16. August 2015

Film „Arbeit macht das Leben süß, Faulheit stärkt die Glieder“ kommt im Oktober in die Kinos

Ein Dorfplatz in Siebenbürgen. Eine kleine Blasmusikkapelle spielt auf, dann Auftritt für zwei mit weißen Hemden festlich bekleidete alte Männer, Lorenz Auner, 77 Jahre alt, erzählt seinem Gegenüber mit einem frohen Lächeln und hoher Altmännerstimme: „Und dann hat Pfarrer Guib zu mir gesagt: ‚Herr Auner, kommen Sie zu uns nach Hetzeldorf, dort haben Sie Zerstreuung. (…) Dort haben wir Kühe und Schweine und Hühner‘.“
Bedächtig stimmt ihm Hans Göffert zu. Der 80-Jährige aus dem Altenheim in Scholten, der an diesem Festtag eine schmucke Krawatte trägt, sagt: „Auch hier hat man Zerstreuung … wenn man will.“ Das Gespräch wurde beim Peter-und-Pauls-Fest in Scholten gefilmt. Fragmente ihrer bedächtigen Rede über das Leben in Siebenbürgen einst und jetzt hat Regisseurin Claudia Funk in ihrem Film „Arbeit macht das Leben süß, Faulheit stärkt die Glieder“ eingebaut, der am 1. Oktober in die Kinos kommt. Wie einst der Chor im antiken griechischen Theater treten sie immer wieder auf, bloß dass das, was hier erzählt wird, nichts von einer Tragödie an sich hat, sondern ganz im Gegenteil, eine Geschichte voller Hoffnung und Menschlichkeit ist.

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Während einer Urlaubsreise vor sieben Jahren besuchte die in Bonn geborene freie Journalistin und Filmemacherin das Altenheim des Mediascher Diakonievereins in Hetzeldorf und war tief bewegt von dem, was sie dort vorfand. Die Geschichten, die sie damals hörte, haben sie nicht mehr losgelassen, schreibt Funk: „Die Leute wirkten so zufrieden. Es umgab sie eine Würde, die mich beeindruckt hat. Warum, habe ich erst viel später begriffen, als meine Großmutter hier in Deutschland in ein Altenheim kam. Meine Großmutter hat ihr Leben lang mit den Händen gearbeitet. Im Garten, auf dem Kartoffel-Feld, beim Strümpfe-Stopfen. Sie war eine Macherin. Als sie alt und dement ihr Haus verlassen musste, waren die Hände das Einzige, was sie noch bewegen konnte. Ich wünschte, man hätte sie Grashalme aus dem frisch geernteten Tee zupfen lassen. Oder ihr Erbsen zum Puhlen gegeben. So wie den Frauen in Hetzeldorf. Ich bin mir sicher, sie hätte es gern gemacht. Es hätte ein bisschen von der Macherin in ihr weiterleben lassen. So war sie ein abwesender Mensch in einem Rollstuhl.“ Und so ist der Film in erster Reihe eine Hommage an die Menschlichkeit.

Plakat des Films. Bildquelle: gmfilms Berlin ...
Plakat des Films. Bildquelle: gmfilms Berlin
Ursula Juga Pintican, seit 2005 Leiterin und gute Seele des Mediascher Diakonievereins, formuliert den Grundgedanken des Hetzeldorfer Konzepts: „Jeder soll in Würde alt werden dürfen, und dazu gehört vor allem, dass jeder, so lange er kann, aktiv sein darf und soll, und dabei soll jeder das machen, was er gerne tun will.“ Es ist hinlänglich bekannt, was nach dem Sturz der Ceaușescu-Diktatur 1989 geschah: Innerhalb kürzester Zeit verließen auch in Mediasch und Umgebung über 90% der Siebenbürger Sachsen ihre Heimat und suchten in der Fremde ein anderes Glück. Eine große Herausforderung für jene, die nicht weggegangen sind, war es, sich um alte, bedürftige und vor allem kranke Menschen zu kümmern, für die bis vor kurzem die Großfamilie oder die Nachbarschaft gesorgt hatte. Tatkräftige und phantasievolle Menschen waren gefragt, alternative Konzepte gesucht. In Mediasch war es vor allem Christa Plajer, die erste Vorsitzende des Diakonievereins, die die Idee für das spätere Hetzeldorfer Altersheim hatte. Heute leben und arbeiten ungefähr 30 Menschen im Alter zwischen 60 und 90 Jahren dort zusammen. Vierzehn Tage lang begleiteten Claudia Funk und ihr Team die Heimbewohner. Stundenlang sprach die Regisseurin mit jedem Einzelnen, hörte geduldig zu, fragte behutsam, baute Vertrauen auf. Und so gelingt es ihr in dem Film, das Alltagsleben der Heimbewohner mit Witz und Einfühlungsvermögen widerzuspiegeln, aufgenommen in klaren, schönen Bildern. Sie beackern zwölf Hektar Land, machen Heu und fahren es mit dem Pferdegespann ein, kümmern sich um Kühe, Schafe und Hühner und um den traditionellen Gemüsegarten. „Sie bekommen für ihre Arbeit etwas, was in Deutschland selten geworden ist: das Versprechen, in ihrer gewohnten Umgebung und in Würde alt werden zu können. Egal, wie lange es dauert, egal, was es kostet“, heißt es im Begleitheft zum Film. Sie werden im Altenheim gepflegt und dürfen auch dort sterben. Ein Drittel der anfallenden Kosten können sie durch ihrer Hände Arbeit erwirtschaften – eine bemerkenswerte Leistung. Aber die Erledigung der täglichen Arbeit ist nicht der einzige Grund, warum jeder hier seine Aufgabe hat. Man gibt jedem Einzelnen das Gefühl, dass er gebraucht wird. Dass er nicht nur gekommen ist, um dort auf sein Ende zu warten. Da ist zum Beispiel die 81-jährige Hilde, die sich um die Glucke und die Küken kümmert. Sie ist zuständig dafür, dass sich die Katzen nicht an ihnen vergreifen und dass keines beim Gang über die Wiese ausbüchst. Die Kamera begleitet sie über den Hof, man sieht, mit welchem Ernst sie ihrer Aufgabe nachgeht. Kaum zu glauben, dass sie dement und sehr verwirrt ist.
Lorenz Auner (links) und Hans Göffert. ...
Lorenz Auner (links) und Hans Göffert. Bildquelle: gmfilms Berlin
Es sind Archetypen, die Claudia Funk portraitiert, wie auch den Burghüter der Hetzeldorfer Kirche, Johann Klatt. Mitten in der Kirche stehend erzählt er mit einer unnachahmlichen Mischung aus Selbstbewusstsein und Bauernschläue, wie er drei Einbrecher gestellt hat, die sich mitten in der Nacht vom Dachboden aus in die Kirche abgeseilt hatten. Klatt rief die Polizei, die Räuber wurden dingfest gemacht – und sicher nicht ohne Stolz fügt er hinzu, dass die Hermannstädter Polizei ihm gedankt habe.

Ein Glücksfall für das Heim ist auch dessen Leiter, Jenö Bányai, der nicht nur gut organisieren und kräftig zupacken kann, sondern auch mit einer Engelsgeduld zuhören kann. Der Film zeigt ihn in einem langen Gespräch mit Heimbewohnern, die in Erinnerungen schwelgen, wie auch am Steuer des Kleinbusses, mit dem er „seine Alten“ zum Fest nach Scholten fährt.

Es sind natürlich auch die Bilder, durch die der Film uns entführt in eine Welt, die die meisten unter uns noch erlebt haben und die wir nicht vergessen sollten: die sanften Hügel des Weinlandes, die Wiesen und Felder, die zum Teil noch so bestellt werden wie vor Hunderten von Jahren, die Menschen, die unter Weinranken im Hof zusammensitzen, ein Glas Wein oder auch zwei trinken und miteinander reden. Zu den starken Bildern zählen auch jene, die Georg Weber beim Besuch seines Heimatdorfes Maldorf zeigen. Er steht dort auf dem grasüberwachsenen Friedhof, deutet auf das Grab seiner Eltern und sagt: „Hier werde ich einmal liegen.“, sagt er mit klaren Worten, ein Mann, der bei aller Schwere seines Schicksals seinen Frieden mit der Welt gemacht hat. Einen Frieden, den Johann Klatt in die Worte fasst: „Ich danke Gott Tag und Nacht, dass ich hier bin.“ – hier im Altenheim in Hetzeldorf. Dieses „gleicht einer Alten-WG, in der sich die Bewohner gegenseitig unter die Arme greifen und damit noch nicht vollständig aufs Altenteil ‚abgeschoben‘ wurden. Das kann auch ein generelles Modell für das Zusammenleben in einer alternden Gesellschaft sein“, schrieb die Jury der Deutschen Film- und Medienbewertung und verlieh dem Film das Prädikat wertvoll. Wir wünschen dem von gmfilms Berlin vertriebenen Film möglichst viele Zuschauer und dem Konzept der Altenbetreuung der Mediascher Diakonie möglichst viele Nachahmer.

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Film, Altenheim, Siebenbürgen

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