14. Oktober 2025
Hegt wird gesangen!: Die Volksballade „Honnes Moler“
Die Volksballade „Honnes Moler (Naajcht am nenj)“ ist ein altes siebenbürgisch-sächsisches Volkslied, das vermutlich von Bänkelsängern in Siebenbürgen im späten Mittelalter gedichtet und verbreitet wurde. Friedrich Wilhelm Schuster (1824-1914) veröffentlichte den Text erstmals 1865 in seiner Sammlung „Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder, Sprichwörter, Räthsel, Zauberformeln und Kinderdichtungen“ aus mündlicher Mühlbacher Überlieferung. Gottlieb Brandsch (1872-1959) fügte in seiner Sammlung „Siebenbürgisch-deutsche Volkslieder, I. Band, Lieder in Siebenbürgisch-sächsischer Mundart“ (Krafft & Drotleff, Hermannstadt 1931) auch eine Melodie hinzu, die er aus mündlicher Überlieferung in Scharosch bei Mediasch aufgezeichnet hatte.

In der hier wiedergegebenen zehnten Strophe, einer der früher zahlreichen kursierenden Varianten „Af der Wissen, af der Wissen, af der Klener Iërd …“ wird der Ort der Handlung erwähnt. Der Historiker Tihamér Gyárfás stellte 1911, der Kunsthistoriker Viktor Roth (1874-1936) 1915 die These auf, dass der Hannes Moler der Ballade auch Johannes von Rosenau sein könnte, der 1445 vermutlich das Fresko im Chor der Hermannstädter Stadtpfarrkirche gemalt hat.

Friedrich Wilhelm Schuster gab seiner Ballade den Titel „Müllner Hans“ und schrieb muohlen statt molen, nahm also gegen die Logik seiner 9. Strophe an, es handle sich um einen Müller. Gottlieb Brandsch legte fest, dass im Lied nicht von einem Müller die Rede sein kann, sondern von einem Maler (Moler), der als Sühne das ganze Rathaus zu malen anbietet.
Henker und Scharfrichter waren viele hundert Jahre lang „Zigeuner“; sie besiedelten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Siebenbürgen. Aus historischen Quellen weiß man jedoch, dass die Todesstrafe bei Ehebruch nicht immer vollzogen wurde.
Die Melodie in äolischen Tonart ist älter als der Text und geht wohl in sehr frühe Zeit zurück. Es wird angenommen, dass sie ihren Ursprung im gregorianischen Choral hat und im Zuge der Entwicklung des Minnesangs in den volkstümlichen Gesang übergegangen ist. Die Melodie kann auch komplexer harmonisiert werden. Die heute notierten Akkorde sollen den mittelalterlichen Charakter hervorheben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch ein herzliches Dankeschön an die Kirchenmusikerin und Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei Andrea Kulin aussprechen, die alle meine Harmoniebezeichnungen unter die Lupe nimmt, bevor ich sie an die Redaktion schicke.
Ein ausführliches Essay hat der Philologe Prof. Horst Schuller Anger (1940-2021) zu dieser Ballade veröffentlicht: „Die siebenbürgische Ballade ,Honnes Moler‘ regionale Umdichtung europäischen Repertoires?“ in Siebenbürgisches Archiv Band 26, „Die siebenbürgisch-deutsche Literatur als Beispiel einer Regionalliteratur“, Hgg. Anton Schwab und Brigitte Tontsch, Verlag Böhlau, Köln-Weimar-Wien 1993.
Die Gruppe „De Līdertrun“ führte die Ballade „Honnes Moler“ bereits 1975 in der Bukarester Fernsehsendung in deutscher Sprache auf und fügte sie auch in den Film „Der Traum“ ein, der im selben Jahr ausgestrahlt wurde. Auch heute noch ist diese Ballade ein fester Bestandteil ihres Repertoires, allerdings ohne die letzte Strophe. (z.B. http://youtu.be/mWYxX42ccIo).
Der Klausenburger Komponist und Musikwissenschaftler Prof. Dr. Hans Peter Türk (*1940) erwähnte in Dinkelsbühl anlässlich der Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2012 in einem Interview mit Hans Königes, dass das alte siebenbürgisch-sächsische Volkslied eine bestimmende Rolle in einem Großteil seiner Werke spiele (Siebenbuerger.de-Kanal auf YouTube unter http://youtu.be/tmQ1k-PqXDM). Von 1976 bis 1978 hat er acht alte siebenbürgisch-sächsische Volkslieder für den „Kleinen Chor“ des Kronstädter Honterus-Gymnasiums unter der Leitung von Kurt Philippi für Chor, Flöten, Klarinette und Orff-Instrumente (Triangel, Zimbeln, Becken, Handtrommeln, Glockenspiel, …) bearbeitet. Auf der Schallplatte „Hans Peter Türk, siebenbürgisch-sächsische Volkslieder Kleiner Chor der Honterus-Schule Kronstadt, Dirigent Kurt Philippi, 1980“ ist auch die Ballade „Honnes Moler“ zu hören. Türks acht Partituren sind 2012 im Schiller Verlag Bonn-Hermannstadt in der Reihe „Musik aus Siebenbürgen“ neu aufgelegt worden: „Hans Peter Türk, Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder“, ISBN 978-3-941271-78-4, zu beziehen in Hermannstadt oder www.schiller.ro.
Unter siebenbuerger.de/go/2L230 können Sie zwei Aufnahmen der Ballade „Honnes Moler“ hören: mit der „Līdertrun“ und dem Kronstädter Schülerchor.
Angelika Meltzer

Schlagwörter: Hegt wird gesangen, Lieder, Mundart
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