20. November 2013

Ein Lesebuch im besten Sinne des Wortes

Der Autor des Buches, der Historiker Dr. Michael Kroner, ist nicht nur den Siebenbürger Sachsen gut bekannt, hat er doch im Laufe seines landeskundlichen Wirkens zahlreiche Bücher, Broschüren, wissenschaftliche Beiträge und Monographien, Buchbesprechungen und Beiträge aller Art in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Die vorliegende neue Publikation „Mutterland und Vaterland im Verständnis der Siebenbürger Sachsen“, an der auch der bekannte, in vielen Gremien der Siebenbürger Sachsen aktive Heimatforscher und Publizist Horst Göbbel mitgewirkt hat, ist im November 2013 in Nürnberg erschienen.
Es ist ein Lesebuch im besten Sinne des Wortes und, so wie der Autor in der Einleitung vermerkt, „kein Beitrag mit neuen historischen ­Erkenntnissen, sondern ein Buch, das in populärwissenschaftlicher Sprache historische Geschehnisse und Fakten zum Spannungsverhältnis zwischen Mutterland und Vaterland im Verständnis einer auslandsdeutschen Minderheit“ vorzustellen versucht. Es ist für alle, die sich über die Vergangenheit und Gegenwart der Siebenbürger Sachsen informieren wollen, eine Publikation, die andere analoge Veröffentlichungen und Werke über die Siebenbürger Sachsen vervollständigt und dem Leser die Suche nach der Identität dieser Ethnie einst und jetzt erläutert. Auf nahezu 230 Seiten wird am Beispiel der Rumäniendeutschen und speziell ihrer transsilvanischen Bewohner ein fast 1000-jähriges Dasein dieser Menschen immer als Minderheit und im Zusammenleben mit anderen nichtdeutschen Bewohnern erläutert. In geraffter Form wird die politische, rechtliche, sprachliche und kulturelle Eigenart der Sachsen dargelegt und wie diese durch die Jahrhunderte weiter geführt und erhalten geblieben ist.

Das erste Kapitel behandelt knapp und konzentriert die ost- und südosteuropäische Besiedlung vom 12. bis zum 19. Jahrhundert durch aus dem deutschen Sprachraum stammende Menschen. Daran anschließend erfährt der Leser die Situation der deutschen Minderheitengruppen in allen osteuropäischen Regionen und Staaten in der Zeit von 1918 bis zum Zweiten Weltkrieg. Die massiven Umsiedlungs-, Vertreibungs- und Migrationsströme, beginnend mit der „Heim ins Reich“-Aktion 1940 bis hin zum massiven Exodus der Siebenbürger Sachsen nach 1989 werden thematisiert. Auch werden Legenden von der Geschichte des Rattenfängers von Hameln bis hin zu weniger stichhaltigen Hypothesen zur Abstammung der Siebenbürger Sachsen (angeblich von den Geto-Dakern) erwähnt. Die Rechtssituation der Siebenbürger Sachsen vom Andreanischen Freibrief 1224 zum Eigenlandrecht bis hin zur Auflösung der Nationsuniversität im 19. Jahrhundert und der Rolle der Kirche seit der Honterusschen Reformation zur Umwandlung der evangelischen Kirche in eine Volkskirche im wahrsten Sinne des Wortes kommen zur Sprache. Andere weitere Kapitel, oft jedes für sich stehend, bringen diverse Aspekte der Vergangenheit unserer Vorfahren ins Bewusstsein, z.B. die abendländische Kunst in Siebenbürgen oder die Kontakte zwischen den Bewohnern Siebenbürgens und West- und Mitteleuropas, z.B. entlang der Handelswege von West- nach Osteuropa oder die Situation Siebenbürgens aus der Perspektive der deutschen, habsburgischen und ungarischen Kaiser und Könige im Laufe der Jahrhunderte. Zahlreiche, bislang weniger bekannte Details aus der jüngeren Geschichte der Siebenbürger Sachsen sind eingebracht, wie ein Text von Kurt Tucholsky („Hermannstadt ist entzückend“), das Thema deutschfreundliche Eliten unter den Rumänen vor und während des Ersten Weltkriegs oder über die Volkstumspolitik der Weimarer Republik in den Jahren 1918 bis 1933. Auch weitere Abschnitte sind überzeugend und mit historischer Weitsicht dargestellt, wie das Dritte Reich und die Volksdeutschen Rumäniens in den Jahren 1933-1944 oder die Situation der Siebenbürger Sachsen in der Zeit des Kommunismus.

Ob nun Begriffe wie „Vaterland“ – gemeint ist das Territorium Siebenbürgens als Staatsgebiet, z.B. in der Zeit der Habsburger Monarchie, des ungarischen Königreiches und ab 1918 Rumäniens – und der Ausdruck „Mutterland“ (gemeint und nicht genau definierbar: Deutschland) sollten nicht zu genau unter die Lupe genommen werden. Beide Begriffe werden wohl pragmatisch, wie die meisten Siebenbürger Sachsen eben sind, keine zentrale Stellung im Bewusstsein unserer Landsleute erlangen. Auch einige Äußerungen können, so formuliert, nicht als vollwertig beurteilt werden, wie z.B. folgender Satz: „Nicht teilnahmslos verhielten sich die Rumäniendeutschen gegenüber den Erfolgen (sic!, wohl eine Ausdrucksform, an die Rechenschaftsberichte in der kommunistischen Zeit erinnernd) der DDR und Österreichs. Deren Bürger waren ja schließlich auch Deutsche“(!).

Besonders wertvoll sind die zahlreichen Bilder, Fotos, Karten und Skizzen, viele von ihnen den meisten Lesern nicht bekannt. Bei einigen fehlen leider die entsprechenden Jahreszahlen. Fazit: eine lesenswerte Publikation.

Hansgeorg v. Killyen



Michael Kroner: „Mutterland und Vaterland im Verständnis der Siebenbürger Sachsen“ (unter Mitarbeit von Horst Göbbel), Druckerei Schobert, Nürnberg 2013, 230 Seiten, Preis: 12 Euro, ISBN 978-3-00-041064-2. Vertrieb: Haus der Heimat, Imbuschstraße 32, 90473 Nürnberg, Telefon: (0911) 8002638.

Schlagwörter: Rezension, Geschichte

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