5. Oktober 2009

Förderer der deutschen Kultur: Interview mit Mühlbachs Bürgermeister

Der Mühlbacher Bürgermeister Dr. Ing. Mugurel Liviu Sârbu fühlt sich der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte und der deutschen Minderheit in Rumänien stark verbunden. Er hat sich dafür eingesetzt, dass in der Altstadt auch die deutschen Straßennamen ausgeschildert werden. Die deutsche Kultur fördert er zum Beispiel durch die kürzlich organisierten Mühlbacher Musiktage, die dem Wunderkind Carl Flitsch (1830-1845) gewidmet waren. Das folgende Gespräch führte der Musikpädagoge Walter Krafft.
Welches ist Ihre historische Einstellung den Gründern dieser Stadt gegenüber?

Mühlbach ist eine der bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwähnten sächsischen Städte. Die als „Burg“ bezeichnete Stadt weist auf das Zusammenleben der deutschen und rumänischen Volksgruppen hin. Außerdem gab es hier auch eine zahlreiche ungarische Bevölkerung, die sich hier vor dem Kommen der „Sachsen“ angesiedelt hatte. Alle diese Volksgruppen haben dieser Stadt, die ursprünglich Sebus hieß, ihre charakteristischen Stempel aufgedrückt. Es gab mit Sicherheit eine gegenseitige Beeinflussung, die die Mentalität und die Lebensgewohnheiten der Einwohner geprägt hat.

Bürgermeister Mugurel Liviu Sârbu. ...
Bürgermeister Mugurel Liviu Sârbu.
Wie beurteilen Sie die massive Auswanderung der Deutschen? Denkt noch jemand über dieses historische Verbrechen nach?

Tatsächlich wurde seit Beginn des Kommunismus versucht, die deutsche Bevölkerung Rumäniens zu reduzieren oder gar auszulöschen. So wurden im Januar 1945 Deutsche nach Russland deportiert. Ich weiß jedoch nicht, ob man bei der Auswanderung der Deutschen von 1980 bis Anfang der 90er Jahre von einem „historischen Verbrechen“ sprechen kann. Damals wurden sie schließlich nicht mehr von Kommunisten in eine wüste Gegend Rumäniens deportiert, sondern sie wählten ein besseres Leben in ihrem deutschen Heimatland. Vor ihrer Abreise mussten sie allerdings manche schwierige Hürde überwinden. Ähnlich erging es auch den Staatsbürgern anderer kommunistischer Staaten, z. B. der DDR. Wir bedauern zutiefst die zwischen 1945 und 1990 stattgefundenen Ereignisse. Wir, die hier weiterleben, sind wegen dem massiven Rückgang der deutschen Bevölkerung in Mühlbach sehr bedrückt. Ihr Wegbleiben hat negative Folgen gehabt, das Zivilisationsniveau ist gesunken, denn es ist den Leuten, die statt ihrer nach Mühlbach zogen, nicht gelungen, das frühere hohe Niveau der Stadt wiederherzustellen.

Wie kann nach Ihrer Meinung die deutsche Kultur bei einer geringen Anzahl von rund 200 Deutschen in Mühlbach weiterleben?

Die Stadtverwaltung bemüht sich, die deutsche Kultur zu unterstützen, indem sie mit den verbliebenen Deutschen zusammenarbeitet und seit 2000 die Beziehungen zu unseren in Deutschland lebenden Sachsen vertieft. Bei verschiedenen Anlässen erweist man sich gegenseitig die Achtung. Wir bemühen uns immer wieder, Wünsche der ausgewanderten Sachsen zu verwirklichen. Da es sich hier um eine alte deutsche Stadt handelt, wurde der Beschluss gefasst, im Stadtzentrum auch die deutschen Straßennamen anzubringen. Ein kultureller Höhepunkt waren die „Mühlbacher Musiktage Carl Filtsch“, die die Stadt Ende Mai 2009 für drei Tage in eine Musikmetropole verwandelt haben.

Wie schätzen Sie die Situation der Familien ein, die Deutsch lernen wollen?

Der Volksschul- und Gymnasialunterricht wurde in Mühlbach immer zweisprachig erteilt. Bei der Gründung des ersten Mühlbacher Gymnasiums war die Unterrichtssprache Deutsch. Bedingt durch die Abnahme der deutschen Bevölkerung verringerte sich unglücklicherweise auch die Anzahl der Klassen mit deutscher Unterrichtssprache. Allerdings gibt es seitens der rumänischen Schüler eine große Nachfrage nach deutschem Sprachunterricht. Deswegen gibt es zurzeit drei deutsche Privatkindergärten in Mühlbach, im früheren deutschen Gymnasium und in Petersdorf funktioniert je eine Volksschule mit deutscher Abteilung. Leider herrscht ein akuter Mangel an deutschen Lehrkräften, und die Zukunft auf diesem Gebiet ist nicht ermutigend. Auf Initiative des rumänischen Unterrichtsministeriums wurde 2008 ein Projekt mit einer deutschen Universität gestartet, um deutsche Lehrkräfte für die Orte mit deutschem Bevölkerungsanteil und mit an der deutschen Sprache interessierten Schülern zu gewinnen. Dieses würde uns ermöglichen, die deutsche Abteilung am Lyzeum „Lucian Blaga“ wiederzueröffnen. Dies würde mit Begeisterung aufgenommen werden. Die Mühlbacher Schüler müssten dann nach dem Besuch der deutschen Grundschule zur Fortsetzung ihrer deutschsprachigen Ausbildung nicht mehr an das Hermannstädter Brukenthal-Gymnasium fahren.

Wie arbeiten die lokalen Behörden mit der evangelischen Kirche in Mühlbach zusammen?

Im Laufe der Jahre haben wir auf verschiedensten Gebieten zusammengearbeitet. Zurzeit ist die Restaurierung der Kirche unser wichtigstes gemeinsames Projekt. Zur Finanzierung trägt die Europäische Union bei, aber auch das Bürgermeisteramt beteiligt sich finanziell. Für uns ist die evangelische Kirche ein wichtiger Partner – ihre Meinung wird bei wichtigen Entscheidungen immer wieder eingeholt. Der Pfarrer des zu Mühlbach gehörenden Petersdorf, Dr. Wilhelm Wünsch, bekleidet als Bezirksdechant ein wichtiges kirchliches Amt.

Wie kommt Mühlbach mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zurecht?

Die wirtschaftliche Entwicklung Mühlbachs hat ihre Wurzeln in den traditionellen schon Ende des 19. Jahrhunderts betriebenen Industrien: Holz, Leder, Textilwaren. Diese Industrien, die sogar in kommunistischer Zeit produziert haben, sind nach 1990, auch dank ausländischer Investitionen, aufgeblüht und haben heute in einigen Sparten europäische bzw. Weltgeltung. Seit 2000 ist Mühlbach sowohl wirtschaftlich als auch von der Bevölkerungszahl gewachsen, so dass es heute zu den begehrtesten Wirtschaftsstandorten Rumäniens gehört. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat sich in unserer Stadt noch nicht bemerkbar gemacht. Nach Einschätzung von Finanzexperten gibt es sogar ermutigende Anzeichen betreffend die Zahl der Beschäftigten und die Industrieproduktion. Die städtischen Einnahmen haben die Prognosen sogar überschritten!

Was für eine Botschaft möchten Sie den Siebenbürger Sachsen übermitteln?

Ich möchte unsere tiefe Achtung gegenüber der deutschen Gemeinschaft aussprechen. Wer immer seine Heimatstadt besuchen möchte, wird bei uns immer willkommen sein. Weswegen sollte er nicht den Beschluss fassen zurückzukehren? Heute hat sich die Situation von Grund auf geändert und geschäftlich gesehen kann Mühlbach auch eine interessante Alternative darstellen. Das Besondere dieser deutschen Stadt („Burg“), in der wir geboren sind und in der wir leben, ist nicht verloren gegangen. Wenn jemand zurückkehren möchte, wird er mit offenen Armen empfangen werden. Mühlbach stellt für die Deutschen den idealen Ort für einen Besuch, einen vorübergehenden oder ständigen Aufenthalt dar.

Herr Bürgermeister, wir danken Ihnen für diese interessanten Informationen und anerkennenden Worte.

Schlagwörter: Politik, Mühlbach, deutsch-rumänische Beziehungen

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