22. Dezember 2012

Interdisziplinäre Doktorandentagung in Bad Kissingen

Wie in den vergangenen Jahren fand auch in diesem Herbst das 12. Internationale Graduiertenkolloquium zur Geschichte und Gegenwart des Donau-Karpatenraumes in Bad Kissingen statt. 15 Promovierende aus Deutschland, Rumänien, Ungarn, Belgien und Großbritannien kamen vom 31. Oktober bis 2. November zusammen, um ihre Projekte zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Das von der Akademie Mitteleuropa (Bad Kissingen), dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS), dem Siebenbürgen-Institut an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und dem Ungarischen Institut an der Universität Regensburg (UIM) organisierte Kolloquium wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.
Wissenschaftlich betreut wurde die Tagung durch DR. RALF THOMAS GÖLLNER (UIM), DR. RENÉ KEGELMANN (IKGS) und DR. DR. GERALD VOLKMER (IKGS). Wie auch in den vergangenen Jahren sorgte GUSTAV BINDER als Studienleiter der Tagungsstätte „Der Heiligenhof“ mit sehr viel persönlichem Engagement für einen reibungslosen Ablauf und eine angenehme Atmosphäre.

Nachdem DR. DR. GERALD VOLKMER das Konzept und die Intentionen der Veranstaltung vorgestellt hatte, eröffnete er die von ihm geleitete Sektion Geschichte. Die erste Referentin ROXANA-ELENA LICUȚĂ (Ruhr-Universität-Bochum, Deutschland) präsentierte ihr Dissertationsprojekt „Studien zum Alltag der Sachsen in Siebenbürgen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert“. Dieses Projekt wird vor allem der Frage nachgehen, inwieweit der Alltag, die Gebräuche und Traditionen, die Verwaltungspraxis sowie die Kirchenorganisation der Siebenbürger Sachsen von den benachbarten Szeklern, Ungarn und Rumänen beeinflusst wurden. Einen Forschungsschwerpunkt wird dabei der kirchliche Einfluss auf das Alltagsleben der Siebenbürger Sachsen darstellen. Diesem Vortrag schloss sich die in englischer Sprache gehaltene Präsentation von IRINA MASTAN (Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg) mit dem Titel „Brașov and the Principality of Transylvania in the context of the Ottoman-Habsburg rivalry (1526-1613)“ an. Neben den innenpolitischen Entwicklungen wird diese Studie vor allem das Verhältnis Kronstadts zum Herrscher und zum Landtag des Fürstentums Siebenbürgen beleuchten sowie die Beziehungen der Grenzstadt Kronstadt zu den benachbarten Woiwodschaften Moldau und Walachei und zu den beiden Großmächten Habsburgermonarchie und Osmanisches Reich untersuchen. Danach folgte der Vortrag von ANDOR NAGY (Károly-Eszterházy-Hochschule Eger, Ungarn) zum „Leben, Kultur und Alltag der Siebenbürger Sachsen in der Frühen Neuzeit anhand neuer Quellen”. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung stehen die Drucke aus dem 17. und 18. Jahrhundert der Handschriftensammlung Joseph Trauschs (Archiv der Schwarzen Kirche zu Kronstadt). Nagys Ziel ist es, durch die Analyse dieser Quellen neue Forschungsergebnisse zu erzielen und diese für kultur- und mikrohistorische Studien und Vergleiche zur Verfügung zu stellen.
Die Teilnehmer und Betreuer des 12. ...
Die Teilnehmer und Betreuer des 12. Graduiertenkolloquiums in Bad Kissingen
In das am Klausenburger Institut für Kirchliche Studien angesiedelte Forschungsprojekt zur Geschichte der historischen Kirchen Siebenbürgens ist das Dissertationsvorhaben MIRCEA ABRUDANS (Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg) eingebettet. Es trägt den Titel „Orthodoxie und Luthertum in Siebenbürgen zwischen 1848 und 1916“. Im Zuge dieses Promotionsvorhabens soll die Geschichte der beiden Kirchen, die jeweils eng mit den Nationalbewegungen der Siebenbürger Rumänen bzw. Sachsen verbunden sind, dargestellt und die Beziehungen zwischen den beiden Kirchenleitungen untersucht werden. Dazu werden Archivquellen, Presseerzeugnisse und die Literatur analysiert, um durch die Methode des Vergleichs neue Erkenntnisse über die Kirchengeschichte Siebenbürgens vor dem Ersten Weltkrieg zu gewinnen. Als letzter Referent dieser Sektion präsentierte FRANK BAUER (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) sein Projekt über „Die Wahrnehmung deutscher Minderheiten im Königreich Ungarn im deutschsprachigen Kulturraum zwischen 1848 und 1914“. Bauer beabsichtigt, das Bild der im Donau-Karpatenraum lebenden Deutschen im binnendeutschen Kulturraum herauszuarbeiten und die Vorstellung der Reichsdeutschen und Österreicher vom Zusammenleben der Menschen in diesen multiethnischen Regionen zu rekonstruieren. Dabei soll auch der Frage nachgegangen werden, ob es in der Rezeption der deutschsprachigen Minderheiten Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland gab.

Die zweite Sektion unter der Leitung von DR. RALF THOMAS GÖLLNER beschäftigte sich mit Projekten aus den Bereichen Zeitgeschichte, Religionswissenschaft, Sozialwissenschaft sowie Linguistik. Eröffnet wurde das Panel von PETRA REZAC (Ludwig-Maximilians-Universität München) mit ihrem Vortrag über „Religion in Relation. Zur Bedeutung religiöser Sinnsysteme für die Identitätskonstruktion deutscher Minderheiten in Siebenbürgen 1867-1914“. Rezac beabsichtigt mit ihrer Arbeit, die Beziehungen von säkularen und religiösen Sinnsystemen sowie den Wandel in der Identitätskonstruktion einer sozialen Einheit zu untersuchen. Durch die Analyse dieser Relationen sollen Erkenntnisse über die Deutungsmuster-Netzwerke und somit über Identitätskonstruktion im Allgemeinen gewonnen werden. Danach stellte WALTRAUD HERMANN (Martin-Buber-Universität Brüssel) ihre Masterarbeit zum „Human-pädagogischen Erbe der Siebenbürger Sachsen“ vor, in der human-pädagogische Ansätze im Wirken bedeutender Siebenbürger Sachsen, z. B. Johannes Honterus oder Stefan Ludwig Roth, herausgearbeitet und deren Einfluss auf die siebenbürgische Schulgeschichte untersucht werden sollen. Eine gewinnbringende Ergänzung der vor allem auf Ungarn und Rumänien bezogenen Vorträge stellte die Präsentation von DANIJELA STJEPIĆ (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) zum Thema „Gewalt und Religion im Unabhängigen Staat Kroatien von 1941-1945“ dar. Das Hauptinteresse der Arbeit liegt auf den Wechselwirkungen der vielfältigen Beziehungen zwischen der kroatischen Mehrheit, der serbisch-orthodoxen sowie der deutschen Minderheit unter dem Aspekt der (non-)physischen Gewalt. Dazu werden die Bestände des Ministeriums für Justiz und Religion des Unabhängigen Staates Kroatien sowie die Akten der deutschen Gesandtschaft in Kroatien konsultiert. Die Referentin GAËLLE FISHER (University College London) hielt mit „From Survival to Belonging: German-speakers from Bucovina after the Second World War“ den zweiten englischsprachigen Vortrag des Kolloquiums. Ihr Forschungsinteresse gilt der Erinnerungskultur der Bukowina-Deutschen und ihrer Identitätskonstruktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein länderübergreifender Zugang wird die Einbeziehung der gesamten Gruppe der Bukowina-Deutschen, die sich mittlerweile in allen Teilen der Welt angesiedelt haben, sicherstellen.

Im folgenden Vortrag stellte CLARA HERDEANU (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) eine linguistische Mediendiskursanalyse des „Revolutions-Diskurses in deutschsprachigen Zeitungen Rumäniens“ vor. Zeitungstexte in deutscher und rumänischer Sprache aus sozialistischer Zeit werden mit Hilfe sprachwissenschaftlicher Methodik nach ihren Charakteristika hin untersucht, um mit dem Sprachgebrauch der Transformationszeit und Gegenwart verglichen werden zu können und somit die mittels der Sprache transportierten Konzepte transparent zu machen. Unter Berücksichtigung der gesellschaftspolitischen, juristischen und historischen Kontexte wird anhand des ausgewählten Themas versucht, aufzudecken, inwieweit mit Sprache Realitäten konstruiert werden. Ebenfalls mit Medien, wenn auch aus historischer Sicht, befasste sich ALOIS-RICHARD KOMMER (Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg). Im Mittelpunkt seines Forschungsinteresses steht „Die Auswanderung der Rumäniendeutschen nach 1989 im Spiegel der Medien“. Die Studie wird auf die Lage der deutschen Minderheit während des kommunistischen Regimes in Rumänien eingehen sowie auf die internationale Lage vor, während und nach den politischen Umbrüchen im östlichen Europa. Dieser große Untersuchungszeitraum ermöglicht es, den großen Auswanderungsstrom der frühen 1990er Jahre in Beziehung zu setzen mit den Auswanderungswellen nach den ersten deutsch-rumänischen Absprachen von 1978.

Im Rahmen der Sektion Literaturwissenschaft, die unter der Leitung von DR. RENÉ KEGELMANN stand, wurden vier Themen vorgestellt. Eröffnet wurde dieses Panel von EVA SPANIER (Friedrich-Alexander-Universität-Erlangen-Nürnberg) mit einem Vortrag über „Das Südosteuropabild in der deutschen Literatur des Mittelalters“. In ihrer Abschlussarbeit beabsichtigt Spanier, die verschiedenen Südosteuropa-Bilder – die man auch „Images“, „Klischees“ oder „Stereotypen“ nennen könnte – auf literaturwissenschaftlicher Grundlage herauszuarbeiten. Sie untersucht, inwiefern diese Bilder mit realhistorischen Gegebenheiten dieses Raumes oder dem Wunsch nach Abgrenzung unter Betonung des Fremdheitsaspektes zusammenhängen. Mit dem Vortrag von GABRIELA ADAM (Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt) „Identität und Alterität in Heinrich Zillichs Prosa und Publizistik“ erfolgte der Sprung vom Mittelalter in die Zwischenkriegszeit. Ihr Dissertationsprojekt erforscht verschiedene Ausdrucksformen der deutschsprachigen Literatur außerhalb des binnendeutschen Raumes anhand einer bestimmten Zeitspanne (Zwischenkriegszeit), eines Autors (Heinrich Zillich) und unter Berücksichtigung der Aspekte der Interkulturalität, der Kulturinterferenzen und des Kulturtransfers. Den Gegenstand ihrer Untersuchung stellt das literarische Werk des Publizisten und Schriftstellers Heinrich Zillich dar, das sie im engen Zusammenhang mit dem geografischen und kulturellen Raum Siebenbürgen analysiert.

Die Referentin LOREDANA-MIHAELA RĂDULESCU (Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt) stellte im Anschluss ihre Arbeit „Das Bild des ‚Anderen‘ im Bezug zum ‚Eigenen‘. Eine imagologische Studie, am Beispiel der Prosa von Erwin Wittstock“ vor. Die in den Werken des Siebenbürger Sachsen Wittstock auftauchenden Stereotype in Bezug auf andere ethnische Gruppen der Region stehen im Fokus der Untersuchung. Anhand dieses Autorenbeispiels wird versucht, das Verhältnis der Siebenbürger Sachsen gegenüber den Rumänen, Ungarn, Sinti und Roma wie auch den Tataren im Rahmen der Interkulturalität zu beschreiben. Den Abschluss sowohl dieser Sektion als auch des Kolloquiums bildete die Präsentation „Wolf von Aichelburg – eine monographische Studie“ von IOANA GABRIELA MATIU (Ludwig-Maximilians-Universität München). Sie widmet sich der Person Wolf von Aichelburg und beabsichtigt, eine umfassende Darstellung von Leben und Werk des weitgehend in Vergessenheit geratenen Dichters, Essayisten, Komponisten, Übersetzers und Malers zu erarbeiten. Der ausführlichen Biografie sowie der stilkritischen Werkanalyse werden ein Werkverzeichnis, Briefe sowie ein umfangreicher Bildteil angefügt.

Neben den zahlreichen Diskussionen im Anschluss an die einzelnen Vorträge fand auch während der gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten und bei einer Stadtführung durch Bad Kissingen ein reger Austausch über die vorgestellten Themen statt. Aus den internationalen, interkulturellen und interdisziplinären Diskussionen konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vielfältige Anregungen für ihre jeweiligen Forschungsprojekte mitnehmen, so dass das Kolloquium mit seinen Vernetzungsmöglichkeiten allgemein als große Bereicherung empfunden wurde.

Clara Herdeanu

Schlagwörter: Kolloquium, IKGS, Bad Kissingen

Bewerten:

13 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.