24. März 2008

Peter Maffay will Kirchenburg kaufen

Er ist der bekannteste Siebenbürger in Deutschland: Peter Maffay, am 30. August 1949 in Kron­stadt geboren, hat seit Anfang der siebziger Jahre über 35 Millionen Tonträger verkauft, mit Abstand am meisten unter allen deutschen Rock- und Popmusikern. Beim Jahresempfang des Verbandes der Siebenbürger Sachsen am 31. Januar 2008 im Bayerischen Landtag wurde er mit großer Herzlichkeit als Ehrengast empfangen. Er habe nach langer Zeit zurückgefunden zur siebenbürgischen Gemeinschaft, erklärte der kosmopolitische Sänger, der heute abwech­selnd am Starnberger See und auf Mallorca lebt. Wie bereits gemeldet, ist die ARD-Sendereihe „Das Geheimnis meiner Familie“ am 28. April um 21 Uhr Peter Maffay gewidmet. Wie er zu seiner Vergangenheit steht und welche Zukunftspläne er mit dem Kauf einer Kirchenburg verfolgt, wollte Siegbert Bruss im folgenden Interview wissen.
Ende Februar warst du auf Spurensuche in Siebenbürgen. Ein mdr-Fernsehteam hat dich und deinen Vater Wilhelm zu den Menschen begleitet, die noch etwas über deine Familie wissen, ihr habt Orte besucht, wo deine Vorfahren gelebt haben: Kronstadt, Brenndorf und Szotyor (Coșeni). Wie hast du diese Begegnung mit deiner Vergangenheit erlebt?

Es war eine Berg- und Talfahrt, weil ich mit sehr vielen Emotionen konfrontiert wurde. Ich habe vieles in Erfahrung bringen können, was mir in der Kindheit gar nicht bewusst war. Mein Vater, der noch länger als ich nicht in Rumänien war, hat eine Zeitreise zurück unternommen. Wir haben festgestellt, dass vieles aus der Ver­gan­genheit doch sehr lebendig ist und uns mit Sicherheit wieder sensibilisiert für unsere Her­kunft, unsere Familien und die Vorkommnisse längst vergangener Zeiten. Für mich ist es die Quintessenz, dass es eigentlich eine Reise in die Zukunft war. Es entstand ein kompletteres Bild der eigenen Herkunft, und es wird eine schöne Auf­gabe sein, dieses Wissen zum Beispiel an mei­nen Sohn weiterzugeben.

Peter Maffay will sein soziales Engagement nach ...
Peter Maffay will sein soziales Engagement nach Siebenbürgen ausweiten, erklärte er beim Jahresempfang am 31. Januar 2008 im Bayerischen Landtag. Foto: Petra Reiner
Rumänien war in deiner Kindheit unter „die Glocke des Kommunismus gestülpt“, wie du in Interviews gesagt hast. Dein Vater war tagelang inhaftiert, und deine Mutter sagte dir, er sei verreist. Dennoch hast du eine glückliche Kindheit gehabt und als Einzelkind weder Liebe noch Geborgenheit vermisst. Welche Erinnerungen aus der Kronstädter Zeit möchtest du auch heute nicht missen?

Wir haben als Kinder in einer Welt gelebt, die insofern einzigartig war, als wir weder aus Ge­schichten noch aus eigener Erfahrung Ver­gleichsmöglichkeiten heranziehen konnten: Wie lebte man damals in Deutschland oder einem anderen Land? Es gab eben nur Rumänien und sonst nichts. Über diesen Tellerrand konnte man nicht hinweggucken und lebte in den Umstän­den, die begreifbar waren, im wahrsten Sinne des Wortes. So ist mir vor allem der Zusam­men­halt zwischen Menschen in Erinnerung geblieben, die sich gegenseitig in ihrer Not oder Be­dürftigkeit geholfen haben. Die Lebensgemein- ­schaft erstreckte sich nicht nur auf unseren Hof in der rumänischen Kirchengasse Nr. 5, sondern auch auf die Mittelgasse hinunter bis zum Walesch und zur Schule. Die Menschen kannten und halfen sich, um die Tagesfragen und Dinge des täglichen Lebens zu bewältigen. Das ist mir hängengeblieben.

In Kronstadt bist du auch zum ersten Mal in Berührung gekommen mit der Musik. Wie hat dann deine Musik-Karriere nach der Ausreise nach Deutschland begonnen?

Diese Musikberührung ist sehr wichtig. Im Laufe der Jahre bin ich immer mehr zum Verfechter der Ansicht geworden, dass Kinder unbedingt Zugang haben sollten zur Musik, weil das ein Medium ist, welches zur Selbstfindung und Persönlichkeitsbildung geradezu prädestiniert ist. Diese Berührung mit der Musik verdanke ich meiner Mutter. Sie wollte das, und als ich im Alter von sieben Jahren Geigenunterricht erhielt, war in keinster Form abzusehen, dass ich über Jahrzehnte von der Musik leben wür­de. Von 1963 bis 1970, nachdem ich von Rumä­nien herausgekommen bin, gab es schon den einen oder anderen musikalischen Gehversuch. Aber dass die Musik mein Lebensmittelpunkt sein würde, war frühestens 1970 erkennbar, als ich einen Schallplattenvertrag erhielt.

Du hast den Wandel vom Schlager-Star zum echten Rocker geschafft. Du nennst deinen Stil „Dreiklangmusik mit ganz normalen Blueska­denzen mit ein bisschen Ethno“. Was ist eigentlich siebenbürgisch an deiner Musik?

Ich habe es mir abgewöhnt, in solchen Termi­no­logien zu denken. Ich sehe mein Leben viel kosmopolitischer, und die Tatsache, dass ich mich zurück zu meinen Wurzeln bewege, zeigt, dass mein Interesse dazu sehr groß ist. Es ist et­was, was mir seelisch richtig gut tut. Aber ich bin kein Separatist oder Revanchist. Ich hatte das große Glück, die Welt ein bisschen bereisen zu können. Ich betrachte das alles gesamtheitlich und habe mir abgewöhnt, den Versuch zu unternehmen, dort, wo nichts ist, etwas zu finden.

Gibt es vielleicht einen inneren Zusammen­hang zwischen dem Jungen, der in Kronstadt aufgewachsen ist, und dem Künstler, der ein Millionenpublikum mit seiner Musik begeistern kann? Spielt deine siebenbürgische Her­kunft in deiner Entwicklung eine Rolle.

Zumindest nicht in quantifizierbarer Menge. Du kannst schlecht sagen: wohnhaft in der rumänischen Kirchengasse in Kronstadt, Nationa­lität: deutsch-ungarisch, also ist das, was dabei herauskommt, heute 2008 so und so erklärbar. Wir können nur vermuten, dass das, was mir und Tausenden anderen Menschen widerfahren ist, irgendwo einen Niederschlag hat. Aber wie viel das ist und ob das auf unseren nationalen Bezug zurückzuführen ist, das wage ich zu bezweifeln. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich auf keinen Fall vereinnahmen lassen will oder habe vereinnahmen lassen von irgendwelchen Tendenzen, die nicht mit meiner kosmopolitischen Weltanschauung übereinstimmen. Ich habe sehr klare Vorstellungen davon, wie ich mich politisch positioniere. Und dazu gehört ganz entscheidend, dass wir das Jahr 2008 als Realität begreifen und in höchst versöhnlicher Form aufeinander zugehen. Und deswegen käme ich nie auf den Gedanken, über ein rationelles Maß hinaus zu ergründen, ob meine musikalischen Wurzeln irgendetwas mit meiner Natio­nalität zu tun haben oder nicht. Sie entspringen sicher in einer Landschaft, die sich über Jahr­hunderte hinweg in verschiedenen Händen befunden hat. Das hat unsere Reise, die wir kürzlich gemacht haben, deutlich gezeigt: wie dieses Hin und Her im Laufe der Geschichte stattgefunden hat. Der Ursprung, den wir irgendwo vermuten, hat aber einen anderen Ursprung, der in unserer Menschheitsgeschichte Millionen Jahre zurück liegt. Man muss da sehr relativieren, wenn man seine eigene Vergangenheit betrachtet.

Du bist im gesellschaftspolitischen Bereich sehr engagiert, etwa in der Friedensbewegung. Wie bist du zum homo politicus herangewachsen, und welches ist dein gesellschaftspolitisches Credo?

Meine Berührungen mit der Politik, das geht uns allen ein bisschen ähnlich, haben ja nicht unten in Rumänien stattgefunden. In dieser kommunistischen Zeit sich mit Politik zu beschäftigen, war uns Kindern geradezu verboten. Die Auseinandersetzung mit Politik, mit der Gesellschaft, mit der Freiheit, die man genießt, mit demokratischen Strukturen etc., die setzt erst ein in Deutschland, und auch da ziemlich spät, weil man am Anfang so wahnsinnig viel nachzuholen hat und verständlicherweise materielle Schwerpunkte setzt.

Oder auch deine Ausbildung zum Chemigra­phen (Druckvorlagenhersteller).

Ja, wir mussten unsere Zukunft neu gestalten. Die war ja nicht gewachsen, sondern da ist man einfach von heute auf morgen in ein völlig neues Gesellschaftssystem eingestiegen, und da waren die Prioritäten zunächst anders. Aber die Arbeit in der Musik und Begegnungen mit Men­schen, die politisch anders gebildet waren, die aus anderen Erdteilen dieser Welt stammten, erzeugten einen gemeinsamen Nenner, der völlig woanders lag und kosmopolitisch war. Auch der Ost-West-Konflikt, der lange Zeit durch die Aufrüstung gekennzeichnet war, war Impuls­ge­ber in Sachen politische Bildung. Irgendwann zwischen 1970 und 1980 setzt dieses Bewusst­sein ein, welches dazu führt, dass man sich an gewissen Aktionen beteiligt, politische Inhalte zum Teil in die Musik einarbeitet oder sich Gedanken über soziale Fragen und die Kompe­tenz eines jeden Einzelnen macht.

Du hast deine Popularität und deinen Namen als Musiker genutzt, um die „Peter-Maffay-Stif­tung“ und die „Tabalugastiftung“ ins Leben zu rufen. Jetzt willst du deinen Einsatz nach Sie­benbürgen ausweiten und hast ein ganz konkretes Projekt vor Augen. Könntest du es für unsere Leser kurz vorstellen?

Ich tue dieses, und darauf lege ich großen Wert, mit äußerster Vorsicht. Wir sind am Anfang, und es gibt nichts Bedenklicheres, als über ungelegte Eier zu reden. Andererseits sind die Gespräche, die wir geführt haben, doch sehr konkret und man kann – mit aller Vorsicht – darüber sprechen. Wir haben hier in Spanien eine Stiftung, die sich um traumatisierte Kinder kümmert, 250 Kinder besuchen uns jedes Jahr und absolvieren zweiwöchige Ferienaufenthal­te. Sie stammen aus sehr schwierigen Famili­enverhältnissen, haben Erfahrungen auf dem Gebiet von Alkohol, Drogen, sexuellem Miss­brauch, Gewalt, sie verbringen bei uns – in Be­gleitung ihrer Pädagogen – therapeutische Ferien auf dem Bauernhof, wo sie einen Natur­kreislauf erleben, wie sie ihn wahrscheinlich nicht kennen, wo sie mit Tieren zusammenkommen und die Natur geradezu als besten The­rapeuten betrachten, den man sich vorstellen kann.

Das sind unsere grundsätzlichen Bemü­hun­gen. Und ich glaube, dass wir ein ähnliches Pro­jekt, mit Hilfe von Freunden, der evangelischen Kirche und staatlichen Behörden auch in Rumä­nien etablieren können. Wie die Projektbetreu­ung im Einzelnen aussieht, wissen wir nicht. Wir werden auf jeden Fall Impulsgeber sein. Ich glaube, dass so etwas in Rumänien sehr sinnvoll und wichtig ist. Ich habe das Gefühl, dass die Gesellschaft in Rumänien wieder Verantwor­tung übernimmt, so wie wir das von den hiesigen Nichtregierungsorganisationen kennen. Und es gibt eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, die das positiv sehen und sich an so einer Entwicklung beteiligen würden, ich meine ganz bestimmte Politiker, einen Teil der Wirtschaft und auf jeden Fall die Kirche, die gemeinsam eine solche Einrichtung in Siebenbürgen ins Leben rufen könnten.

Ein Wort zur Einrichtung selber: In Sieben­bürgen haben wir es zu tun mit einer einzigartigen Ansammlung von Bauten, die leider in sich zusammenfallen. Sie stellen ein unfassbares Kulturgut dar, welches maßgeblich bedingt durch unsere Geschichte entstanden ist. Ich rede natürlich von Kirchenburgen, die – ähnlich wie ein Bauernhof oder eine Insel – geradezu als Schutzraum für Kinder prädestiniert sind. Mit einer Kirchenburg könnten wir ein wunderbares Signal setzen als Begegnungsdrehscheibe von Kindern mit anderen Menschen, von Men­schen, die in die Geschichte zurückgucken und sich daran erinnern wollen, in welcher hohen Blüte siebenbürgische Kultur dagestanden hat und hoffentlich in Zukunft wieder dastehen wird. Ich habe mir einige Burgen in Begleitung eines fachkundigen Architekten anschauen dürfen und hatte das große Vergnügen, Bürger­meister Klaus Johannis nochmals zu treffen, und den evangelischen Landesbischof D. Dr. Chris­toph Klein in Hermannstadt zu besuchen, der ein überaus reizender Gastgeber war und mit dessen Hilfe wir rechnen können. Jetzt bin ich ein paar Tage zurück, und wir werden die Er­gebnisse unserer Reise auswerten, und dann sehen, welches Netzwerk wir etablieren können, um dann mit unserem Vorhaben weiterzumachen.

Wird das noch in diesem Jahr geschehen?

Das geht nahtlos weiter. Wir haben eine Reihe von Kirchenburgen angeguckt, die die Kriterien erfüllen, die wir uns vorstellen. Wir müssen jetzt bei null anfangen. Das beginnt mit den Besitz­verhältnissen, der möglichen Vertragsgestal­tung, man einigt sich, um die Einrich­tung zu benützen und wer die Entscheidungs­trä­ger sind. Nachdem wir die Einrichtungen lokalisiert ha­ben, erstellen wir eine Projektbeschreibung und entwickeln daraus den Dialog mit den entsprechenden Stellen. Ich glaube, dass wir in diesem Sommer bestimmt ein Stück weiter sein werden.

Noch eine letzte Frage: Du wurdest beim Jahres­empfang des Verbandes der Siebenbürger Sachsen am 31. Januar im Bayerischen Land­tag herzlich und mit großer Begeisterung aufgenommen. Wie hast du die Begegnungen mit deinen Landsleuten erlebt?

Ich habe beim Empfang gesagt, dass es mich Jahre gekostet hat, zu dieser Gemeinschaft zurückzustoßen. Ich war erstaunt über die Herz­lichkeit, die mich natürlich erreicht hat. Und eines will ich mit aller Klarheit loswerden: Ich möchte meine Präsenz auf einer sehr bodenstän­digen Ebene halten. Neutralität, gleiche Augen­höhe und Respekt im Umgang miteinander sind mir ganz wichtig. Ich vergesse meine Wurzeln nicht. Gerade im Augenblick beleben wir das ganz neu, es macht mir großen Spaß, und es ist mir eine große Ehre, mit Leuten zusammenzukommen, die mir viele geschichtliche Zusammenhänge beibringen können. Die Reise, die wir unternommen haben, war ein wunderbarer Trip. Es gilt nun, die vielen schönen Ver­bindungen und Bekanntschaften mit dem Ziel zu bündeln, die Lebensumstände für Kinder zu verbessern. Das ist es, worum es geht, und alles andere steht mal hintendran.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Musik, Maffay, Kirchenburgen, Hilfsprojekt, Burzenland, Brenndorf

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