13. Juni 2010

Erste Aussiedlerkulturtage in Regensburg

Der Aussiedlerbeirat der Stadt Regensburg veranstaltete vom 7. Mai bis 9. Mai die ersten Aussiedlerkulturtage. Zusammen mit Bürgermeister Joachim Wolbergs stellten die Landsmannschaften der Banater Schwaben, der Deutschen aus Russland und der Verband der Siebenbürger Sachsen ein abwechslungsreiches Kulturprogramm zusammen, das allen Besuchern einen tiefen Einblick in die deutsche Kultur der Herkunftsgebiete ermöglichte.
Vorab wurden den Vertretern der Regensburger Medien auf einer Pressekonferenz Ziel und Ablauf der Aussiedlerkulturtage vorgestellt. Bürgermeister Joachim Wolbergs, Anton Enderle, Kreisvorsitzender der Landmannschaft der Banater Schwaben, Waldemar Eisenbraun, Kreisvorsitzender der Landmannschaft der Deutschen aus Russland, und Ines Schromm, Kreisvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, erläuterten die Beweggründe für diese Tage. „Es geht darum, die facettenreiche Kultur jener Mitbürger vorzustellen“, so Bürgermeister Wolbergs, „die seit Jahren in Regensburg leben und sich gut integriert haben, ihre kulturelle Eigenart aber weiter bekannt machen möchten.“
Die Siebenbürger Blaskapelle Regensburg unter der ...
Die Siebenbürger Blaskapelle Regensburg unter der Leitung von Wilhelm Rothmann (Vierter von rechts, hinten) spielte auf dem Zieroldsplatz in Regensburg. Foto: Siegfried Schromm
Nachdem im vergangenen Herbst der Banater Schwäbin Herta Müller der Literaturnobelpreis verliehen wurde, war es nahe liegend, die Auftaktveranstaltung am 7. Mai mit Banater Dichtern zu beginnen. Dr. Andrea Madesta, Leiterin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie, hob in ihrer Einführung die Bedeutung dieses Museums für die Kunst der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa hervor, aber auch die vielfältigen Beziehungen zu den heute dort tätigen Künstlern. Anton Enderle führte in das Werk von Johann Lippet und Horst Samson ein und verwies auf die 70er Jahre, als im Banat in der Aktionsgruppe Banat und dem Literaturkreis Adam Müller-Guttenbrunn eine Schriftstellergeneration heranwuchs, die sich auch in der bundesdeutschen Literaturlandschaft Gehör verschaffte.
Zuschauer der Lesung in der Ostdeutschen Galerie ...
Zuschauer der Lesung in der Ostdeutschen Galerie in Regensburg. Foto: Siegfried Schromm
Johann Lippet las aus seinem letzten Roman „Dorfchronik, ein Roman“ und Horst Samson aus seinem 2010 erschienen Gedichtband „Und wenn du willst, vergiss“. Bei einem Stehempfang hatten die nahezu 100 Besucher Gelegenheit, sowohl mit den Schriftstellern als auch untereinander ins Gespräch zu kommen und sich die Bücher von den Autoren signieren zu lassen. Mit Stolz wurde betont, dass Herta Müller und Oskar Pastior, zwei prominente Vertreter der fünften deutschen Literatur, der aus Rumänien, Bleibendes für das Banat und Siebenbürgen geschaffen und so dem Schicksal der Betroffenen ein literarisches Denkmal gesetzt haben.

Am Samstag, dem 8. Mai, spielte die Blaskapelle der Kreisgruppe Regensburg der Siebenbürger Sachsen (Leitung: Wilhelm Rothmann) auf dem Zieroldsplatz neben dem Alten Rathaus. Es war ein bewegendes Bild: „unsere“ Adjuvanten in ihren schönen sächsischen Trachtenhemden, aufgestellt unter dem Denkmal des Don Juan d’Austria. Sie spielten ein vertrautes Musikstück nach dem anderen. Zuschauer und Landsleute fanden bei spontanen Tänzen zueinander und bewiesen, dass Walzer und Polka auch auf Kopfsteinpflaster getanzt werden können!
Trachtentanzgruppe aus Herzogenaurach mit ...
Trachtentanzgruppe aus Herzogenaurach mit Bürgermeister Joachim Wolbergs und den Kreisvorsitzenden der Banater Schwaben, Anton Enderle, der Deutschen aus Russland, Waldemar Eisenbraun sowie der Siebenbürger Sachsen, Ines Schromm. Foto: Siegfried Schromm
Bei dem anschließenden Empfang im Runtingersaal betonte Oberbürgermeister Hans Schaidinger die heutige Rolle der Aussiedler in der Gesellschaft. Er hob besonders den Aspekt der Interkulturalität hervor. „Sie sind Deutsche, die nicht in Deutschland gelebt haben. Was Sie zurückbringen, ist etwas, wovon wir profitieren können. Wir leben in einer Gesellschaft, die mit Traditionen wenig anzufangen weiß. Lassen Sie sich gerade deswegen nicht unterkriegen. Ihre Traditionen und Bräuche sind Teil Ihrer und damit Teil unserer Identität.“

Anton Enderle verwies auf die Bedeutung Regensburgs für Ost- und Südosteuropa. Die Universität Regensburg mit ihrem Südosteuropainstitut und mit ihrem Lehrstuhl für die Kirchengeschichte des Donauraums, das Ostkirchliche Institut, die Donumenta (Plattform für Kunst und Literatur der Donauanrainerstaaten, Leitung: Regina Schmid-Hellwig), die Secondos-Studiengänge (Masterstudiengänge für Studenten, deren Eltern aus Südosteuropa stammen) sind nur einige Beispiele dieser Beziehungen in den Donauraum.
Bücherausstellung und Trachtenpuppen im ...
Bücherausstellung und Trachtenpuppen im Antoniussaal in Regensburg. Foto: Siegfried Schromm
Für viele Banater Schwaben schließt sich – historisch gesehen – in der alten Reichsstadt der Kreis. Regensburg war neben Ulm eine wichtige Sammelstelle der Auswanderer nach Südosteuropa und Russland im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Diese Mittlerfunktion zwischen den Kulturen untermauerte Enderle mit aktuellen Beispielen: Michael Bleiziffer, ein Banater Schwabe aus Sanktanna, ist Oberspielleiter des Regensburger Stadttheaters und inszeniert zurzeit ein Stück in Temeswar; die Regensburger Sing- und Musikschule feiert ihr 100-jähriges Jubiläum und ihr Leiter, Wolfgang Graef-Fograscher aus Kronstadt, wird für die Erfolge in der musischen Früherziehung seiner Schüler geehrt; Ladislaus Zoller-Mihalovits, ein aus Arad stammender Maler, weilt als Kulturbotschafter der Stadt Regensburg in Clermont-Ferrand mit einer Ausstellung von Linolschnitten zu Regensburger Stadtmotiven; Klaus Johannis, Oberbürgermeister von Hermannstadt, hielt diese Woche vor der Industrie- und Handelskammer von Regensburg einen Vortrag zu aktuellen Fragen rumänischer Politik und warb um Investoren für Hermannstadt. „Wir sind angekommen in Regensburg“, so Enderle abschließend, „wir fühlen uns wohl und als gleichwertige Bürger dieser Stadt.“

Der Nachmittag war dem Volkstanz, der Volksmusik und der Mundart gewidmet. Mit flotter Marschmusik eröffnet die Blaskapelle der Siebenbürger Sachsen aus Regensburg das Programm. Die siebenbürgische Tanzgruppe aus Herzogenaurach und die russlanddeutsche Tanzgruppe aus Schlüsselfed marschierten unter dem Beifall des Publikums in den Saal. Die Siebenbürgerin Susanne Mai, Sozialpädagogin in der Allgemeinen Sozialarbeit der Diakonie, begrüßte die zahlreichen Gäste und führte durch das Programm. Ihre einführenden Worte stellte sie unter das Motto „Sie waren Gerufene“: die Banater Schwaben vom Wiener Hof Anfang des 18. Jahrhunderts, die Deutschen aus Russland von der russischen Zarin Katharina II. im 18. Jahrhundert und die Siebenbürger Sachsen von dem ungarischen König Geisa II. im 12. Jahrhundert.

Bürgermeister Wolbergs verfolgte gespannt das dreistündige Programm im vollbesetzten Antoniussaal. „Meine Generation kennt diese Traditionen nicht mehr“, erklärte Wolbergs sein großes Interesse an den Aussiedlerkulturtagen. Anton Enderle, Waldemar Eisenbraun und Ines Schromm stellten die jeweilige Kreisgruppe und deren Aktivitäten vor. Gleichzeitig luden sie die Anwesenden zum Mitmachen ein.

Helmine Klein trug den Text „Heilige Einfalt“ von Hans Bergel vor. Eindringlich geht der Autor auf Bedeutung und Erhalt der Mundart ein: „(...) Jede Mundart ist eine unwiederholbare Farbe im Erscheinungsbild eines Menschen und eines Volkes, ein zusätzlicher geistiger Raum des Denkens und Fühlens – und sie ist eine Schranke gegen die Gleichmacherei, die uns heute alle bedroht. Mit jeder Mundart, die wir verlieren, werden wir ärmer. Lasst das nicht zu! (...)“

In diesem Sinne fiel auch die Auswahl der Gedichte aus. Katharina Marpoder trug zwei Gedichte in siebenbürgischer Mundart vor: „Barbes“ von Paul Rampelt und „Der Klingenspohr’sch Likör“ von Schuster Dutz. Der siebenbürgisch-sächsische Chor unter der Leitung von Gerda Caspari sang neben hochdeutschen auch zwei Lieder in Mundart. Texte von Adam Müller-Guttenbrunn, Stefan Heinz-Kehrer und Uwe Erwin Engelmann brachten den Zuhöreren Banater Geschichte und banatschwäbische Mundart zu Gehör. Den Reichtum der siebenbürgischen Volkstracht erläuterte Susanne Mai anhand der zahlreichen auf der Bühne vorhandenen Trachten.

Im Foyer des Antoniussaals wurde die Ausstellung „Kirchenburgen in Siebenbürgen“ eröffnet. Interessierte konnten neben den von Juliana Fabritius-Dancu gemalten Bildern auch Informationen zu den Wehranlagen sowie zur Geschichte der jeweiligen Kirchenburg finden. Die drei Landsmannschaften legten Informationsmaterial, Bücher, Zeitschriften, Zeitungen und Landkarten aus, so dass sich die Besucher über Schwerpunkte der kulturellen Breitenarbeit dieser Verbände informieren konnten.

Zum Abschluss der Kulturtage gestalteten die Pfarrer Wolfgang Lahoda (evangelisch) und Peter Zillich (katholisch) mit musikalischer Unterstützung unseres Kreisgruppenchores am Sonntag in der Neupfarrkirche eine religiöse Feier. Das abschließende Lied „Nie vergess ich Mutters Hände“, gesungen von Pfarrer Zillich, dem Pfarrer mit dem Akkordeon, ließ diese Feier auch zur Muttertagsfeier werden. Zum Abschied bekamen alle Frauen eine Rose. Ein gelungener Abschluss der ersten Aussiedlerkulturtage in Regensburg. Es waren mit Sicherheit nicht die letzten.

Ines Schromm

Schlagwörter: Aussiedler, Regensburg

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Neueste Kommentare

  • 14.08.2013, 21:43 Uhr von Erhard Graeff: Die Vorsitzende der Kreisgruppe Regensburg unseres Verbandes sollte eigentlich weiterhelfen ... [weiter]
  • 14.08.2013, 10:02 Uhr von fleischger: Kann mir jemand Kontakt(mailadr.) zur Siebenbg. Blaskapelle Regensburg verschaffen ? Vielen ... [weiter]

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