6. Oktober 2016

Tag der Heimat in Backnang

„De Astern blähn insem äm Guerten“ sang der Backnanger Chor am Tag der Heimat, der dieses Jahr von uns, den Siebenbürger Sachsen, gestaltet wurde. Traditionell richtet in Backnang eine der sieben Landsmannschaften der Vertriebenen die Feierstunde am zweiten Sonntag im September aus.
Unser Vorsitzender Gerhard Rill erinnerte in seiner Eröffnungsrede an die große Zahl von Deportierten und Flüchtlingen in der Nachkriegszeit. Der Satz „Wer gegen uns ist, ist gegen das Reich“ war damals für viele Motivation genug, die Schulbank gegen die Waffen-SS auszutauschen und leitete in der Folge Deportation und Verfolgung ein. Viel Leid mussten sie auf ihrem Weg hinnehmen und in Deutschland wieder bei null anfangen.

Der erste Bürgermeister der Stadt Backnang, Michael Balzer, erinnerte daran, dass die Flüchtlinge damals einen wesentlichen Beitrag zum Wirtschaftswunder in Deutschland geleistet haben. „Das Wunder war jedoch knochenharte Arbeit, an der die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen maßgeblich beteiligt waren“, sagte Gerhard Rill in seiner Rede.

Gerhard Rill, Vorsitzender der Kreisgruppe ...
Gerhard Rill, Vorsitzender der Kreisgruppe Backnang, hielt die Eröffnungsrede beim Tag der Heimat. Foto: Katharina Rill
Auch die Integration von 12 bis 15 Millionen Menschen ist damals vorbildlich gelungen, auch wenn sie lange gedauert hat. „Dies ist und bleibt vor allem ein Verdienst der Vertriebenen selbst“, betonte Michael Balzer. Sorgen um das Europa von heute macht er sich wegen der momentanen Situation. Dass nach dem „herbeigesehnten Fall der Berliner Mauer“ nun Stacheldrahtzäune mitten durch Europa gezogen und die Lastenverteilung nicht partnerschaftlich abgestimmt sei, empfindet er als Schande für Europa.

Auf den Unterschied der damaligen Flüchtlinge und der Flüchtlinge von heute machte unser Festredner, Alfred Mrass, stellvertretender Bundesvorstand des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, aufmerksam. Die Vertriebenen von damals gehörten zu selben Kultur und waren der deutschen Sprache mächtig. Die Integration heute hingegen sei schwieriger, aber keinesfalls unmöglich. „Wir schaffen das“, daran glaubt auch Alfred Mrass. Des Weiteren bezog er sich in seiner Rede auf das Thema Heimat: Alte Heimat, neue Heimat, kalte Heimat, Heimattag, Tag der Heimat, jeder dieser Begriffe habe mit Heimat zu tun, die so unterschiedlich erlebt und definiert werden kann. Als Reisende mit einem Bein haben sich viele Vertriebene und Aussiedler gefühlt, sagte Alfred Mrass und bezog sich auf ein Bild, das Herta Müller geprägt hat. Viele fühlten sich inzwischen auch mit einer Beinprothese völlig wohl in der neuen Heimat. „Nach meiner Heimat, zieht‘s mich wieder“ sang der Chor. Das dachten damals wohl viele „Homo barakensis“, wie die Bewohner der Nachkriegslager genannt wurden, aber inzwischen auch viele Siebenbürger, die „Sommersachsen“, die den Sommer in der alten Heimat verbringen. Für sie gibt es sicher „kein schöner Land“ als Siebenbürgen, die süße Heimat. Wir alle sollten der alten Heimat nicht gedenken, denn dann wäre sie tot, wir sollten in Gedanken und Gesprächen an sie denken und die Erinnerung lebendig halten, meinte Alfred Mrass.

„Wo du als Kind gespielt, in der Jugend gesungen, die Glocken der Heimat sind nicht verklungen.“ Nehmen wir diesen Satz zum Anlass, diese Glocken auch weiter in uns klingen zu lassen und uns an unsere Wurzeln zu erinnern.

Passender als mit den Zeilen des irischen Segensliedes, das der Chor zum Abschluss sang, kann so eine Feierstunde nicht zu Ende gehen: „Möge die Straße uns zusammenführen … und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.“

Nach der Feierstunde wurde ein Kranz am Mahnmal niedergelegt. Pfarrerin Tamara Götz richtete tröstende Worte an die Betroffenen. Ein herzliches Dankeschön an Alfred Mrass für die Bereitschaft mitzumachen, an Gerhard Rill für die Organisation des Tages sowie an alle Helfer und Mitwirkenden, die zum Gelingen dieses Tages beigetragen haben. Es war ein schöner Tag, der uns die alte Heimat wieder etwas näher gebracht hat.

Monika Hamlescher-Hihn

Schlagwörter: Backnang, Tag der Heimat, Mrass, Rill

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