27. September 2011

Ausstellung in Kornwestheim zum 70. Geburtstag von Kurtfritz Handel

„Es bedurfte genau gezählter 98 neuer Neonröhren, um das Glasdach im oberen Ausstellungsraum für heute Abend mit neuem Glanz zu bestücken“, so Kornwestheimer Oberbürgermeisterin Ursula Keck in ihrer Begrüßungs- und Gratulationsrede für den bei Nürtingen lebenden, aus Siebenbürgen stammenden Künstler Kurtfritz Handel. Dieser Lichterhimmel mit ausgewogen strukturierter Geometrie, dazu die zart silbergraue Raumfarbe, die sanft progressive Anordnung der edlen Bronzeplastiken in symmetrischer Rahmung wirkten in toto selbst wie ein begehbares Kunstwerk, von der Kuratorin der Ausstellung, Dr. Irmgard Sedler, Leiterin des Museums, und ihrem Architekten bedacht und äußerst gelungen realisiert.
Ein würdiger Raum für die Würdigung von Werken eines verdienten Künstlers, auch Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises, dem die Schönheit dieser Welt sich in ihrem Sein, Werden und Vergehen offenbart, der in seinen Werken über sie keinem Kunstdiktat der Moderne folgt, sondern eine eigene authentische Formensprache gefunden hat und sein Handwerk im Dialog mit dem Material als Meister beherrscht.

In ihrer Einführung zur Ausstellung hatte Dr. Sedler eingangs den Werdegang des Künstlers kurz zusammengefasst: nach „Holz, Stein und Ton, welche wichtige Werkphasen seines Künstlerdaseins bis in die die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein geprägt haben“, „huldigt der Bildhauer Kurtfritz Handel in seinem Oeuvre der letzten dreißig Jahre hauptsächlich dem Bronzeguss.“ Was „zeitgleich mit seiner Aussiedlung aus Rumänien 1985 (geschehen sei) und dem darauffolgenden Eintritt ins Künstleratelier der größten deutschen und einer der bedeutendsten europäischen Kunstgießereien, der Gießerei Strassacker in Süßen“. Frau Strassacker, bei der Ausstellungseröffnung anwesend, dankte dem Künstler in herzlich würdigenden Worten für die Bereicherung, die sein jahrzehntelanges Wirken dem Unternehmen gebracht habe, nicht zuletzt auch durch die Neugestaltung ebenda des weltbekannten Kunstpreises „Bambi“ im Jahr 2000. „Durch seine Erfahrungen im Künstleratelier der Gießerei Strassacker beherrscht Kurtfritz Handel den aufwändigen Bronzeguss im Wachsausschmelzverfahren gestalterisch und handwerklich bis zur Vollkommenheit“, schreibt Dr. Sedler in dem graphisch und inhaltlich sehr gelungenen Faltblatt zur Ausstellung.
Der Künstler und die Leiterin der Firma ...
Der Künstler und die Leiterin der Firma Strassacker. Foto: Werner Sedler
Entsprechend bilden die Bronzeplastiken des Künstlers den Hauptteil der Ausstellung. Vorrangig Werke aus den letzten Jahren: Landschaftsansichten, die von der Faszination des Künstlers von der Großartigkeit der Schöpfung zeugen, ebenso von seiner Empathie mit menschlichem Schöpfergeist und -willen, der Landschaft prägt oder Geschichte materialisiert. In seinen Arbeiten der 90er Jahre hatte der Künstler die materielle Reduktion auf wesentliche Details des Dargestellten umgesetzt, sie ging einher mit eleganter Stilisierung der Linien- und Volumenformung („Raumgrafiken“ K.H. Türk, „Landschafszitate“, Kurtfritz Handel). In den nun ausgestellten Arbeiten aus den letzten Jahren geht der Künstler diesen Schaffensweg weiter, wobei die Symbolkraft des künstlerisch reduzierten Zeichens intensiver, drängender mitteilt, was dem reifen Künstler an Erfahrung, Wissen und Empfinden zugewachsen ist in dem Komplex um Sein in Zeit: So kreist er um die Thematik Heimat als Ort der Erinnerung (Eibesdorfer Berge, 2009) oder noch verschlüsselter Zukunft (Hinter dem Berg, 2011). Schönheit der Schöpfung an sich wird thematisiert in reliefartigen Bronzetafeln mit wunderbar schlicht reduzierten Abbildungen von Wiese mit Gras und Blumen im Wind. Eine großartige Begeisterung für die Fülle der Natur kommt plastisch zum Ausdruck, jedoch der Spannungsbogen zwischen der Schwere des Materials und dem zarten, rhythmischen, graphischen Zeichen des Halmes im Wind suggeriert auch hier unverkennbar das Wissen um Flüchtigkeit, das Vergehen.

Schon in den Jahren vor seiner Ausreise fand sich beim Künstler eine Werkgruppe, in der aktives Erinnern an die siebenbürgisch-sächsische Geschichte und darin Geschaffenes ästhetisch umgesetzt wird. Erinnern wird dabei an greifbaren Zeugen des urbanen Lebens verankert. Während seiner Ausstellung in der Stadtpfarrkirche von Hermannstadt als Kulturhauptstadt 2007 bekam ein Projekt des Künstlers im Gespräch mit Dr. Sedler bezüglich seiner Jubiläumsausstellung 2011 Konturen: Die Kirchenburgtüre von Arbegen, zu der der Mediascher an Kunst und Geschichte Interessierte so oft, auch später mit Familie und Freunden, „gepilgert“ ist, möchte er, sublimiert zum Kunstobjekt, als „Ausdruck der Stärke, des Durchhaltewillens einer sächsischen Bauerngemeinschaft“ (Kurtfritz Handel) mit der Wehrhaftigkeit von einst gegen das Vergehen heute künden und wirken lassen.

In der laufenden Ausstellung wird nun, räumlich eindrucksvoll nachvollziehbar und an neun Plastiken in Folge festgemacht, eine „Spur im Raum“ gelegt/gestellt, die hohen Rahmen zu den Plastiken wirken wie ein Zeittunnel. Der führt aus dem kampfbewegten Mittelalter der siebenbürgischen Wehrburgen in ihre (lies unsere) Gegenwart des Vergessens. Alles, was Dorfschmied und Gerätekammer hergaben, hatten die Bauern, um die schweren Eichentüren der Wehrburgen gegen Angreifer zu verstärken, an die Türe genagelt, wie einen formenreichen Schutzschild. Kurtfritz Handel reproduziert zuerst das gesamte Türblatt der Arbegener Burgtür in Bronze – es wirkt nun wie die kulturgeschichtlich bedeutsamen Bronzetüren von Kirchen der Gotik und Renaissance – dann löst er aus dem Abguss die einzelnen Metallteile und erstellt daraus in Bronzeguss neue Collagen, Einzelkunstwerke, mit themarelevanten Titeln: „Ecce homo“ fordert zum Rückblick auf die Geschichte auf, „Einblick-Ausblick“ dann fordert Wachsamkeit ein; „Tempora mutantur“ steht auf dem Zeitenpendel, das in der nächsten Skulptur schwingt; „Ein feste Burg ist unser Gott“, das Zitat des Reformators, steht über einem Gitterwerk, das, durchlässig, den Verfall des Mauerwerks suggeriert; „Abwehr“ streckt Sensen und Sicheln wie Scherenhände aggressiv in den Raum, wie zu einer letzten Verteidigung; „Elegie“, in Anlehnung an Adolf Meschendörfers Gedicht, vergoldet die Sanduhr im Ausschnitt der Plastik zum schönen Abschied. Nachhaltig beeindruckend und aussagestark ist dieser Zyklus, dürfte niemals auseinandergerissen werden, sondern in gleicher Aufstellung im öffentlichen Raum als ein Zeuge von europäischer Geschichte künden.

Zeugen der Zeit, in Zeit, bleiben auch die Porträtplastiken Kurtfritz Handels, „eine Darstellung frei von Aggressivität, Porträtkunst mit erzählerisch-anekdotischer Szenerie“ (Dr. Sedler), beseelt durch feinste Empathie, die typische Gesten oder charakteristische Mimik zum Erkennungszeichen macht. In der Ausstellung werden … repräsentative Büsten durch Rahmen wie in Nischen eines siebenbürgisch-sächsischen Pantheons verortet.

Eingangs der Ausstellung ist der Künstler mit einer gelungenen Auswahl seiner Zeichnungen aus den letzten Jahren präsent. Sie sind stimmig, in Aquarell und mit Holzspan und Tusche ausgeführt, letztere setzt das schwungvolle Zeichen in einer Reduktion, die vorausschauend auf ihre spätere plastische Darstellung angelegt ist. Zeichnungen wie plastische Zeichen, im späteren Schaffensprozess umgesetzt: plastische Zeichen im Raum.

Aus allen Werken des Künstlers „spricht ein optimistisches Lebensgefühl und eine tiefe Naturverbundenheit. Kurtfritz Handel sieht in diesem seinem Optimismus, den er selbst einmal als ‚unterschwellig utopisch’ artikuliert, ‚das Wesenhafte’ seines Werkes.“ (Dr. Sedler) Das Bild des Künstlers lässt sich in dem Sinne ergänzen, dass die Vitalität des Optimisten auf einem unbestechlichen Realitätssinn, dem Tiefsinn und auch Trauern nicht fremd sind, basiert und der mit ungebrochenem Durchsetzungsvermögen einhergeht. Dem Jubilar und seiner Schaffenskraft alles Gute für die Zukunft!

Karin Servatius-Speck

Schlagwörter: Ausstellung, Handel, Geburtstag, Bildhauerei

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