21. April 2012

Warum Schirkanyen und die Schirkanyer zum Burzenland gehören

2011 gedachten die Burzenländer Sachsen des 800-jährigen Jubiläums seit der ersten bekannten urkundlichen Erwähnung des Burzenlandes von 1211. Viele Gedenkfeiern fanden in Deutschland wie auch in Siebenbürgen statt. In diesem Jubiläumsjahr kam bei einigen Nicht-Burzenländern die Frage auf, ob Schirkanyen und die Schirkanyer überhaupt zum Burzenland gehören würden. Dies bewog den Verfasser, diesen Text zu schreiben, um die Dazugehörigkeit zu bestätigen.
Beginnen wir mit der uns am frühesten schriftlich überlieferten Geschichte und hören wir, was sie uns über das Burzenland im Jahre 1211 berichtet: „[...] Die erste Grenze dieses Landes aber beginnt bei den Verhauen der Burg Halmagen und geht bis zu den Verhauen der Burg Galt; von dort läuft sie bis zu den Verhauen des Nikolaus, wo ein Gewässer namens Alt herabgeflossen kommt, und so aufwärts am Alt entlang bis zur Einmündung der Tatrang in den Alt; und weiter geht sie bis zur Quelle der Tatrang und von da zur Quelle eines Baches namens Tömös und weiter bis zum Ausfluß eines Baches namens Burzen; dann wendet sie sich, so wie die Schneeberge das Land erfassen, bis nach Halmagen. Dieses ganze Land aber, so wie die genannten Berge und Flüsse es begrenzen, wird Burzenland genannt [...]“ So lautet die deutsche Übersetzung des lateinischen Originaltextes der Verleihungsurkunde von König Andreas II. an den Deutschen Orden von 1211. Hier handelt es sich um die älteste Beschreibung des Gebietes des Burzenlandes, das der Deutsche Orden 1211 vom damaligen ungarischen König im südöstlichsten Zipfel Ungarns, in Siebenbürgen, geschenkt bekommen hatte.

Zu den geographisch sich in der Burzenländer Senke und auch an ihren Rändern befindenden Burzenländer Gemeinden gehört auch die sächsische Gemeinde Schirkanyen. Sie liegt im nordwestlichen Zipfel des einstigen Ordensgebietes, jenseits des Zeidner- und Geisterwaldes, einer Gegend, die bis zum Alt reichte. Schirkanyen lag also innerhalb dieser Grenze auf dem Gebiet des Deutschen Ordens. Es war die einzige sächsische Gemeinde dieses Gebietes, die aufrecht erhalten blieb, trotz aller Stürme vergangener Jahrhunderte und ohne eine bei Gefahr Schutz bietende Kirchenburg besessen zu haben wie die anderen sächsischen Gemeinden. Die deutschen Bewohner konnten ihre Identität und Eigenart bewahren.
XVIII. Der Umfang der Burzenländer Schenkung an ...
XVIII. Der Umfang der Burzenländer Schenkung an den Deutschritterorden. 1. Schirkanyen; 2. Veneția; 3. Căciulata; 4. Dopca; 5. Nußbach; 6. Rothbach; 7. Marienburg; 8. Heldsdorf; 9. Brenndorf; 10. Zeiden; 11. Petersberg; 12. Honigberg; 13. Tartlau; 14. Weidenbach; 15. Kronstadt; 16. Neustadt; 17. Rosenau; 18. Törzburger Pass; 19. Predeal-Pass; 20. Altschanz-Pass; 21. Tataren-Pass; 22. Botsauer Pass (0. Mittelstrass)
In einer Papsturkunde Gregors IX. von 1235 werden folgende Pfarrer und Dörfer der Terra Borza (Burzenland) erwähnt: Leo de Dubucha (deutsch Datk, rumänisch Dopca), Gotfridus de Aqua calida (deutsch Warmbach, ungarisch Heviz, rumänisch Hoghiz), Nicolaus de Cormosbach (Cuciulata oder Wüstung), Conradus de Venetiis (deutsch Venetzie, rumänisch Venetia), Bernardus de Debran (nun Wüstung „Doberontch“ in Schirkanyen), Hermannus et Gerlacus de Sarcam (Schirkanyen). Es sind die deutschen Siedlungen, westlich des Zeidner- und Geisterwaldes und bilden den nord- und nordwestlichen Teil des Burzenlandes. Auch die Namen der Geistlichen, wie Gottfried, Conrad, Bernhard, Hermann und Gerlach verraten uns die deutsche Besiedlung dieser Ortschaften. Diese Geistlichen protestieren gegen die Übergriffe des siebenbürgischen Bischofs und weisen auf die Zugehörigkeit zum Graner (heute ungarisch Esztergom) Erzbischof, d.h. zum Burzenländer Dekanat hin, wo sie zu einem gesonderten Verband zusammengeschlossen waren. Auch später, im Jahre 1372, als diese Orte zum Fogarascher Lehen gehörten, bilden sie eine Sondergruppe. Die gleichen Ortschaften bilden in diesem Jahr den kirchlichen Verband von 1235. Innerhalb dieser Gruppe hat sich allerdings die Rechtsstellung der einzelnen Dörfer verschoben. Schirkanyen erscheint nun als forum Scherkkengen situm in terra Fugaras prope Alt cum suis pertinentias, also als Markt, und die übrigen vier Dörfer sind bloß seine pertinentia, sein Zubehör. Dies beweist, dass Schirkanyen nicht nur kirchlich, sondern auch politisch mit diesen Dörfern zusammengehörte, und es hatte eine Vormachtrolle unter den andern zugehörigen Dörfern eingenommen.

Das erste Jahrhundert seit der Ansiedlung ist gekennzeichnet durch den Mongolensturm von 1241. Die Dörfer des Burzenlandes werden niedergebrannt, Menschen erschlagen und verschleppt. Einige dieser erst neu gegründeten deutschen Siedlungen sind damals ganz verschwunden. Mit Schirkanyen, als einzig überlebendem deutsches Dorf, waren sie zusammen ein zusammenhängendes geographisches Überbleibsel des nördlichen und nordwestlichen Teils des ehemaligen Ordensgebietes, also des Burzenlandes. Schirkanyen und die anderen einstigen deutschen Siedlungen können auf jeden Fall als ein Vorwerk der großzügigen deutschen Besiedlung dieser frühen Zeit gesehen werden.

Kirchlich wurden alle Burzenländer Gemeinden zu einem „Kapitel“ (Dekanat) zusammengeschlossen, an dessen Spitze der Dechant stand. Alle Burzenländer Gemeinden gehörten also kirchlich zum Kronstädter Kapitel, so auch Schirkanyen. Die ehemals untertänige Gemeinde war der Stadt Kronstadt verpfändet und gehörte zu ihrer Herrschaft (Domenium). Die Stadt übte in gewisser Beziehung das Kirchenpatronat aus und nahm die Verpflichtungen des Patronats auf sich. Dies beweist vor allem, dass die nach Schirkanyen berufenen evangelischen Pfarrer, von der Reformationszeit im 16. Jahrhundert angefangen bis zum Jahre 1893 alle aus Kronstadt stammten. Einer davon aus einer Burzenländer Gemeinde und zwei waren aus ihrem Heimatort Schirkanyen, also alle Burzenländer. Über die Jahrhunderte hindurch waren sie die geistlichen und geistigen Oberhäupter der Gemeinde.

Das Schirkanyer Kirchensiegel: „SIGIL. PARORCH. ECCL. SARKANY C. A. CAP. BARC. DISTR.“ (Kirchensiegel der Kirchengemeinde Schirkanyen, Augsburger Konfession, Burzenländer Kapitel), ein Metallsiegel mit zwei zueinander gerichteten Schlangen, die ihre beiden Köpfe am Rande des runden Siegels am oberen Teil des Siegels zueinander führen und aufeinander treffen. Es ist vielleicht das älteste metallene Erbstück der Kirchengemeinde nach dem vorreformatorischen Kelch aus dem 15. Jahrhundert. Daraus ist auch ersichtlich, dass Schirkanyen kirchlich zum Burzenländer Kapitel gehörte und heute noch gehört. Es gehörte zum Inventar des Amtszimmers des Schirkanyer Pfarrhauses.

Burzenländisch – die gemeinsame ­Provinzialmundart

Die Schirkanyer gehören auch sprachlich zur Burzenländer Sprachgemeinschaft, der „Tspeinentspinzich schpuerz geschprantchelt Schpengy“. Das Burzenländische sp, tsp steht für das restlich-übliche Siebenbürgische sw und zw. Tspeinenspinzich steht für zwinenzwinzich (zweiundzwanzig), schpuerz für schworz (schwarz), geschpranchelt (gesprenkelt, gefleckte) und Schpengy für Schweny (Schweine). Dieses sprachliche Sonder-Kulturgut der Burzenländer, zusammen mit vielen anderen gemeinsamen Begriffen, die sich vom restlichen Siebenbürgen unterschieden, kann als Zeichen einer direkten Ansiedlung im Burzenland angesehen werden.

Auch im Brauchtum und im Vereinswesen sind die Burzenländer in der Vergangenheit eine kulturelle Einheit gewesen und es auch bis in die Gegenwart geblieben. Schirkanyer treten in ihrer Frauen- und Männertracht (die identisch ist mit dem restlichen Burzenland) bei Burzenländer Trachtenfesten auf, sind bei Burzenländer Bläser- und Mundarttreffen stets dabei und pflegen gern gemeinsam ihre Geschichte. Seit Jahren geben sie auch gemeinsam einen Burzenländer Wandkalender heraus. In der 1983 gegründeten Heimatortsgemeinschaft der Burzenländer Gemeinden ist die der Schirkanyer von Anfang an dabei.

Bei den jährlichen Trachtenumzügen in Dinkelsbühl werden die Schirkanyer, die in der Volkstracht aufmarschieren, von der Empfangstribüne vor der Schranne meist als „das Tor zum Burzenland“ begrüßt. In Siebenbürgen wurden sie von den anderen Burzenländer sächsischen Nachbarn als zugehörig betrachtet. Von den Altländern wurden sie, wie alle anderen Burzenländer Sachen, nach ihrem Burzen-Fluss, der ihr Gebiet durchfließt und ihm den Namen Burzenland gab, leicht ironisch „Burduzen“ genannt. Die Lieder, die das Burzenland und ihre Bewohner besingen, werden auch weiterhin zu unterschiedlichen fröhlichen Anlässen von den Schirkanyern gesungen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die vielen historischen Gegebenheiten und die heutigen noch eindeutig vorhandenen kulturellen Merkmale beweisen, dass Schirkanyen eine Burzenländer Gemeinde ist und die Schirkanyer sich zum Burzenland bekennen und demnach auch Burzenländer sind. Die Frage der Zugehörigkeit der Schirkanyer und des Dorfes Schirkanyen zum Burzenland ist somit eindeutig geklärt.

Hans-Günther Kessler

Schlagwörter: Burzenland, Geschichte, Geographie, Mundart

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