13. November 2015

Mitglieder und Freunde des Kreisverbandes Nürnberg reisen ins Baltikum

Am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, begab sich eine Gruppe von 50 Personen, Mitglieder und Freunde des Kreisverbandes Nürnberg, auf die Reise, um das Baltikum zu erkunden. 1307 zogen sich die Ritter des Deutschen Ordens endgültig ins Baltikum zurück, wo bis heute in gewaltigen Burgen und Festungen Zeugnisse ihrer Präsenz, ihrer Kultur und Macht zu finden sind, die sie im Zuge der Ostkolonisation hinterlassen haben, bis ihre Herrschaft schließlich mit der Säkularisation im 16. Jahrhundert endete.
Die Reise begann in Nürnberg um 7.00 Uhr morgens und führte nach Posen, der einst einzigen preußischen Provinz mit nichtdeutscher Bevölkerungsmehrheit. Heute ist Posen ein großer Wirtschaftsstandort. Nach dem Abendessen hatten wir die Möglichkeit, die Altstadt, das Rathaus, die Kathedrale auf eigene Faust zu besichtigen und konnten somit einen Eindruck von dieser pulsierenden Stadt bekommen.

Am zweiten Tag ging es über Thorn nach Masuren, in das Land der 3000 Seen. Thorn, die Stadt des Physikers Nikolaus Kopernikus, wurde 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Nicht nur die mittelalterlichen Bauwerke, die etwa 1 km restaurierte Stadtmauer mit drei imposanten Stadttoren, das altstädtische gotische Rathaus, sondern auch die leckeren Pfefferkuchen und die Thorner Kathrinchen sind Botschafter dieser ehemaligen Hansestadt. Die Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert mit ihrer 200-jährigen Bauzeit ist heute Sitz des Thorner Bischofs. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es weiter über Allenstein (Olsztyn) durch das polnische Tiefland in die Masuren.

Der dritte Reisetag war ganz der masurischen Landschaft gewidmet. Das typische Kennzeichen hier waren die alten Baumalleen mit ihren verträumten Wegen, deren Entstehung eigentlich nur der Befestigung der Straße dienen sollte. Leider hatten wir infolge der fortgeschrittenen Zeit keine Möglichkeit, die vielfältige Fauna dieser Gegend zu beobachten. Im krassen Gegensatz dazu stand unser nächster Besuch: Hitlers Hauptquartier im Wald bei Rastenburg (Ketrzyn), die Wolfsschanze. Eine Stadt mitten im Wald mit eigener Versorgung, eigener Bahnlinie, Flugplatz, umgeben von einem 50 bis 150 m breiten Minengürtel, zehn Kilometer Stacheldraht, ständiger Funk- und Telefonverbindung nach Berlin und zur damaligen Front. Die Gebäude, heute alle nur Ruinen, hatten sechs Meter dicke Wände und neun Meter dicke Decken. Wir alle spürten den Geist einer Zeit, die nichts Gutes hinterlassen hat; unser Reiseleiter tat ein Übriges dazu, indem er jede Erklärung nochmal hinterfragte. Das Wieso, Weshalb, Warum wird eine ewig unbeantwortete Frage der Geschichte bleiben. Unsere nette Reiseleiterin in den Masuren, Isabella, führte uns anschließend zu einer bezaubernden Wallfahrtskirche, der „Heiligen Linde“, wo wir ein sehr schönes Orgelkonzert hören durften, gespielt von Ordensschwester Monika Kuczinska.

Nach dem kurzen Aufenthalt in der Wallfahrtskirche fuhren wir durch Sensburg, dem Geburtsort Udo Latteks, nach Nikolaiken, durch bewaldete Moränenlandschaften mit Seen. Die 3000 masurischen Moränen- und Rinnenseen sind alle miteinander verbunden und ergeben so eine 230 km lange Wasserstraße, ein Paradies für Wassersportler und Angler. Auch wir nutzten diesen sonnigen Tag noch zu einer Schifffahrt auf dem Sniadrwy-See. Hier verabschiedete sich nun unsere Reiseleitung von uns, nicht ohne den Tipp, den berühmten polnischen „Bärenfang“ – Krupnik zu probieren. Am vierten Tag verließen wir die Masuren, fuhren vorbei an Weiden mit Kuhherden, durch Elk, Geburtsort von Siegfried Lenz, und passierten die Grenze bei Lasdien nach Litauen. Hier trafen wir auf unsere neue Reiseleiterin Nicole, die uns durchs Baltikum begleitete. Nach dem Besuch der Wasserburg Trakai, einem Nationaldenkmal aus dem 14. Jahrhundert, ging die Fahrt weiter nach Vilnius, Kulturhauptstadt 2009.

In Litauen und Lettland werden mit Litauisch und Lettisch zwei indogermanische Sprachen gesprochen, die wegen ihrer nahen Verwandtschaft als baltische Sprachen zusammengefasst werden. Dagegen gehört das Estnische in Estland mit dem nah verwandten Finnischen zur ostseefinnischen Untergruppe der finno-ugrischen Sprachen. Trotz der Verwandtschaft ihrer Sprachen müssen sich Litauer und Letten wie alle anderen Touristen mit Englisch, Russisch oder Händen und Füßen behelfen, wenn sie miteinander ins Gespräch kommen wollen.

Die Hauptstadt Vilnius war eine rein baltische Gründung und wurde zu keiner Zeit vom deutschen Orden kontrolliert, im Gegensatz zu Lettland und Estland. Vilnius galt seit seiner Gründung als eine der liberalsten Städte Europas, die vielen Juden Zuflucht gewährte. Bis zum Zweiten Weltkrieg war es eine jüdische Hochburg mit 105 Synagogen, von denen nur eine einzige den nationalsozialistischen und stalinistischen Holocaust überstanden hat. Es wurde wegen seiner vielen Kirchen, Kuppeln und barocken Bauwerke auch das „Jerusalem des Nordens“ bzw. heute, wo seine Altstadt mit ihren über 50 Kirchen zum UNESCO-Welterbe zählt, auch „Rom des Ostens“ genannt.
Eindrucksvolle Reise ins Baltikum: Gruppenbild in ...
Eindrucksvolle Reise ins Baltikum: Gruppenbild in Thorn. Foto: Hans Wagner
Unser nächstes Ziel führte ins Memelland nach Klaipeda, dem früheren Memel, einer Hafenstadt an der Ostsee, und in die frühere Hauptstadt Kaunas. Diese Stadt war vielen Einflüssen unterworfen: dem Deutschen Orden, Polen, Preußen, Schweden, Deutschland, dem Memelgebiet und der Sowjetunion, was das Stadtbild sehr geprägt hat. Klaipeda war einst der nördlichste Punkt des deutschen Reiches, im 18. Jahrhundert die Hauptstadt Preußens, von hier aus wurde die Leibeigenschaft abgeschafft, bis Ende des Zweiten Weltkrieges lebten hier nur Deutsche. Nach Kriegsende waren nur noch sechs Deutsche übrig, dann kamen die Litauer. Die Zeit bis zum Abendessen nutzten wir, um den berühmten Simon-Dach-Brunnen mit dem Ännchen von Tharau zu besuchen und hier unter der Leitung unserer Chorleiterin Angelika Meltzer ein Ständchen zu geben.

Der sechste Tag sollte für uns alle zu einem einmaligen Erlebnis werden. Ein Ausflug in die unberührte Natur der Kurischen Nehrung mit der 52 Meter hohen Düne und dem Künstlerdorf Nida stand auf unserem Plan. Wir setzten mit der Fähre über und erlebten den Sonnenaufgang auf der Nehrung bei fünf Grad Außentemperatur und herrlich klarer Luft. Die Kurische Nehrung ist ein 98 km langer Landstreifen zwischen Klaipeda und Lesnoi, von dem heute 52 km zu Litauen und 46 km zu Russland gehören. Sie trennt das Kurische Haff von der Ostsee. Wir besuchten ein Bernsteinmuseum und erfuhren viel rund um diesen wertvollen Stein. Hier lebte einst auch Thomas Mann, dessen Haus heute allen zugänglich ist, der sich hier wie in Italien fühlte. Nachdem die meisten von uns sich mit wunderschönen gestrickten Baumwollponchos, Decken, Schals und Mützen eingedeckt hatten, mussten wir diese Insel der beflügelnden Stille wieder verlassen.

Die Fahrt ging weiter nach Schaulen, wo wir am „Berg der tausend Kreuze“ einen kurzen Fotostopp einlegten. Dieses ist ein nationaler Wallfahrtsort mit hohem symbolischem Wert für das litauische Volk: ein Erdhügel, mit tausenden Kreuzen aus verschiedenen Materialien bedeckt, die sich um ein Bild der Mutter Gottes scharen. An diesem Ort trauert man nicht, er soll Glück bringen. Für uns traf das sicherlich zu, denn die ganze Reise war geprägt von herrlichem Sonnenschein, teilweise eisiger Kälte und stets guter Stimmung.

Die nächste Station war Riga, die Hauptstadt Lettlands. Die alte Hansestadt ist berühmt für ihre Jugendstilbauten. Besonders der Vater des bekannten sowjetischen Regisseurs Sergei Eisenstein schuf viele der mehr als 300 sehenswerten Gebäude. Die sehr gut erhaltene Altstadt Rigas liegt am Unterlauf der Düna. Riga ist die größte Stadt des Baltikums mit zahlreichen Universitäten und kulturellen Einrichtungen. In der Moskauer Vorstadt bummelten wir durch die riesigen Markthallen und versorgten uns mit einheimischen Köstlichkeiten. Leider mussten wir auch dieser Stadt viel zu früh „auf Wiedersehen“ sagen und wir fuhren weiter zum Seebad Pernau (Pärnu).

Pernau, direkt an der Ostsee, wurde vom Deutschen Orden gegründet und war Mitglied der Hanse. Als einziger eisfreier Hafen war und ist er sehr wichtig für Livland. Auch heute ist Pernau estnische Sommerhauptstadt, die auf Grund ihres Klimas viele Touristen anzieht; es finden hier viele Festivals statt, z. B. das David-Oistrach-Festival oder das Festival der Chöre.

Am Abend des siebten Tages erreichten wir Tallinn (früher Reval). Hier lebten Liven und Kuren. Im 13. Jahrhundert gründete Bischof Albert den Orden, Tallinn wurde von den Dänen erobert und an den Orden verkauft. Die Volksangehörigen blieben Leibeigene der Ritter. Die Ritter bauten bis zu 60 große Burgen, von den 40 Wehrtürmen in der Stadtmauer sind heute noch 20 gut erhalten, ebenso eine 1,8 km lange Stadtmauer. Peter der Erste ließ für seine Frau Katharina viele Parks bauen, die heute noch einen grünen Gürtel um die Altstadt bilden. Erwähnenswert sind hier die mittelalterliche Altstadt, die Alexander-Newski-Kathedrale, die Dicke Margarete, der Domberg, die Nationalbibliothek, aber auch die neue Skyline, die besonders bei Nacht sehr beeindruckend ist. Einen ganzen Nachmittag konnten wir Tallinn erkunden, bis wir gegen Abend auf der Fähre Tallink eincheckten, die uns sicher nach Stockholm brachte. Die Fähre fuhr über den Stockholmer Schärengarten, eine Ansammlung von 25000 kleinen bewohnten Inselchen, in den Hafen ein, ein wahres Naturschauspiel. Nach einer kombinierten Stadtrundfahrt mit Rundgang hatten wir genügend Zeit, diese wunderschön gelegene Stadt zu besichtigen. Stockholm selbst liegt auf 14 Inseln, die alle über Brücken miteinander verbunden sind, insgesamt 53, und der Stadt diesen einzigartigen Charakter verleihen. Eine Schleuse mitten in Stockholm trennt das Wasser des Mälarsees, der für die Wasserversorgung der Stadt zuständig ist, von der Ostsee. Im Winter kann man hier eine zugefrorene Ostsee neben einem Süßwassersee erleben. Stockholm ist sowohl Sitz des schwedischen Parlaments als auch der schwedischen Regierung. Auch wir durften an diesem Sonntag in Stockholm Zaungäste sein bei der Taufe des jüngsten Sprosses der Königsfamilie, Prinz Nicola. Er wurde mit 22 Salutschüssen begrüßt. Am zehnten Tag fuhren wir morgens Richtung Südschweden nach Malmö, vorbei an der Heimat Astrid Lindgrens. Michel von Lönneberga haben wir nicht entdeckt, aber seine Streiche waren wohl allen bekannt. Abends wurden wir dann auf die Fähre der Finnlines eingeschifft und am nächsten Morgen um 7.00 Uhr begann unsere letzte Etappe von Travemünde nach Nürnberg, wo wir nach 4500 gefahrenen Kilometern, zwei Nachtfährfahrten sowie zwei Zeitumstellungen gegen 18 Uhr ankamen.

Auch wenn alle diese Sprachen im Baltikum, in Schweden fremd klingen, so sind die kulturellen Wurzeln doch auch die unserer eigenen Geschichte. Hansekaufleute und Kreuzritter prägten die Landschaft und schufen Zeugnisse, die wir heute noch bestaunen können. Während das Leben in den Städten pulsiert, geht es auf dem Land noch sehr beschaulich zu. Wir kamen mit vielen Eindrücken von dieser Reise zurück und werden doch noch einige Zeit brauchen, alles zu verarbeiten. An dieser Stelle möchten wir uns bedanken bei allen, die zum Gelingen der Reise beigetragen haben, bei der Gruppe, die von Tag zu Tag mehr zusammengefunden hat, bei Annemarie Wagner für die Organisation und Planung der Reise. Es blieben dank ihrer Umsicht keine Wünsche offen, sie hat ihre Gruppe gehütet und zusammengehalten wie eine Glucke. Wir haben kein Schäfchen verloren, wenn Anny nicht aufgepasst hat, hat Hanni dieses getan. Ein besonderer Dank gebührt unserem Kurt Penteker, der mit sicherer Hand den Reisebus durch manch enge Viadukte, schwierige Situationen, über steile Passagen immer gut ans Ziel gebracht hat. Mit seiner geduldigen Art ging er auf alle unsere Wünsche ein. Die nächste Reise kommt bestimmt, wir freuen uns darauf.

Roswitta Porth

Schlagwörter: Nürnberg, Reise, Baltikum

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