27. März 2010

Jubiläum der siebenbürgischen Musikwelt: Hans Peter Türk wird 70

Der Komponist, Musikwissenschaftler und Pädagoge Hans-Peter Türk feierte am 27. März seinen 70. Geburtstag. Vor zehn Jahren widmete ihm die Siebenbürgische Zeitung einen umfassenden Artikel, in dem es hieß: „Hans-Peter Türk gilt als der heute bedeutendste sächsische Komponist, der in seinen Tonschöpfungen immer wieder auf die Musiktradition seiner siebenbürgischen Heimat zurückgreift und sie in der modernen Klangwelt seiner Kompositionen neu erstehen lässt.“
Ein glänzendes Beispiel, das diesen Satz bestätigt, ist die 2007 in der europäischen Kulturhauptstadt Hermannstadt uraufgeführte „Siebenbürgische Passionsmusik für den Karfreitag nach Matthäus für Chor, Solisten und Orgel“. Als Fortsetzung der „Matthäuspassion“ von Rudolf Lassel in identischer Besetzung gedacht, gelingt es dem Werk, gleichzeitig auf die Tradition der Heimat zurückzugreifen und eine vollkommen neue Musikwelt zu schaffen. Zwei Jahre später erschien die Komposition als CD bei Dabringhaus und Grimm, eingespielt von Christfried Brödel und der Meißner Kantorei 1961, an der Orgel Ursula Philippi. Die CD erhielt den „Supersonic Award“ der Pizzicato-Stiftung Luxemburg.

Hans-Peter Türk besuchte die Grundschule in Zeiden, anschließend das Honterus-Lyzeum in Kronstadt. Die ersten musikalischen Kenntnisse erwarbt er an der dortigen Kunstvolksschule. Der Musikunterricht in Klavier, Harmonielehre und Musiktheorie beim Kantor und Organisten der Schwarzen Kirche, Victor Bickerich, war für Türks Karriere ein Wendepunkt. Seine erste Kantate, „Weise mir, Herr, deinen Weg“, widme­te der Schüler später seinem Kronstädter Meister. Hans Peter Türk studierte Komposition und Musikpädagogik an der Musikakademie „Gheor­ghe Dima“ in Klausenburg, mit namhaften Persönlichkeiten wie Cornel Țăranu (Harmonielehre), Vasile Herman (Formenlehre), Traian Mârza (Folklore) und Gheorghe Sava (Klavier). Entscheidend aber war die Begegnung mit seinem Kompositionsprofessor und musikalischen Mentor Sigismund Toduță.
Hans-Peter Türk gilt als der heute bedeutendste ...
Hans-Peter Türk gilt als der heute bedeutendste sächsische Komponist. Foto: privat
Türk blieb nach seinem Hochschulabschluss als Lehrbeauftragter an der Klausenburger Musikakademie, zuerst als Assistent von Toduță, dann als Lektor für Harmonielehre und Komposition. Unter der wissenschaftlichen Betreuung Toduțăs schrieb Türk seine Promotionsarbeit zur „Wechseldominante im Werk W. A. Mozarts“ (1978).

Erst nach der Wende konnte er den Professorentitel an der Universität erhalten (der zuvor aufgrund seines fehlenden Parteibuchs verweigert wurde) und zum ersten Mal nach Deutschland reisen, wo er bis dahin zu Unrecht fast unbekannt war. Seit 1967 ist er Mitglied im Ver- ­band der Komponisten und Musikwissenschaftler Rumäniens. 1991 wurde er Vorsitzender der Stiftung „Sigismund Toduță“, Klausenburg und Mitglied der „Rumänischen Mozart-Gesellschaft“, ein Jahr danach gründete er die rumänische Bach-Akademie. 1997 trat er der „Neuen Bachgesellschaft e. V.“ Leipzig bei.

Türk erhielt 1979 den „George-Enescu“-Preis der Rumänischen Akademie für die Komposition „Resonanzen“, 1995 den „Johann-Wenzel-Stamitz“-Preis des Künstlervereins Esslingen für sein gesamtes Schaffen, und im selben Jahr den Preis der Stadt Coesfeld für das Orchesterwerk „Narben“ (1995). Zudem war er Jury-Mitglied der Kompositionswettbewerbe „Sigismund Toduță“, Bistritz, „W. A. Mozart“ Klausenburg und „Josef Reinl“, München.

Hans Peter Türk zeichnet sich als origineller Repräsentant der siebenbürgischen Musik und als glänzender Exeget der deutschen Kultur aus. Im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit recherchierte er in den musikalischen Archivbeständen Siebenbürgens und veröffentlichte einerseits wertvolle Studien und Monografien über die siebenbürgische Musik, übernahm und verarbeitete andererseits in seinen eigenen Werken Themen aus den erforschten Materialien. In seinen Kompositionen spürt man einzigartige siebenbürgische Wurzeln, die ihn von seinen Klausenburger Kollegen unterscheiden. Hans Peter Türk spricht eine äußerst moderne musikalische Sprache. Zu seinen vokal-symphonischen Werken gehören „Zwei sächsische Volksballaden“ für Chor, Schlagzeugensemble und Bläser, die Kantaten „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ sowie „Siebengestirn“ zu Gedichten von Joachim Wittstock. Für Orchester schrieb er eine Symphonie, ein „Praeludium, Kanon und Choral“, die preisgekrönten „Resonanzen“ für 24 Bläser, Vibraphon, Celesta und Glockenspiel, sowie „Narben“, „der Stadt Coesfeld zum Gedenken an die Wunden des Zweiten Weltkriegs“ gewidmet. Türk zeichnet auch für die Musik des Films „Der Glockenkäufer“ von Alexandru Tatos (1984) nach einem Drehbuch von Frieder Schuller verantwortlich. Seine kammermusikalischen Werke umfassen Trios für Bläser oder Streicher, Sonaten, Suiten, Improvisationen, Werke für Quartett u.a. Er schrieb auch „Variationen über die sächsische Volksballade ‚Honnes Moler‘“ für Kla­vier, sowie „Permutationen“ und die Variationen „In honorem Honteri“ für Orgel, die er als Symbolinstrument in der Kirche betrachtet. Chor­musik komponierte er zu Bibeltexten, aber auch zu Dichtungen von Wolf von Aichelburg, Ana Blandiana, Marin Sorescu, Gerda Miess und verarbeitete rumänische Weihnachtslieder und sächsische Volksgesänge. In diesem Zusammenhang sei die äußerst fruchtbare Zusammenarbeit Türks mit dem Hermannstädter Bachchor und der Meißner Kantorei erwähnt, die im Laufe der Zeit Schallplatten- und CD-Einspielungen seiner Werke herausgaben.

Hans-Peter Türk veröffentlichte musikwissenschaftliche Studien und Artikel zu Mozart und Bach sowie Paul Richter, Sigismund Toduță, Béla Bartók, Gabriel Reilich, Valentin Greff-Bakfark, W. G. Berger und George Enescu, zudem eine umfassende Harmonielehre für den Hochschulunterricht. Seine Kompositionen wurden in Italien, Deutschland, Ungarn, Österreich, Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Finnland, Holland, Dänemark, der Schweiz, Japan und Südafrika aufgeführt. Hans-Peter Türks musikalische Vision scheint das Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation, zwischen Ausdruckskraft und Akkuratesse zu sein, so dass seine Musik für den Hörer – für den Berufsmusiker wie für den Konzertbesucher – stets eine Freude bleibt.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Musik, Komponist, Klausenburg

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