8. Mai 2008

Deutsche Geschichte erfahren: Oettinger auf Studienfahrt in Siebenbürgen

Eine Schülergruppe des Albrecht-Ernst-Gymnasiums (A-E-G) in Oettingen (Landkreis Donau-Ries) hat kürzlich eine Studienfahrt nach Siebenbürgen unternommen. Im Folgenden berichten die Begleitlehrer Pfarrer Paul Sattler und Günther Schmalisch über die eindrucksvolle Reise der Neuntklässler.
Obwohl sich mit Siebenbürgen ein wichtiger Teil deutscher Geschichte verbindet und viele familiäre Wurzeln dort ihren Ursprung haben, bleibt dies auch im Schulunterricht meist unbeachtet. Auch deshalb führte eine Studienfahrt des Oettinger Albrecht-Ernst-Gymnasiums in diesem Jahr wieder in das neue EU-Land Rumänien. Zusammen mit ihren Begleitlehrern Pfarrer Paul Sattler und Günther Schmalisch hatten sich 24 Schülerinnen und Schüler aus den neunten Klassen auf die fast 1 500 Kilometer lange Reise begeben, die sie in eine Welt führte, in der einerseits Bekanntes und Vertrautes, andererseits doch völlig Fremdes auf sie wartete.

Da die Geschichte Siebenbürgens eng mit der von Österreich und Ungarn verbunden ist, bot es sich an, während der langen Reise bei Schloss Schönbrunn in Wien und auch im nächtlichen Budapest eine Rast einzulegen. Schon bald nach dem Überqueren der Grenze zu Rumänien stellten die Schüler erstaunt fest, dass das Land wohl ein erhebliches Müllproblem hat. „Schade, dass sie ihr eigenes, so schönes Land so wenig sauber halten“, war der Kommentar einer Schülerin. Überhaupt sind es die starken Kontraste, die ins Auge fallen. Meist nur wenige Kilometer voneinander getrennt stehen moderne, riesige Einkaufszentren westlicher Konzerne an den Stadträndern und Dörfer, in denen die Zeit seit vielen Jahrzehnten still zu stehen scheint. Luxuriöse Neubauten findet man direkt neben einsturzgefährdeten ärmlichen Behausungen und vom First-Class-Hotel blickt man direkt auf eine wilde Müll- und Schuttdeponie mitten in Hermannstadt.
Obwohl schon viel geschehen ist, bleibt noch eine Menge zu tun. Das stellten die Schüler auch während der Stadtführung mit Andreea Domitru fest. Beobachtet von den „Augen der Stadt“, so werden die vielen markanten Dachfenster genannt, erkundeten die Oettinger am ersten Tag das etwa 180 000 Einwohner zählende Hermannstadt, dessen Geschichte seit 1191 vor allem durch die christlichen Konfessionen geprägt wurde. Ein interessantes Zeugnis der bewegten Vergangenheit bildet das Taufbecken in der evangelischen Kirche, das aus einer türkischen Kanone in die Form einer Glocke umgegossen wurde. Neben dem „Schatzkästlein“, einer mittelalterlichen Markthalle, durfte auch der Gang über die erste Gusseisenbrücke Rumäniens, die „Lügenbrücke“, nicht fehlen. Von der großen Bedeutung, die die deutsche Sprache gerade für die Jugendlichen in Rumänien hat, erfuhren die Oettinger unter anderem im Brukenthal-Gymnasium von Schulleiter Gerold Hermann. Der Direktor begrüßte die Gruppe in seiner deutschsprachigen Schule. Bei einem Fußball-Freundschaftsspiel überließen die „A-E-Gler“ den Gastgebern den Sieg.
Gruppenbild vor historischen Häusern im ...
Gruppenbild vor historischen Häusern im Freilichtmuseum nahe Hermannstadt.
Nach der Gegenwart bot der Rundgang im Freilichtmuseum nahe Hermannstadt, dem weltweit größten seiner Art, einen interessanten Einblick in die Geschichte des Landes. Anhand der verschiedenen Häuser und Gebrauchsgegenstände wurde das Leben in den vergangenen Jahrhunderten richtig lebendig. Geschichte und Gegenwart verwoben sich während der Fahrt durch Rásinar, einem typisch rumänischen Dorf, und Michelsberg, einem typischen Ort der Siebenbürger Sachsen, wobei auch optisch immer noch deutliche Unterschiede zu erkennen sind. Die erste große Exkursion führte in die drittgrößte Stadt Rumäniens, nach Kronstadt, Heimatstadt von Peter Maffay. Die bekannteste Attraktion bildet die „Schwarze Kirche“, die größte spätgotische Hallenkirche Mittel- und Osteuropas. In Siebenbürgen erzählen vor allem die Wehrkirchen die Geschichte des Landes und ihrer Bewohner. Die größte ihrer Art in Siebenbürgen ist die Kirche in Tartlau. Die Bauweise mit den über 200 Vorratskammern für die Familien des Ortes ließ für die Gruppe den Behauptungswillen der Menschen in den vergangenen Jahrhunderten, vor allem gegen die Überfälle der Türken, und die vielfach zu bestehenden Widrigkeiten erahnen.
Die Gruppe vor dem aus einer türkischen Kanone ...
Die Gruppe vor dem aus einer türkischen Kanone gegossenen Taufbecken in der Evangelischen Kirche in Hermannstadt.
Kirchen begleiteten die Schüler auch auf der Fahrt nach Schäßburg, der Partnerstadt von Dinkelsbühl. In der Bergkirche, sind zahlreiche Altäre aus den vom Verfall bedrohten Kirchen der umliegenden Gemeinden zusammengetragen. Auch in den Dörfern rund um die Städte, wo die Schüler die kleinbäuerlichen Strukturen, Pferdewagen, die Arbeit mit den Pferden auf den Äckern und Gemächlichkeit erleben konnten, verbergen sich Schätze. So in Birthälm, das neben der ältesten Apotheke Rumäniens mit seiner Wehrkirche ein Weltkulturerbe beherbergt, das Besucher aus aller Welt bestaunen.

Trotz der vielen Wandlungen und Umbrüche, die Gastfreundschaft ist noch erhalten geblieben, wie die Schüler in Kleinblasendorf, der ersten Pfarrstelle von Paul Sattler, spüren konnten. Nicolae Marginian, ein Freund Sattlers aus vergangenen Tagen, ließ es sich nicht nehmen, die ganze Gruppe zum Grillfest einzuladen. Große Freude lösten die Oettinger im Pfarramt Hermannstadts aus, als sie ihre gesammelten Kleiderspenden in der Kleiderkammer abgaben. Pfarrer Hans-Georg Junesch dankte besonders auch für die mitgebrachten Arzneimittel. Lange Schlangen bilden sich jedes Mal an den Ausgabetagen vor der Arzneiausgabestelle, berichtete er, denn viele seien aus materieller Not auf die Spenden dringend angewiesen.
Große Freude bereiteten die mitgebrachten ...
Große Freude bereiteten die mitgebrachten Kleiderspenden bei den Mitarbeiterinnen in der Kleiderkammer in Hermannstadt.
Am Ende der erlebnisreichen Tage hatten die Schüler einen für viele zuvor unbekannten Ausschnitt deutscher Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Neben vielen Informationen wurden auch Fragen aufgeworfen, wie der schwierige Weg in die Zukunft des Landes gemeistert werden kann, so dass nicht nur eine Minderheit, sondern möglichst viele davon profitieren können. Es gibt noch sehr viel zu tun, auch in den Köpfen der Menschen, hoffentlich gibt es auch genügend, die anpacken.

Paul Sattler und Günther Schmalisch

Schlagwörter: Reise, Reisebericht, Studienreise

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