26. Juni 2014

120 Jahre Hermann Oberth - Vision und Wirkung

Hermann Oberth war, ist und bleibt eine herausragende Persönlichkeit in der Geschichte der Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Astronautik, stellte Robert Adams am 7. Juni in Dinkelsbühl fest. Der 2. Vorsitzende des in Feucht ansässigen Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museums e.V. führte in die Heimattags-Ausstellung „120 Jahre Hermann Oberth – Vision und Wirkung“ im Kinderzech-Zeughaus ein. Der Vortrag wird im Folgenden leicht gekürzt abgedruckt.
Am 25. Juni 2014, also genau am Dienstag in zwei Wochen, würde unser siebenbürgischer Landsmann Hermann Oberth 120 Jahre alt. Für uns als Siebenbürger Sachsen, auch für mich persönlich, aber vor allem für das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum in Feucht, dessen Zweiter Vorsitzender ich sein darf, ist das einmal mehr ein Grund zu feiern! Diesen Dezember wird es aber auch schon 25 Jahre her sein, dass Professor Oberth nach kurzer Krankheit im gesegneten Alter von 95 Jahren in Feucht bei Nürnberg verstarb. Manche Ältere unter uns werden sich an die Persönlichkeit Oberth sicher gut erinnern: Zu seinen Lebzeiten war er ein häufiger und gern gesehener Gast unserer Heimattage. 1970 etwa, erhielt er hier in Dinkelsbühl den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis. Seine Dankesrede ist legendär! Einen Mitschnitt dieser Rede bewahren wir im Archiv unseres Museums auf. Doch wie ist das mit der jüngeren Generation? Haben die heute 25-Jährigen noch einen Bezug zu Oberth? Wissen sie noch um Oberths Bedeutung? Ein Teil der Arbeit unseres Museums besteht darin, die Erinnerung an Professor Hermann Oberth und seine epochalen Leistungen, aber auch durchaus an seine manchmal schrullige Art (der eine oder andere Landsmann kann sich an so manches Erlebnis erinnern) und – auch das gehört dazu – an problematische Aspekte seines Lebens und Wirkens für die nachfolgenden Generationen wachzuhalten.
Blick in die Oberth-Ausstellung in Dinkelsbühl. ...
Blick in die Oberth-Ausstellung in Dinkelsbühl. Fotos: Gunter Roth
Die kleine Sonderschau, die wir für den diesjährigen Heimattag zusammengestellt haben, welche im Wesentlichen durch die tolle Arbeit von Herrn Michael Zuber entstanden ist, ist ein Teil dieser Arbeit. Sie ist der Vision Hermann Oberths gewidmet und der Wirkung, die diese Vision entfaltet hat. Ich bedanke mich im Namen unseres gesamten Teams für Ihr Interesse und Ihr Kommen.

Wer also war dieser Hermann Oberth? Warum war er wichtig? Warum ist er es noch? Und warum wird er es auch in Zukunft sein? Hermann Oberth wird am 25. Juni 1894 in Hermannstadt als Sohn eines Chirurgen geboren, besucht ab 1904 das Humanistische Gymnasium in Schäßburg und schließt dort 1912 mit der Matura ab. 1913 beginnt Hermann Oberth – nicht zuletzt auf Wunsch und Drängen seines Vaters – ein Medizinstudium in München, das durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wird. Sein Interesse gilt bereits in dieser ersten Münchener Zeit vor allem der Physik und insbesondere der Astronomie, denn seitdem der junge Hermann in der Gymnasialzeit Jules Vernes Mondromane gelesen hatte, lässt ihn eine Frage nicht mehr los: Wie kann man die dort beschriebene Fahrt zum Mond tatsächlich realisieren? Seine Vision lautet: Die geeigneten technischen Mittel für die Raumfahrt zu finden.

1915 wird der Soldat Hermann Oberth in der Karpatenschlacht verwundet. Bald wiederhergestellt verbringt er den Rest des Krieges aufgrund seiner Vorkenntnisse als Sanitätsfeldwebel im Kriegslazarett in Schäßburg. Diese in jeder Hinsicht glückliche Fügung erlaubt ihm, im Selbstversuch eine Reihe von Experimenten durchzuführen, die man als die ersten Schritte der Raumfahrtmedizin deuten kann: Wieviel Andruck hält ein Mensch aus? Wie kann man sich in der Schwerelosigkeit orientieren? Kann man es überhaupt? Kann man in der Schwerelosigkeit essen?

Robert Adams hielt einen Vortrag über Hermann ...
Robert Adams hielt einen Vortrag über Hermann Oberth in Dinkelsbühl.
1918 heiratet Hermann Oberth Mathilde Hummel, später immer nur „Tilly“ genannt. Als frisch Verheirateter nimmt Oberth 1919 sein Studium wieder auf, wechselt aber zur Physik. Das Studium führt ihn von der Hochschule im heimischen Klausenburg an die Universitäten München, Göttingen und Heidelberg, wo er Vorlesungen bei den anerkanntesten Wissenschaftlern seiner Zeit hört.

Seine 1922 als Doktorarbeit gedachte Abschlussarbeit, die sich – wenig überraschend – mit Raketentechnik und Raumfahrt befasst, passt jedoch nicht in die Schemata des deutschen Universitätsbetriebes. Ob die Arbeit schließlich in Heidelberg tatsächlich formal abgelehnt wurde, oder ob Oberth sie nicht vielmehr nach schwierigen Vorgesprächen mit seinen Professoren gar nicht mehr form- und fristgerecht eingereicht hat, lässt sich anhand der vorliegenden Quellen nicht endgültig sagen. Sicher ist aber, dass er mit genau dieser Arbeit als Abschlussarbeit im Lehramtsstudium für Mathematik und Physik in Klausenburg am 18. Mai 1923 das Staatsexamen besteht und zum (Gymnasial-)Professor ernannt wird. Sicher ist auch, dass er seine Arbeit unter dem Titel „Die Rakete zu den Planetenräumen“ Ende 1923 beim Oldenbourg-Verlag in München als Buch veröffentlicht.

Eigentlich, so könnte man vielleicht meinen, ist die Antwort auf die Frage nach Oberths Bedeutung also banal: Hermann Oberth hat 1922 als Student in Heidelberg ein Buch geschrieben. Erst viel später wird klar: Dieses dünne, nicht einmal 100 Seiten umfassende Bändchen mit dem damals immer noch phantastischen Titel „Die Rakete zu den Planetenräumen“ hat es in sich. Wer es nur flüchtig durchblättert, stößt auf viel Mathematik und Physik. Haufenweise Berechnungen. Formeln über Formeln. Und wilde Ideen. Und doch: Dieses Buch ist nichts Geringeres als die weltweit erste umfassende mathematisch-physikalisch durchgearbeitete Theorie des Raketenfluges und der Raumfahrt! Es löst bald eine internationale Debatte über die technische Möglichkeit der Raumfahrt aus. Und mittelbar eine breite öffentliche Begeisterung für alles, was mit Raketen zu tun hat. Bereits 1925 erscheint die zweite Auflage des Buches. 1959 im Vorwort zur Neuauflage schreibt Prof. Dr. Wernher von Braun: „Hermann Oberth war der erste, der in Verbindung mit dem Gedanken einer wirklichen Weltraumfahrt zum Rechenschieber griff und zahlenmäßig durchgearbeitete Konzepte und Konstruktionsentwürfe vorlegte“. Parallel zu seiner Tätigkeit als Mathematik- und Physiklehrer am Deutschen Gymnasium in Mediasch, wohin die Familie zwischenzeitlich umgezogen war, arbeitet Oberth schon an einer dritten, wesentlich erweiterten Auflage, die sich mit der Kritik der etablierten Wissenschaftscommunity an seiner Theorie auseinandersetzen wird. Diese dritte Auflage erscheint 1929, wieder bei Oldenbourg, unter dem neuen Titel „Wege zur Raumschiffahrt“ und mit etwa dem vierfachen Umfang des ursprünglichen Manuskripts von 1922. Diese Werke begründen die Weltgeltung von Hermann Oberth. Er ist einer der Väter der Raumfahrt – mindestens gleichberechtigt mit dem Russen Konstantin Ziolkowski und dem Amerikaner Robert Goddard.

Was macht nun die Bedeutung Oberths aus – auch im Vergleich mit den beiden anderen „Vätern der Raumfahrt‘? Die Antwort lautet – Sie ahnen es bestimmt: Wirkung! Wer Oberths „Rakete zu den Planetenräumen“ aufschlägt und von vorne zu lesen beginnt, wird gleich auf der ersten Seite gefesselt von vier kühnen Thesen, die seine Vision kurz und knapp zusammenfassen. Diese Thesen finden Sie auf den Displays, die wir Ihnen mitgebracht haben. Ich will sie Ihnen kurz vorstellen und sie auch hinsichtlich ihrer Wirkung einordnen:

1. Beim heutigen Stande der Wissenschaft und der Technik ist der Bau von Maschinen möglich, die höher steigen können, als die Erdatmosphäre reicht. - Heute wissen wir sicher, dass man mit Raketen in den Weltraum vordringen, aber auch viel dummes Zeug anstellen kann. Oberth hatte Recht.

2. Bei weiterer Vervollkommnung vermögen diese Maschinen derartige Geschwindigkeiten zu erreichen, dass sie – im Ätherraum sich selbst überlassen – nicht auf die Erdoberfläche zurückfallen müssen und sogar imstande sind, den Anziehungsbereich der Erde zu verlassen. - Heute wissen manche gar nicht mehr, wie sie ohne Satellitenfernsehen auskommen und wie sie sich ohne satellitengestütztes Navigationssystem im Auto fortbewegen sollten. Dass wir die blaue Erdkugel von außen sehen können, ist für viele heute längst eine unreflektierte Selbstverständlichkeit, die es ohne Satelliten, Raumsonden und die bemannte Raumfahrt aber nicht gäbe. Oberth hatte Recht.

3. Derartige Maschinen können so gebaut werden, dass Menschen (wahrscheinlich ohne gesundheitlichen Nachteil) mit emporfahren können. - Ich sage nur zwei Namen: Juri Gagarin und Neil Armstrong. Und für die Jüngeren: Sie haben es sicher in den Medien verfolgt: Gerade ist mit Alexander Gerst der elfte Deutsche ins All zur Internationalen Raumstation ISS geflogen. Oberth hatte Recht.

4. Unter gewissen wirtschaftlichen Bedingungen kann sich der Bau solcher Maschinen lohnen. Solche Bedingungen können in einigen Jahrzehnten eintreten. - Satellitengestützte Wetter- und Klimavorhersagen, Satellitenfernsehen, Satellitentelefonie, Satellitennavigation werden heute – wirtschaftlich erfolgreich – kommerziell betrieben. Der nächste, bereits begonnene Schritt ist der Bau von Trägerraketen und Raumschiffen durch Privatunternehmen, wie etwa SpaceX mit ihrer „Dragon“-Raumkapsel, die vor wenigen Tagen als bemannte Version vorgestellt wurde. Oberth hatte Recht.

In Oberths Buch folgen diesen Thesen die mathematisch-physikalisch durchgearbeiteten Überlegungen für den Raketenbau zum Zweck einer Reise ins Weltall, medizinisch-physiologische Überlegungen bis hin zur Konzeption einer Humanzentrifuge, wie sie noch heute für das Training von Jetpiloten und Astronauten eingesetzt wird, und konkrete Vorschläge für die Einsatzzwecke der „Weltraumfahrt“ – von der Erdbeobachtung inklusive Meteorologie über die Astronomie bis zur Energiegewinnung mithilfe großer „Weltraumspiegel“. Oberth machte aus seiner Vision eine Theorie und löste damit einen Raketen- und Raumfahrtrummel aus, dessen Wirkung bis heute anhält. Deshalb war, ist und bleibt unser siebenbürgischer und unser deutscher Landsmann Hermann Oberth eine herausragende Persönlichkeit in der Geschichte der Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Astronautik.

Robert Adams

Schlagwörter: Heimattag 2014, Oberth, Wissenschaft

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