27. April 2017

Mitgliederversammlung mit ansprechendem Kulturprogramm in Ingolstadt

Am 1. April fand in der Kreisgruppe Ingolstadt die jährliche Mitgliederversammlung statt, die mit einem Kulturprogramm eingeleitet wurde. Dies gestaltete die Schauspielerin Eva-Maria Piringer, die 1984 in Großpold geboren wurde und 1989 mit ihren Eltern in die Bundesrepublik auswanderte. Derzeit lebt sie mit ihrer eigenen Familie in München.
Nach dem Abitur und absolviertem Musik- und Schauspielstudium folgten Anstellungen in Bamberg, Basel, Rottweil, München, Worms und Freiburg. Nach ihrem ersten Solo „Frauen“, das sie mit dem Regisseur Benito Gutmacher erarbeitete, entstand der Wunsch, ein weiteres Solo unter eigener Regie auf die Beine zu stellen. Es gelang ihr mit „Ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen“ von Christine Brückner die Ingolstädter Zuschauer zu begeistern, nicht nur durch die Auswahl der bekannten Frauen Katharina von Bora und Christiane von Goethe, geborene Vulpius, sondern auch durch ihr überzeugendes Schauspiel. Eva-Maria Piringer braucht für ihre Auftritte keine große Bühne und nur wenige Requisiten. Durch ihr professionelles Auftreten gelingt es ihr, das Publikum nach kurzer Zeit in ihren Bann zu ziehen.

Schauspielerin Eva-Maria Piringer spielte in ...
Schauspielerin Eva-Maria Piringer spielte in ihrem Solo-Programm Szenen aus dem Leben von Katharina von Bora. Foto: W. Theil
Katharina von Bora ist wohl die bekannteste Frau der Reformation. Sie entstammte einer Familie des sächsischen Landadels und kam schon mit sechs Jahren zur Erziehung ins Kloster. Dort lernte sie lesen, schreiben, singen, Latein und die betriebswirtschaftlichen Abläufe der Landwirtschaft kennen. Ebenso lernte sie die Schriften Luthers kennen – und floh mit mehreren Nonnen. In der Ehe mit Martin Luther, der eigentlich ledig bleiben wollte, war wohl sie die treibende Kraft. Sie erzog die drei Töchter und drei Söhne, wachte am Krankenbett einer Tochter, die mit 13 Jahren verstarb, unterstützte ihren Mann zeitlebens, besonders in der Zeit, als er unter enormen psychischen und physischen Belastungen litt, die unter anderem der Grund für zahlreiche teils chronische Erkrankungen waren. Sie verwaltete und bewirtschaftete die umfangreichen Ländereien, betrieb Viehzucht und eine Bierbrauerei, um Luther, seine Studenten und Gäste zu verköstigen. In Zeiten der Pest führte sie zudem ein Hospiz. Die Ehe war der endgültige Tabubruch – für beide. Sie wurde mit Spott und Häme überschüttet, Luther zeigte ihr umso mehr Hochachtung. Sie war, so würde man heute sagen, eine Topmanagerin, die nicht nur ihre Großfamilie versorgte, sondern auch in Männerrunden bei den Tischgesprächen mitdiskutierte. Katharina von Bora war eine selbstbewusste Frau, die für das einstand, woran sie glaubte. Sie ist mutig ihren Weg gegangen und hat sich weder von der Männerdomäne noch von irgendwelchen vermeintlichen Obrigkeiten beirren lassen.

Anders verlief hingegen das Leben von Christiane von Goethe, die ihre Kindheit in der Luthergasse, einem der ältesten Teile Weimars, verbrachte. Sie war gezwungen, eine Stelle als Putzmacherin in einer kleinen Weimarer Manufaktur anzunehmen, nachdem ihr Vater vorzeitig aus dem Dienst entlassen worden war. Am 13. Juli 1788 lernte Goethe Christiane Vulpius im Park an der Ilm kennen, wo sie ihm eine Bittschrift für ihren Bruder, Christian August Vulpius, überreichte. In jenem Sommer entwickelte sich zwischen Goethe und Christiane ein leidenschaftliches Liebesverhältnis und bereits nach einem Jahr wurde ihr erstes Kind, der Sohn August, geboren. Der Weimarer Hof und die Gesellschaft jedoch lehnten diese unstandesgemäße Verbindung ab. Auch nach ihrer Eheschließung wurde Christiane von der Weimarer Gesellschaft nur widerstrebend und zögerlich akzeptiert.

Auch Christiane hat sich von ihrem eigenen Weg nicht abbringen lassen. Sie war beflügelt von dem, was Goethe bei ihr gefunden hat, nämlich Freiheiten. Das glückliche Leben und Lieben in dieser Gewissensehe regte Goethe zu seinen heitersten und leidenschaftlichsten Gedichten an.
Verleihung des Silbernen Ehrenwappens im Rahmen ...
Verleihung des Silbernen Ehrenwappens im Rahmen der Mitgliederversammlung in Ingolstadt, von links: Gerda Knall, Manfred Binder, Anna Theuerkauf, Marianne Theil, Hans Martin Gräf. Foto: W. Theil
Ein weiterer Beitrag kam von Ludwig Seiverth. Anhand von Dias zeigte er Erinnerungen aus der alten Heimat, seinem Geburtsort Frauendorf, und zwar den schönen Brauch des Blumenfestes, das immer Ende Februar/Anfang März gefeiert wurde und einzigartig für diesen Ort war und ist. Dieses Fest hatte seinen festen Platz in der Zeit der Bruder- und Schwesternschaft bis 1940. Viele Jahre später wurde es wieder belebt und erstmals mit 84 Jugendlichen gefeiert. Der Brauch besagt, dass nur unverheiratete Burschen einen drei bis dreieinhalb Kilogramm schweren Kopfschmuck in Form eines Blumenstraußes tragen dürfen, der von einer Verehrerin in aufwändiger Handarbeit angefertigt wird. Nach dem Aufmarsch mit Blasmusik gab es eine Stärkung mit Krapfen und Glühwein, es wurden Lieder gesungen und die jungen Mädchen zum Tanz aufgefordert, wobei sich bald herausstellte, wer wen verehrte. Die Dias fanden den Weg sogar bis Wien, wo sie auch vorgeführt wurden.

Die Mitgliederversammlung leitete der Kreisgruppenvorsitzende Manfred Binder. In seinem Bericht dankte er für das entgegengebrachte Vertrauen und verkündete einen Zuwachs der Kreisgruppe um 24 Mitglieder im letzten Jahr. Die Referenten und Gruppenleiter veranschaulichten mit Bildern ihre Tätigkeiten des vergangenen Jahres. Die Entlastung der Kassenwartin erfolgte einstimmig.

Zur Anerkennung für besondere und langjährige Verdienste, als vielseitig engagierte Persönlichkeiten, die zur Pflege und Erhaltung der siebenbürgisch-sächsischen Kultur beigetragen haben, wurden Gerda Knall, langjährige stellvertretende Vorsitzende und zurzeit Kulturreferentin, und Anna Theuerkauf, Kassen-wartin der Kreisgruppe, mit dem Silbernen Ehrenwappen geehrt, das vom Landesverband Bayern verliehen wurde. Die Versammlung endete mit dem Aufruf „Traditionen bewahren – neue Wege finden“.

Marianne Theil

Schlagwörter: Ingolstadt, Mitgliederversammlung, Schauspielerin, Diavortrag, Brauchtum

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