14. Dezember 2008
Siebenbürgische Akademie tagte in Deutsch-Weißkirch
Die 23. Internationale Siebenbürgische Akademie von Studium Transylvanicum und Schola Septemcastrensis fand vom 8. bis 13. September 2008 in Deutsch-Weißkirch statt. Ein Teilnehmer berichtet.
Es ist der 8. September, 8 Uhr in der Früh. Trotz Ferienzeit schaffe ich es pünktlich aufzustehen und finde mich am Honterushof in Kronstadt ein. Es frösteln hier schon mehrere Teilnehmer, bald soll es losgehen nach Deutsch- Weißkirch zur 23. Internationalen Siebenbürgischen Akademiewoche. Was ich mir als Neuling davon erwarte, weiß ich eigentlich selber noch nicht so genau. Wissensdurstig bin ich jedenfalls, insbesondere dann, wenn es um mein Heimatland und die Region geht, in der meine Vorfahren gelebt haben.
Die Fahrt geht los und wir schlagen auch bald die Schotterpiste nach Deutsch-Weißkirch ein. Die „Daker“, wie wir die westeuropäischen Reisenden aus dem Wiener „Dacia“-Express kurzerhand nennen, lassen auf sich warten, da sie mit einer fünfstündigen Verspätung gepeinigt werden. Endlich kommen sie in Schäßburg an und stoßen bald zu uns. Die Gruppe wird somit vollständig, wir können essen, endlich und gemeinsam! Die Stimmung steigt.
Nach der Aufteilung der Unterkünfte folgt die Einführung in die Thematik. Insbesondere die gegenseitige Bedingtheit der verschiedenen nationalen Erinnerungskulturen und -diskurse in einem multiethnischen Raum wie Siebenbürgen wird dabei betont und auf die weitestgehende Friedlichkeit trotz aller Konkurrenz hingewiesen. Es folgen organisatorische Hinweise und eine „AG für Einsteiger“: Dr. Meinolf Arens führt Grundlegendes zur siebenbürgischen Geschichte aus. Die Strapazen der Anreise ziehen besonders die „Daker“ an diesem Abend früh ins Bett.
Am nächsten Tag geht es für mich und die vielen anderen Akademieneulinge so richtig los! Den Einstieg macht Dr. Klaus Jürgen Hermanik. Er redet über die Thematik der in Siebenbürgen konkurrierenden Erinnerungskulturen. Viele unbekannte und neue Dinge zum Marienkult in Siebenbürgen erfahre ich in dem Vortrag von Dr. Meinolf Arens. Leider entsprach nicht alles genau meinen Erwartungen. Ich hatte eher eine seminarorientierte Struktur der Akademie erwartet, weniger Vorlesungen. Die konstruktiven wie kritischen Diskussionen im Anschluss an die meisten Vorträge ließen deutlich erkennen, dass auch die Zuhörer auf ihre Kosten gekommen sind.
Nach dem Nachmittagskaffee stellt Timo Hagen siebenbürgische Denkmäler aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ihre durch politische Wechselfälle bedingten Schicksale bis heute vor. Bildliche Darstellungen mithilfe von Power-Point-Präsentationen erhöhen die Anschaulichkeit. Der anschließende Vortrag von Dr. Johannes Klein liefert darüber hinaus auch reichlich Anlass zum Nachdenken. Seine Interpretation des Altarretabels von Fritz Schullerus in Seligstadt ist zwar umfassend, lässt aber bewusst viele Fragen offen und gibt dadurch Denkanstöße, die in eine lebhafte Diskussion münden.
Das Abendbrot schieben wir hinaus, um uns von Caroline Fernolend Einblicke in die Bemühungen der gesamten Dorfgemeinschaft um den Erhalt des ursprünglichen Charakters des Dorfes, vor allem auch durch die Fortführung der lokalen Handwerkstechniken, geben zu lassen. Schmiede und Ziegelmanufaktur hinterlassen auf diesem (Informations-)Spaziergang einen nachhaltigen Eindruck.
Über die Kirchenburg und Selbstdarstellung wie Außenwahrnehmung der ehemals sächsisch dominierten Gemeinde Deutsch-Weißkirch spricht Ursula Fernolend (die „Gastgeberin“ der Akademiewoche) am dritten Tag. Dafür gehen wir in die Kirche und werden angewiesen, der alten Tradition entsprechend Platz zu nehmen: Frauen und Mägde (Fräulein) in der Mitte, Männer und Burschen auf der Empore. Am Ende ihrer lebendigen Ausführungen, während welcher auch ihre Großmutter Sara Dootz, die Burghüterin, zu Wort kam, haben wir ein ziemlich genaues Bild von früher und heute, von den Sorgen und Hoffnungen eines bemerkenswerten Dorfes. Anschließend fahren wir nach Schäßburg und besichtigen auf Einladung des Direktors Nicolae Teșculă zunächst das städtische Museum im Stundturm. Es folgen die Bergkirche und die Burg, wo Hans Hedrich unser Führer ist. Danach verabschieden wir die Mainzer Studienreisenden, die unter der Leitung von Dr. Hans-Christian Maner für einen halben Tag zu uns gestoßen waren. Nach dem Gruppenbild vor dem Wohnhaus des Chronisten Georg Krauss lassen wir es uns nicht nehmen, angeregt von Timo Hagens Ausführungen (am Vortag), nach Anbruch der Dunkelheit in der mittlerweile zugebauten Weißkircher Au nach dem Denkmal des 1849 dort gefallenen russischen Generals Skariatin zu suchen. Nur durch Mithilfe eines Anwohners und unter Einsatz von Taschenlampen konnte das Denkmal entdeckt werden. Die Vernachlässigung des Prachtsarkophages von Skariatin hatte uns nicht sonderlich überrascht. Wir standen inmitten einer Baustelle. Das Denkmal ist sozusagen der Grenzstein zweier dicht beieinander stehender Villengrundstücke geworden. Der Abend klingt im Vorstadtlokal „Zum letzten Leu“ gemütlich aus.
Am letzten Tag bietet der Nachmittag eine Abwechslung zu den üblichen Vorträgen. Die Abschlussrunde und eine intensive Übersetzungsrunde von „Inquisitio Transylvanica“ sorgen dafür. Die anschließende gemeinsame Planung der kommenden Akademiewoche ergibt, dass nächstes Jahr die Akademiewoche unbedingt wieder in Deutsch-Weißkirch stattfinden muss. Als Rahmenthema für die 24. Ausgabe der Akademiewoche wurde „Siebenbürgen – Lesen – Lernen“ festgelegt.
Die fünf Tage in Deutsch-Weißkirch waren einfach nur zum Genießen. Nicht alle Vorträge sprachen mich auf Anhieb an, aber Ansätze und Anregungen zu eigenständigen Nachforschungen bekam ich auf jeden Fall. So viel zum „Studium“. Junge Leute sind doch alles andere als immer nur ernst. Lustige Abende gab es natürlich auch. Meist gab es einen starken Schnaps und hausgemachten Wein zum Abendbrot. Generell war die Akademiewoche auch als „Anfänger“ zu genießen. Als Stadtmensch kann es himmlisch sein, an einen Ort zu gelangen, in dem man nicht in allen Handynetzen guten Empfang hat, wo es keine Spur von Asphalt gibt, wo man hausgemachtes Brot bekommt (nur ein Symbol für das göttliche Essen) und mit freundlichen und lustigen Menschen zusammen sein kann. Man fährt mit dem Gefühl nach Hause: „Da musst du nächstes Jahr wieder teilnehmen!“ Da auch die Akademiewoche nicht ohne Förderer auskommt, möchte ich im Namen aller denen danken, die dies ermöglicht haben: der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, dem Demokratischen Forum der Deutschen, Kreis Kronstadt, der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, Archiv und Bibliothek der Honterusgemeinde Kronstadt, der Evangelischen Kirche A.B. Kronstadt sowie der Firma SELGROS, darüber hinaus in besonderer Weise unseren hervorragenden Gastgebern.
Die Fahrt geht los und wir schlagen auch bald die Schotterpiste nach Deutsch-Weißkirch ein. Die „Daker“, wie wir die westeuropäischen Reisenden aus dem Wiener „Dacia“-Express kurzerhand nennen, lassen auf sich warten, da sie mit einer fünfstündigen Verspätung gepeinigt werden. Endlich kommen sie in Schäßburg an und stoßen bald zu uns. Die Gruppe wird somit vollständig, wir können essen, endlich und gemeinsam! Die Stimmung steigt.
Nach der Aufteilung der Unterkünfte folgt die Einführung in die Thematik. Insbesondere die gegenseitige Bedingtheit der verschiedenen nationalen Erinnerungskulturen und -diskurse in einem multiethnischen Raum wie Siebenbürgen wird dabei betont und auf die weitestgehende Friedlichkeit trotz aller Konkurrenz hingewiesen. Es folgen organisatorische Hinweise und eine „AG für Einsteiger“: Dr. Meinolf Arens führt Grundlegendes zur siebenbürgischen Geschichte aus. Die Strapazen der Anreise ziehen besonders die „Daker“ an diesem Abend früh ins Bett.
Am nächsten Tag geht es für mich und die vielen anderen Akademieneulinge so richtig los! Den Einstieg macht Dr. Klaus Jürgen Hermanik. Er redet über die Thematik der in Siebenbürgen konkurrierenden Erinnerungskulturen. Viele unbekannte und neue Dinge zum Marienkult in Siebenbürgen erfahre ich in dem Vortrag von Dr. Meinolf Arens. Leider entsprach nicht alles genau meinen Erwartungen. Ich hatte eher eine seminarorientierte Struktur der Akademie erwartet, weniger Vorlesungen. Die konstruktiven wie kritischen Diskussionen im Anschluss an die meisten Vorträge ließen deutlich erkennen, dass auch die Zuhörer auf ihre Kosten gekommen sind.
Nach dem Nachmittagskaffee stellt Timo Hagen siebenbürgische Denkmäler aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ihre durch politische Wechselfälle bedingten Schicksale bis heute vor. Bildliche Darstellungen mithilfe von Power-Point-Präsentationen erhöhen die Anschaulichkeit. Der anschließende Vortrag von Dr. Johannes Klein liefert darüber hinaus auch reichlich Anlass zum Nachdenken. Seine Interpretation des Altarretabels von Fritz Schullerus in Seligstadt ist zwar umfassend, lässt aber bewusst viele Fragen offen und gibt dadurch Denkanstöße, die in eine lebhafte Diskussion münden.
Das Abendbrot schieben wir hinaus, um uns von Caroline Fernolend Einblicke in die Bemühungen der gesamten Dorfgemeinschaft um den Erhalt des ursprünglichen Charakters des Dorfes, vor allem auch durch die Fortführung der lokalen Handwerkstechniken, geben zu lassen. Schmiede und Ziegelmanufaktur hinterlassen auf diesem (Informations-)Spaziergang einen nachhaltigen Eindruck.
Über die Kirchenburg und Selbstdarstellung wie Außenwahrnehmung der ehemals sächsisch dominierten Gemeinde Deutsch-Weißkirch spricht Ursula Fernolend (die „Gastgeberin“ der Akademiewoche) am dritten Tag. Dafür gehen wir in die Kirche und werden angewiesen, der alten Tradition entsprechend Platz zu nehmen: Frauen und Mägde (Fräulein) in der Mitte, Männer und Burschen auf der Empore. Am Ende ihrer lebendigen Ausführungen, während welcher auch ihre Großmutter Sara Dootz, die Burghüterin, zu Wort kam, haben wir ein ziemlich genaues Bild von früher und heute, von den Sorgen und Hoffnungen eines bemerkenswerten Dorfes. Anschließend fahren wir nach Schäßburg und besichtigen auf Einladung des Direktors Nicolae Teșculă zunächst das städtische Museum im Stundturm. Es folgen die Bergkirche und die Burg, wo Hans Hedrich unser Führer ist. Danach verabschieden wir die Mainzer Studienreisenden, die unter der Leitung von Dr. Hans-Christian Maner für einen halben Tag zu uns gestoßen waren. Nach dem Gruppenbild vor dem Wohnhaus des Chronisten Georg Krauss lassen wir es uns nicht nehmen, angeregt von Timo Hagens Ausführungen (am Vortag), nach Anbruch der Dunkelheit in der mittlerweile zugebauten Weißkircher Au nach dem Denkmal des 1849 dort gefallenen russischen Generals Skariatin zu suchen. Nur durch Mithilfe eines Anwohners und unter Einsatz von Taschenlampen konnte das Denkmal entdeckt werden. Die Vernachlässigung des Prachtsarkophages von Skariatin hatte uns nicht sonderlich überrascht. Wir standen inmitten einer Baustelle. Das Denkmal ist sozusagen der Grenzstein zweier dicht beieinander stehender Villengrundstücke geworden. Der Abend klingt im Vorstadtlokal „Zum letzten Leu“ gemütlich aus.
Nicht nur „Studium“
Die verbleibenden zwei Tage sollten die schönsten sein. Referate wie das von Emese Veres, die über die Erinnerungskultur der Siebendörfer Tschangos bezüglich der Revolution von 1848/49 und der Flucht von 1916 reflektiert, oder das Referat von Thomas Șindilariu, der versucht, Blau-Rot als Identifikationsfarben der Siebenbürger Sachsen in der Zeit zurückzuverfolgen, beginnend mit dem Ende des 19. Jahrhunderts, waren besonders anregend. Den Höhepunkt des vorletzten Abends erleben wir unter Anleitung von Caroline und Ursula Fernolend, die uns erste Brocken der siebenbürgisch-sächsischen Mundart nach der Deutsch-Weißkircher Variante beibringen. Zungenbrecher sorgen für so manchen Lachkrampf.Am letzten Tag bietet der Nachmittag eine Abwechslung zu den üblichen Vorträgen. Die Abschlussrunde und eine intensive Übersetzungsrunde von „Inquisitio Transylvanica“ sorgen dafür. Die anschließende gemeinsame Planung der kommenden Akademiewoche ergibt, dass nächstes Jahr die Akademiewoche unbedingt wieder in Deutsch-Weißkirch stattfinden muss. Als Rahmenthema für die 24. Ausgabe der Akademiewoche wurde „Siebenbürgen – Lesen – Lernen“ festgelegt.
Die fünf Tage in Deutsch-Weißkirch waren einfach nur zum Genießen. Nicht alle Vorträge sprachen mich auf Anhieb an, aber Ansätze und Anregungen zu eigenständigen Nachforschungen bekam ich auf jeden Fall. So viel zum „Studium“. Junge Leute sind doch alles andere als immer nur ernst. Lustige Abende gab es natürlich auch. Meist gab es einen starken Schnaps und hausgemachten Wein zum Abendbrot. Generell war die Akademiewoche auch als „Anfänger“ zu genießen. Als Stadtmensch kann es himmlisch sein, an einen Ort zu gelangen, in dem man nicht in allen Handynetzen guten Empfang hat, wo es keine Spur von Asphalt gibt, wo man hausgemachtes Brot bekommt (nur ein Symbol für das göttliche Essen) und mit freundlichen und lustigen Menschen zusammen sein kann. Man fährt mit dem Gefühl nach Hause: „Da musst du nächstes Jahr wieder teilnehmen!“ Da auch die Akademiewoche nicht ohne Förderer auskommt, möchte ich im Namen aller denen danken, die dies ermöglicht haben: der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, dem Demokratischen Forum der Deutschen, Kreis Kronstadt, der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, Archiv und Bibliothek der Honterusgemeinde Kronstadt, der Evangelischen Kirche A.B. Kronstadt sowie der Firma SELGROS, darüber hinaus in besonderer Weise unseren hervorragenden Gastgebern.
Paul Binder
Schlagwörter: Studium Transylvanicum
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