24. März 2012

Gusto Gräser in der Stuttgarter Vortragsreihe

Am 30. März um 19.00 Uhr wird Hermann Müller im Haus der Heimat, Schloßstraße 92, einen Vortrag über Gusto Gräser halten. Außerdem wird der Film „Der Eremit vom Monte Verità“ von Christoph Kühn über das Leben von Gusto Gräser gezeigt und das bisher unveröffentlichte dichterische Vermächtnis des Freidenkers verlesen.
Gusto Gräser, 1879 im siebenbürgischen Kronstadt geboren, Kunstschüler in Wien, brach mit zwanzig Jahren aus der Gesellschaft aus und begann das Leben eines besitzlosen Wanderers. 1900 begründete er mit Freunden die Reformsiedlung Monte Verità bei Ascona im Tessin. Monte Verità wurde als Gegenmodell zum herrschenden Patriarchat Anziehungspunkt für Künstler, Aussteiger und Reformer. Gräsers Kriegsdienstverweigerung im Ersten Weltkrieg machte ihn zum Vorbild für Kriegsgegner aus ganz Europa, auch für Hermann Hesse. Er wurde zum Vorbild für dessen Meistergestalten und beeinflusste so weltweit mehrere Generationen.

In Stuttgart, wo er seit 1907 immer wieder auftrat, hatte er seine treuesten Anhänger. Von 1913 bis zu seiner Ausweisung 1915 hielt er jeden Sonntag „Waldandachten“ bei der Schiller­eiche im Bopserwald, warnte schon damals vor einem kommenden Waldsterben. Mit seiner Rückkehr nach dem Krieg entfaltete sich in Schwaben eine geistrevolutionäre Bewegung: Land- und Künstlerkommunen, wandernde Tanzgruppen, „Neue Schar“, „Christ-Revolutionäre“, „Aktion Weltwende“, „Bruderschaft der Vagabunden“ – Hermann Hesse nannte sie dichterisch den „Geheimbund der Morgenlandfahrer“. Bis zu seinem Ende hatte Gräser die Hoffnung, Stuttgart könne der „Gutstart“ werden für seine ökologisch-pazifistisch-spirituelle Utopie.

Mit dem Aufkommen der Alternativbewegungen in den 1970er Jahren wurde Gräser als Vordenker und Vorkämpfer wieder entdeckt. Es entstanden Biografien, Romane, Theaterstücke und Filme über sein Wirken. Der Film des Schweizers Christoph Kühn über den „Eremiten vom Monte Verità“ soll an diesem Abend gezeigt werden. Unbekannt blieb bisher ein Sendschreiben, das der Dichter 1956 an die Stadt Stuttgart gerichtet hat. In diesem zwanzigseitigen Gedicht, das sein geistiges Vermächtnis enthält, wird Stuttgart und dem Schwabenland eine hohe Berufung zugesprochen. 56 Jahre nach seiner Absendung soll am 30. März dieses prophetische Testament eröffnet werden.

Schlagwörter: Gräser, Stuttgart, Vortragsreihen

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