26. Dezember 2013

"Greif getrost hinein, die Löffel sind alle rein"

Hinter diesem handgestickten siebenbürgischen Sinnspruch auf einem Löffelsäckchen wurden früher in vielen sächsischen Küchen die Holzlöffel und andere Küchenutensilien aufbewahrt. Das Säckchen hatte meistens einen Platz in der Nähe des Herdes, wo es gut erreichbar, aber auch gut sichtbar war. Und so ein Säckchen hat Katharina Knuff in ihrer siebenbürgischen Heimatstube in ihrem Haus am Fuße des Sindelfinger „Goldberges“. Hier wollen wir Landsleute vorstellen, die etwas Besonderes leisten oder sich für die Gemeinschaft in besonderem Maße engagieren. Katharina und Mathias Knuff tun dies, indem sie siebenbürgische Handarbeiten, Trachten, Mobiliar und andere Haushaltsgegenstände sammeln, sie liebevoll restaurieren und reparieren, manches auch rekonstruieren, um es für die Nachwelt zu erhalten.
Sie stammen aus Hamlesch bei Hermannstadt und sind im März 1990 mit ihren vier Töchtern Karin (damals bereits verheiratet), Krista, Klaudia und Kamelia nach Deutschland gekommen. Davor war Katharina 15 Jahre Buchhalterin bei der LPG in Hamlesch und die letzten 20 Jahre vor der Ausreise leitete sie zusammen mit ihrem Mann den Dorfladen. Mit der Ankunft in Deutsch­land begann erst mal der alltägliche Kampf um Arbeit und Wohnung, die Kinder wollten versorgt sein, man wollte sich wieder etwas Eigenes schaffen. Mit dem Eintritt ins Rentnerleben zogen sie 2005 vom beschaulichen Kurort Bad Wildbad nach Sindelfingen, um den Kindern und Enkelkindern näher zu sein.

Da das Rentnerleben doch viel Freizeit übrig ließ, begann Katharina Knuff sich um die Handarbeiten und Trachten zu kümmern, die sie aus der alten Heimat mitgebracht hatten. Da man die Trachten in einem Schrank nicht anschauen kann, schafften sie sich Schaufensterpuppen an. Die Abenteuer, die sie beim Anziehen der leblosen Puppen zu bestehen hatten, entlocken ihnen beim Erzählen auch heute noch ein Schmunzeln. Zurzeit bevölkern drei Puppen in unterschiedlichen Frauentrachten, denen ein Mann Gesellschaft leistet, die Heimatstube. Die Frau am Spinnrad (von 1880) trägt die Ausgehtracht, die zum Ball oder sonstigen Vergnügen angezogen wurde. Eine andere trägt eine Frauentracht mit schwarz gefälteltem Rock, weißer genetzter Schürze und auf dem Kopf ein weißes Tuch. Im Winter gehörte dazu ein Pelzmantel. Die dritte trägt die Sommerkirchentracht: weißer Rock, Brustpelz mit eingesticktem Monogramm und Schürze mit Stickerei. In der Fastenzeit verzichtete man auf kräftige Farben und trug blau und schwarz. Wichtig war immer, dass die Trachtenteile die Namen oder Initialen der Besitzerin trugen. Diese Stücke waren ein Teil der Aussteuer. Auch diese Stickereien waren in unterschiedlichen Farben gehalten, den Anlässen entsprechend.

In der Bauernstube finden sich auch Möbelstücke, die der gelernte Schreiner Matthias Knuff mit viel Geduld und Wissen aufbereitet und bemalt hat. Eine Kommode, oder „Schubladenkasten“, worin die teuren und kostbaren Trachten aufbewahrt wurden. Vor dem Hochbett mit den vielen Kissen und Steppdecken, die auch Teil der Aussteuer waren, liegt in einer Wiege eine Babypuppe im Taufkissen, dem so genannten Drauchpill (Tragekissen). Zur Hochzeit erhielt in Hamlesch jede Braut von der Schwiegermutter eine große Trachtenpuppe geschenkt. Die Tracht dieser Puppe war verziert mit den Initialen der Braut bzw. jungen Frau. Ein anderes für Siebenbürgen typisches „Möbelstück“ findet man hier: der „Verschlag“, eine Nische in der Wand, verkleidet durch eine Holztür, hinter der der Hausherr den selbst gebrannten „Pali“ versteckte, von dem er sich morgens und abends einen Schluck genehmigte. Ein alter Holztisch und zwei bemalte Stühle aus dem Jahr 1908 vervollständigen die Einrichtung. Es fallen auch Gebrauchsgegenstände aus dem Alltag auf: ein Zwillingssack („Eissock“), mit dem man auf den Markt einkaufen ging, und ein Korb für Proviant auf den Ball oder „en de Goss“. Der Korb wurde mit einer extra für diesen Anlass bestickten Zierdecke dekoriert. Sehr anschaulich erzählen die Knuffs von ihrer Zeit in Hamlesch. Man hört aus jedem Satz heraus, dass sie trotz aller Schwierigkeiten sehr gerne in Siebenbürgen gelebt haben. Zusammen mit ihren vier Töchtern waren sie in Hamlesch ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens. Was sie hier zusammengetragen und aufbewahrt haben, sind Zeugen eines Lebens in einer aus heutiger Sicht fast schon „anderen Welt“, wertvolle Erinnerungsstücke, die sie an die Kinder und Enkelkinder weitergeben.

Die Heimatstube kann nach Absprache mit Familie Knuff, Telefon: (0 70 31) 72 47 65, besichtigt werden. In der Kreisgruppe Böblingen sind nicht nur die beiden „alten“ Knuffs sehr gut bekannt, sondern Tochter Kamelia und Schwiegersohn Karl Krauss helfen bei vielen Feiern mit und ihre drei Söhne Fabian, Filip und Felix sind in der Kindertanzgruppe aktiv. Wir wünschen allen „Knuffs“ – mittlerweile vier Generationen – weiterhin viel Freude mit ihrem spannenden Hobby und dass diese Sammlung weiter wachsen möge, so dass dieser wertvolle Schatz noch lange erhalten bleibt. Eine Fotogalerie mit Bildern von Sieglinde Schuster aus der Heimatstube der Familie Knuff gibt es auf der Verbands-Webseite www.siebenbuerger.de.

Hildegard Kjiek

Schlagwörter: Böblingen, Heimatstube, Brauchtum

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