochrangiger deutscher wie rumänischer Politiker gepflegt – zuletzt am Nationentag Rumänien auf der „EXPO 2000“ in Hannover. Bei den Kontakten und der Zusammenarbeit mit rumänischen Partner wie z.B. „Metaloplast Kronstadt“ lassen sich Georg und Ewald Binnen von keinen Ressentiments leiten, aber die eigenen Erfahrungen haben sie davor bewahrt, allzu blauäugig und euphorisch loszulegen, um danach enttäuscht zu sein. Sie bleiben weiterhin engagiert: einerseits weil Rumänien in Europa strategisch günstig liegt, andererseits weil nur die wirtschaftliche Unterstützung des reichen Westens den Exodus der notleidenden Bevölkerung verhindern, Beschäftigung und Produktion ermöglichen sowie neue Absatzmärkte erschließen kann.
Trotz der beruflichen und familiären Verpflichtungen – auch Ewald Binnen ist verheiratet und zweifacher Vater – bleibt noch Zeit und Energie, um sich im Vereinsleben des Weinsberger Tales einzubringen oder den Kontakt zu siebenbürgischen Freunden und Bekannten zu pflegen. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist wohl auf Georg Binnens Zielstrebigkeit und Effizienz zurückzuführen. Typisch dafür ist auch seine Antwort auf unsere Frage, worauf er seinen beruflich-unternehmerischen Erfolg zurückführt: „Den Beruf als Hobby betrachten. Für Neues offen sein. Informationen einholen und auswerten.“ In einem ähnlichem Telegramm-Stil übermittelte er uns das, was er sich für die Zukunft wünscht: „Gesundheit, Frieden, stabile Wirtschaft.“ Möge es in Erfüllung gehen.

Hans-Werner Schuster

Schlagwörter: Wirtschaft, Unternehmer, Rosenau

Bewerten:

2 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.